Robert Franke

Der Detektiv

Es war einer dieser verregneten, tief kalten Winterabende, in denen man nicht einmal den fetten Köter der noch fetteren Nachbarin aus dem Fenster geschmissen hätte. Ich hatte es mir gerade, nachdem ich die Backen meines Astralhinters in eine vernünftige Ausgangsposition gebracht hatte, auf meinem bequemen und gepolsterten Bullenlederschreibtischstuhl gemütlich gemacht, als es auch schon an der Eingangstür meiner Detektei klopfte. Ich dachte an mein vor zwei Tagen verstorbenes Portemonnaie und an die Fliege, die in faszinierender Art und Hintertücke vor meinem linken und bald auch meinem geistigen Auge umher schwebte. Der stupide Lufttanz um meine schäbige Schreibtischlampe und der mehrmalige, atemberaubende Sturzflug gen Erbboden beziehungsweise Tischplatte, wenn sie sich mal wieder den Schniedel an der Glühbirne verbrannt hatte, besaßen etwas sehr Hypnotisierendes. Sie schwirrte schon wieder nach oben. Dummes Insekt. Mit begeisterter Langeweile verfolgte ich um ein Neues ihr innovatives kreisend-horizontales Himmelfahrtskommando in Richtung Blühbirne. Es klopfte. Die Fliege hatte gerade ihren Fehler mit der Glühbirne eingesehen, als sie einen weiteren diesmal aber wirklich tödlichen Fehler machte. Sie machte auf meiner verschnupften Nase Kaffeepause. Das Krabbelvieh konnte ja nicht wissen, dass sie auf den Riechkolben ihres Messias' kackte. Es klopfte zweimal. Ich erhob würdevoll meine Rechte, da meine Linke damit beschäftigt war, mich zwischen den Beinen zu kratzen, und führte sie auf einen Nahkampfabstand von einer Käse-Fußlänge vor meinen Nießzinken, immer genaustens darauf bedacht nicht das auf die Fliege fallende Licht zu unterbrechen, um jeder Vorahnung ihrerseits in bezug auf meinen genialen Meisterplan im Keim zu ersticken. Es klopfte zweimal. Ich wartete noch zehn Sekunden, um der Fliege noch Gelegenheit zu geben, ihr Testament an ihre 4 Milliarden Geschwister in meinem Büro zu verfassen. Schließlich war meine innere Uhr abgelaufen und ich schlug ruckartig mit maskulin herber Kraft präzise u! nd geschickt zu. Ich war sehr stolz auf meine enorme, testosteron-gelenkte Schlagkraft, die sogar stark genug war, mich rücklings aus meinem bequemen und gepolsterten Bullenlederschreibtischstuhl zu befördern. In Konsequenz panthergleicher Gewandtheit schlug ich zunächst mit dem Genick auf. Dank meiner Kampferfahrung gelang es mir im selben Moment meinen weichen Bauch schützend über meine Stirn zu legen um zu verhindern, dass mir während des eleganten Abrollens eventuell ein von der Zimmerdecke herabstürzender Amboss auf den Kopf fällt. Während sich meine Eingeweide neu sortierten, beglückwünschte ich mich selbst zu dieser Entscheidung. Es klopfte zweimal, diesmal etwas heftiger. Schnell hatte ich mich innerhalb von fünf Minuten aufgerichtet. Ich, als schlachterfahrener Veteran, analysierte sogleich die brenzliche Lage. Zu meiner Enttäuschung musste ich erkennen, dass das Feindobjekt nicht eliminiert werden konnte, sondern wieder stupide um die Birne kreiste. Gleichzeitig registrierte ich eine Verletzung an meinem Knöchel, vielleicht war ich beim Sturz nur umgeknickt, viel wahrscheinlicher war es jedoch, das der Knöchel während des Kampfes brach, sich ein Knochensplitter in eine Ader bohrte und ich in spätestens zwei Stunden innerlich verblutet gewesen sein wäre. Aber ich ignorierte tapfer die Kriegswunde und schritt auf das Feindobjekt zu. Dieses erkannte seine schiere Unterlegenheit und floh in Richtung halboffenes Fenster. Ich humpelte mit rhythmisch-athletischen Sprungbewegungen hinterher. Als ich jedoch das Fensterbrett erreichte, hatte sich der Feind schon feige verflüchtigt. Mit dem Blick in den Regen sah ich wie eine sehr reich gekleidete Frau mit wütender Miene und grazilen Schritten gerade den unteren Hauseingang verließ und ihren Wagen erreichte. Nachdem der Chauffeur ihr geöffnet hatte und sie einstieg, raste das Automobil in die Nacht davon. Frechheit! Da setzt man im Kampf sein Leben aufs Spiel und dann werden Helden wie ich einfach sitzen gelassen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.01.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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