Reinhard Schanzer

Der Navigator


Der derzeitige absolute Höhepunkt für alle Weicheier, Warmduscher und Sesselpupser ist es, ein Navigationssystem im Auto zu haben. Je teurer, desto besser.
Neeeein. Neinneinneinnneinnein! Nicht, daß Sie jetzt vielleicht denken, das wäre nur ein spätpubertäres Spielzeug für erwachsene Männer!
Etwa so wie die Spielzeug- Dampfmaschine oder die große Modell- Eisenbahn, die bereits gekauft wurde, als der Sohn gerade mal 3 Wochen alt war.

Ein Navigationssystem ist etwas gaaanz Anderes und in der heutigen Zeit beinahe so überlebenswichtig wie früher das Fahrtenmesser, die Angelschnur und das Feuerzeug.
Damit kann man sich garantiert nicht mehr verfahren, wenn man am Sonntag früh mal schnell zu einem anderen Bäcker fährt, um dort seine Sonntagsbrötchen zu holen.
Einfach vorher die CD einlegen, den Ausgangspunkt und die Ziel- Adresse einprogrammieren und schon kann überhaupt nix mehr passieren.
Natürlich darf man aber nicht vergessen, dasselbe auch auf dem Rückweg zu machen.
Damit zeigen Sie, daß Sie mindestens so intelligent sind wie das Knäckebrot, das Sie eben gekauft haben.
Zu Fuß oder mit dem Fahrrad wäre man zwar viel schneller gewesen, aber was macht das schon? Damit kann´s ja schließlich fast jeder!

Man braucht auch nie mehr wieder diese verhaßten, zerknitterten Straßenkarten mit den vielen verwirrenden farbigen Linien oder gar den umständlichen ADAC- Atlas zu Rate ziehen, mit dem man sowieso noch nie richtig umgehen konnte.
Die Straßenkarten befanden sich sowieso immer dann, wenn man sie brauchte, unter dem Reserverad und der ADAC- Atlas zuhause im Bücherregal neben dem Telefonbuch.

Ganz anders das Navigationssystem:
Jeder Bindgänger bekommt von einer netten, freundlichen (natürlich weiblichen) Stimme rechtzeitig und sogar mehrmals gesagt, was er denn nun genau machen muß, wenn ein völlig unvorhersehbares Ereignis wie z.B. eine plötzliche Straßensperre oder eine Umleitung ohne Schilder den Fahrplan völlig durcheinanderbringt.
Diese freundliche Person wird auch niemals die Stimme erheben, wenn der Dödel trotz rechtzeitiger Ansage die richtige Abzweigung verpennt hat, weil er sich eben nicht getraut hatte, links abzubiegen.
Freundlich und bestimmt wird sie ihm einen Vorschlag machen, wie er denn nun zu fahren hätte, z.B. "Bitte wenden Sie und biegen Sie die nächste Straße rechts ab"!
Von der eigenen Ehefrau würde man diese Ratschläge ganz sicher nicht annehmen, denn ein Mann ist schließlich ein Mann!
Auch Einheimische nach dem richtigen Weg zu fragen käme sowieso nie in Frage, denn richtige Männer fragen nicht.
Man hat ja auch so etwas wie Stolz, nicht wahr?
John Wayne z.B. hatte auch nie nach dem Weg gefragt, oder?

Auf dem Weg zur Arbeit, zu der Verwandtschaft oder zu Ihrem Vereinsheim werden Sie überrascht sein, welche ungeahnten Möglichkeiten Ihnen dieses Navigationssystem eröffnet.
Sie werden Straßen und Wege finden, die Sie sich in Ihren kühnsten Träumen nicht hätten vorstellen können. Das ist eben noch wirklich Abenteuer pur! Für echte Männer eben.
Sie brauchen sich auch nie mehr auf so vage Angaben wie z.B. "das Haus direkt neben der Kirche" zu verlassen.
Nein, Sie werden damit auch den Nebeneingang des Meßdieners finden, so Gott will.

Selbstverständlich sind solche Autotypen wie Jeep Grand Cherokee, Hi-Lux, Explorer, Trooper, Range Rover, Discovery, Defender, usw. bevorzugtes Ziel dieser Wünsche.
Schließlich sollte jeder sofort erkennen können, daß man sich die meiste Zeit seines Lebens nicht auf dem Weg von und zur Arbeit im Büro oder zum Einkaufen in der City befindet, sondern eben auf Safari im undurchdringlichen australischen Busch.
Dort kann man ja schließlich auch niemanden fragen.

Die findige Auto- Industrie hat die Zeichen der Zeit sofort erkannt und bietet auch in Nobelkarossen bereits serienmäßig mehr oder weniger taugliche Navigationssysteme an.
Diese müssen nicht einmal so gut sein wie das billigste von ALDI, wichtig ist nur, daß es auch so richtig teuer war und immense Folgekosten durch (natürlich dringend erforderliche) monatliche Update´s verursacht.
Diese Update´s sind deshalb so wichtig, weil sich die Orte und der Straßenverlauf ja monatlich ändern können und schließlich möchte man doch immer Up to Date sein.
Extrem wichtig ist auch ein mehrfarbiges Display, das eine Übersichtskarte zumindest von ganz Europa bieten kann. Weltweit wäre natürlich noch besser, auch wenn man den eigenen Gemeindebereich oder Landkreis noch nie im eigenen Fahrzeug verlassen hat.
Aber egal, damit signalisieren Sie ein gewisses weltmännisches und internationales Flair und es erregt sofort den Neid des Nachbarn in der Reihenhaus- Siedlung, der sich mit seinem Geländewagen natürlich auch überwiegend im australischen Busch aufhält.

Halten Sie bitte im Straßenverkehr immer einen genügend großen Sicherheitsabstand zu solchen Fahrzeugen, denn man weiß ja nie, was so alles passieren kann, wenn sich so ein Typ mit Geländewagen und Navigationssystem gerade auf Safari befindet.
Wundern Sie sich also auch nicht, wenn es mal gekracht hat und aus einem riesigen Geländewagen ein blasses, spindeldürres Männchen im Safari- Outfit, Schnürstiefeln und mit einer Brille wie Glasbausteine unter dem Tropenhelm entsteigt und sich mit krächzender Stimme, wirrem Blick und zittrigen Knien als der Navigator zu erkennen gibt.

John Wayne würde sich ganz bestimmt mehrmals im Grabe umdrehen, wenn er dies alles noch mitbekommen hätte.
Aber John Wayne ist schon lange tot...




© Copyright 2005 by R. Schanzer

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.01.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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