Auch wenn das vorangegangene Gespräch die Wahrscheinlichkeit einer natürlichen Ursache dieses Todesfalles wieder höher erscheinen ließ setzte Pilz die Untersuchung fort und wählte nun endlich die Nummer des Finanzamtes Graz-Stadt.
„Guten Tag, hier Pilz, ich möchte Herrn Pilz sprechen, Oberamtsrat Pilz!“, fügte er hinzu. Diese Floskel ließ er sich immer auf der Zunge zergehen, auch wenn er den erstaunten Blick der Dame am anderen Ende der Leitung zu seinem großen Bedauern nicht sehen konnte.
„Hallo, Alfons, da bist du ja endlich!“, kam sein Bruder sofort zur Sache, “Ich wollte dich schon selber anrufen! Wie gewünscht hab ich mir die Akten kommen lassen. Normalerweise zahlen Altersheime ja gar keine Steuern, weil sie unter die Gemeinnützigkeit fallen, aber bei dieser privat geführten Kette ist das was anderes. Auf den ersten Blick war nichts Auffälliges zu erkennen in den Papieren, aber ich bin heute Vormittag in das Büro vom Urban gefahren, zum Glück war nur eine Aushilfssekretärin da. So hat man mir keine Steine in den Weg gelegt. Aber sobald der Urban das erfährt, macht er mir bestimmt die Hölle heiß. Hoffentlich zahlt sich das Ganze wenigstens aus! Auf jeden Fall hab ich mir die Ordner vom Waldesruh mitgenommen und bin dann zum Heim gefahren. Dort hab ich im Büro von Frau Pröll die Abrechnungsbelege des letzten Monates angeschaut, die noch nicht in die Buchhaltung geschickt worden sind. Und jetzt kommt’s. Die gute Frau hat anscheinend eine doppelte Buchführung gemacht, und mehrere Aushilfskräfte nicht angemeldet. Außerdem lag auf dem Schreibtisch eine schriftliche Beschwerde von einem Angehörigen, worin er sich bitter beklagt, dass seiner Mutter die Zuzahlung für teure Medikamente in Rechnung gestellt worden sei, die diese niemals erhalten habe. Wegen der ersten Sache werde ich natürlich weiter ermitteln, aber diese Geschichte mit den Medikamenten geht uns nichts an. Das musst du schon selbst aufklären, Bruderherz!“
„Dank dir schön, Pepi, das ist mal wirklich eine gute Nachricht, jetzt kommt die Sache langsam ins Rollen! Meine Nase hat mich doch nicht getäuscht, in diesem Heim ist was faul! Ich melde mich wieder, wir müssen unbedingt wieder einmal einen Kaffee trinken gehen ins Cafe Stadtpark, wie wär´s denn mit morgen Nachmittag?“
„An sich gerne, Alfons, aber ich kann das jetzt noch nicht hundertprozentig sagen, ob ich Zeit hab. Wir telefonieren morgen noch einmal, ja?“
„Wahrscheinlich hat er Angst, dass er wieder alles selber zahlen muss, dabei wollte ich ihn doch einladen!“, murmelte der Oberinspektor etwas enttäuscht vor sich hin.
Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass Herr Urban bald eintreffen müsste, falls er es nicht doch noch geschafft hatte, sich der Vorladung mit irgendeinem Trick zu entziehen.
Er ging einstweilen runter in die Kantine und bestellte einen Grossen Braunen . Während er gedankenverloren seinen Kaffee schlürfte und das Geschehene der letzten Stunden rekapitulierte, setzte sich ein Kollege an seinen Tisch, und grüßte halblaut. Pilz erwiderte den Gruß zuerst etwas mürrisch, da erst erkannte er sein Gegenüber, es war Major Huber, mit dem er einst zusammen die Volksschule besucht hatte.
„Grüß dich, Wolfgang, sieht man dich auch einmal wieder in der Kantine!“, begrüßte er ihn freudig überrascht.
„Ich komm ja kaum noch dazu! Den ganzen Tag sitz ich am Schreibtisch und muss mich mit Verwaltungsvorschriften und Ähnlichem herumschlagen. Und wenn meine Leute dann einen Haftbefehl brauchen und der Untersuchungsrichter mir keinen ausstellt, krieg ich die Prügel dafür. Du hast es gut, Schwammerl, du kannst noch richtig ermitteln, wie gern würd ich mit dir tauschen!“
„Früher hätt ich gern mit dir getauscht, du hast die Matura machen und studieren können, während ich immer ein kleiner Beamter geblieben bin. Meine C 6 Stelle kannst gern haben, Wolfi, aber den ganzen Tag am Schreibtisch herumsitzen möchte ich auch nicht!“ antwortete Pilz verschmitzt, setzte aber gleich wieder eine sorgenvolle Miene auf
„Gleich kommt der Urban zu einer Vorladung zu mir, mit einem Major wie dir würde der ganz anders umspringen, als er es mit einem kleinem Oberinspektor wohl tun wird!“, seufzte er mit düsterer Vorahnung.
„Na so was, den Urban hast du vorgeladen, du traust dir vielleicht was!“, sagte Huber und schaute ihn ganz fassungslos an. „Wenn der seinen Anwalt, den Doktor Schmidtbauer mitbringt, der zerreißt dich in der Luft!“.
„Dank dir schön, dass du mir so viel Mut machst, Wolferl, aber ich werd´s schon überleben.“
„Viel Erfolg, Alfons, bis zum nächsten Mal!“, sprach´s und machte sich auf den Weg in seine Abteilung. Auch für Pilz wurde es langsam Zeit, er musste nun wohl oder übel zurück zu seinem Büro gehen, vor dessen Tür schon ungeduldig zwei Herren warteten.
„Guten Tag, meine Herren, herzlichen Dank dafür, dass sie meiner Einladung gefolgt sind!“, hieß Pilz die Beiden ungewohnt höflich willkommen.
„Im Namen meines Mandanten muss ich auf das Schärfste gegen diese völlig unnötige Vorladung protestieren!“, fiel der Eine der Herren, Rechtsanwalt Doktor Schmidtbauer, gleich mit der Tür ins Haus. Drohend baute er sich vor Pilz auf und schimpfte
„Und dann lassen sie uns auch noch warten. Herr Urban ist ein viel beschäftigter Mann, schließlich muss er auch die Steuergelder verdienen, mit denen unter anderem auch sie bezahlt werden!“
„Ah, gehen´s, so viel Steuern werden es schon nicht sein, bei seinem Abschreibungstalent!“, beschwichtigte ihn Pilz.
„Das muss ich auf das energischste zurückweisen, ich bin ein korrekter Steuerzahler! Tun sie doch was, Herr Doktor!“, protestierte Urban empört und blickte seinen Rechtsbeistand auffordernd an
„Ich glaub, es wäre sowieso besser, wenn wir ihren Vorgesetzten, den Hofrat Doktor Stadler, zu dieser Unterredung zuziehen würden!“ meinte der Anwalt mit wichtiger Miene.
„Der Herr Hofrat ist leider dienstlich verhindert“, bedauerte Pilz und lächelte verschmitzt, sein Chef hatte es nämlich vorgezogen, einen Zahnarzttermin wahrzunehmen.
„Lieber lass ich in meinen Zähnen herumbohren, bevor ich mich mit dem Doktor Schmidtbauer herumstreite!“, hatte dieser ihm am Vortag mitgeteilt. Sichtlich enttäuscht darüber, dass er sich nur mit einem kleinen Beamten messen konnte, überließ der Anwalt seinem Mandanten das Wort.
„Na, dann fangen wir endlich an, ich weiß sowieso nicht, was sie von mir wissen wollen, Herr Oberinspektor!“, meinte Urban mit herablassender Miene.
„Herr Doktor Urban“, begann Pilz streng formell seine Befragung, „Meine Mutter war damals in einem Heim der Caritas, und die sind dort hinten und vorn nicht mit dem Geld ausgekommen, die Kirche musste immer was zuschießen. Wie geht das eigentlich bei ihren Seniorenheimen, wie können sie da sogar noch Gewinne erzielen? begann Pilz seine Befragung.
Urban blickte ergeben zur Zimmerdecke und erwiderte „Die paar Schilling, die kann man eh kaum als Gewinn bezeichnen, manchmal zahl ich sogar noch drauf!“
„Das Geschäft möchte ich sehen, wo sie draufzahlen!“, platzte Pilz heraus und bedauerte seine unbedachte Äußerung sofort, denn der Anwalt sprang wie von der Tarantel gestochen auf und rief erregt
„Haben sie den Herrn Doktor Urban hergebeten um ihn zu beleidigen? Stellen sie bitte nur sachdienliche Fragen, oder wir müssen das Gespräch abbrechen, Herr Oberinspektor!“ Er legte sich mächtig ins Zeug, der Herr Rechtsanwalt, aber schließlich lebte er ja ganz gut von seinem Klienten. Dessen Geschäftsphilosophie war von einer Art, die juristischen Beistand wohl eher häufig erforderlich machte.
„Selbstverständlich war das eine sachdienliche Frage“ gab Pilz säuerlich zurück,“oder glauben sie, ich unterhalte mich zu meinem Vergnügen mit diesem Herrn?“. Pilz musste sich wirklich zusammen nehmen, um nicht aus der Haut zu fahren, darauf warteten die beiden ja nur.
„Was heißt hier, mit diesem Herrn, ich weiß gar nicht, warum sie mir so feindselig gesonnen sind, Herr Oberinspektor?“, Urban änderte jetzt seine Strategie und versuchte die Situation etwas zu entkrampfen, “Habe ich ihnen irgendetwas getan? Da fällt mir ein, lebt eigentlich ihr Herr Vater noch?“, begann er sich einzuschmeicheln. „Ich hätte da gerade ein Appartement frei in einer Seniorenresidenz in Semriach. Mit wunderschönem Blick auf den Schöckel, unserem Hausberg“
„Mein Vater ist schon zehn Jahre tot, Herr Urban“, gab Pilz pikiert zurück, „aber trotzdem vielen Dank für ihr Angebot!“
Lieber würde ich in Frühpension gehen und meinen Angehörigen selber pflegen, bevor ich ihn dem Urban anvertraue, dachte er im Stillen und wechselte jäh das Thema.
„Ich habe bei einer Durchsuchung vom Schreibtisch der Frau Pröll festgestellt, dass sie mehrere Pflegekräfte schwarz beschäftigt und deren Daten auch nicht an ihre Buchhaltung weitergibt. Was sagen sie dazu?“
Urban ließ sich nicht aus der Reserve locken und antwortete nur mit gleichgültigem Achselzucken
„Wahrscheinlich hat sie noch keine Zeit gehabt, die Leute offiziell anzumelden, es ist oft ein Kreuz mit den Hilfskräften. Das dauert ja manchmal wochenlang, bis die ihre Arbeitspapiere endlich abgeben. Aber unsere armen Bewohner müssen wir doch solange trotzdem pflegen, oder?“, antwortete er scheinheilig und setzte triumphierend nach
„Auf Dauer kann Frau Pröll sowieso niemand schwarz beschäftigen, mit welchem Geld sollte sie diese Leute denn bezahlen?“
„Zum Beispiel, indem sie den Bewohnern höhere Medikamentenzuzahlungen in Rechnung stellt, als sie an die Krankenkassen abführt!“, konterte Pilz mit stillem Triumph.
„Ach, hören´s doch auf, wie soll das denn funktionieren, das würde doch irgendwann meiner Hauptbuchhaltung auffallen!“ So leicht ließ sich der gewiefte Urban nicht aus der Reserve locken.
Pilz wagte trotzdem einen neuen Versuch
„Sie bestreiten also, an die Heimleitung eine diesbezügliche Anweisung gegeben zu haben, Herr Doktor Urban?“
„Selbstverständlich, auf das entschiedenste! Sollte sich ihre Anschuldigung als wahr erweisen, werde ich sofort arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen!“
Das kann ich mir vorstellen, wie die aussehen werden! dachte er. Die Pröll schmeißt er fristlos raus, spart sich die Abfertigung und wäscht seine Hände weiter in Unschuld. Und die Nachfolgerin als Heimleiter bekommt sofort wieder die finanziellen Daumenschrauben angesetzt. Die Vorgaben kann sie dann wiederum nur erfüllen, wenn sie sich am Rande der Legalität bewegt.
Das alles schoss ihm in den Kopf, zu den Beiden gewandt sagte er aber nur
„Dann beenden wir vorerst die Befragung, sie überprüfen bitte die Buchhaltung der Frau Pröll, sonst müsste ich der Heimaufsichtsbehörde einen kleinen Tipp geben. Wenn das nicht ohnehin die betroffenen Angehörigen machen. Auf Wiedersehen, meine Herren, vielen Dank, dass sie mir ihre wertvolle Zeit geopfert haben!“
Pilz konnte auch anders, in diesem Fall konnte ein wenig Süßholzraspeln am Schluss gar nicht schaden. Er wusste aus langjähriger Erfahrung, dass die richtige Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche bei Verhören entscheidend war. Zudem konnte er davon ausgehen, dass Urban die Heimleiterin gehörig unter Druck setzen würde. Falls ihre finanziellen Mauscheleien vielleicht auch Frau Eibel bekannt geworden waren, und diese auf Grund ihrer früheren Anstellung bei der Gebietskrankenkasse Druck auf sie ausgeübt hätte, dann wäre das ja ein möglicher Anlass für einen Streit der beiden gewesen. In dessen Verlauf dann der schreckliche Unfall passiert war. Worauf die Pröll, in blinder Panik, zuerst alle Spuren beseitigte, um den Verdacht auf jemand anders zu legen?
So ganz plausibel erschienen ihm seine eigenen Theorien auch nicht, darum verzichtete er darauf, sie dem Kollegen Vasic vorzutragen, der gerade zur Tür herein kam.
„Na, Mirko, kommst du auch noch wieder? Grad rechtzeitig, wo die zwei weg sind!“
Pilz setzte eine etwas säuerliche Miene auf, weil der ihn mit Urban alleingelassen hatte. Er war sich sicher, dass Vasic solange vor der Tür gewartet hatte, bis die Luft wieder rein war. Mit Urban und seinem juristischen Gefolge wollte wirklich niemand was zu tun haben, das brachte nur Ärger ein.
„Was haben die Kollegen gesagt, hat der Waller nun Selbstmord verübt, oder war es etwas anderes?“
Vasic grinste, weil er Urban wie gewünscht verpasst hatte und beantwortete die Frage mit stiller Genugtuung,
„Ja, bei der Autopsie wurde eine stark erhöhte Dosis Barbiturate festgestellt, das hat ursächlich zum Tod von Hermann Waller geführt.“
Pilz ließ nicht locker, das passte ihm nämlich so gar nicht in sein Konzept.
„Hat man denn überhaupt einen Abschiedsbrief gefunden, oder hat er irgendeine Äußerung gemacht vorher, die auf solche Absichten hätte schließen lassen?“
„Nein, aber die Kollegen gehen trotzdem von einem Freitod aus, für ein Fremdverschulden gibt es keinerlei Anzeichen.!“ Für Vasic war die Sache klar, „Waller hat seine Freundin im Streit gestoßen, dabei ist sie hin gefallen und unglücklich mit dem Kopf an die Tischkante geknallt. In der ersten Verwirrung hat er die betreffenden Stellen mit einem Papierhandtuch abgewischt und das Tuch im Klo weggespült. Als er nach dem Verhör die Schlinge um seinen Hals enger werden sah, machte er Schluss und nahm Schlaftabletten.“
„Aber warum sollen sie sich gestritten haben, so sehr, dass die Sache tödlich endete. Ich sehe da keinen triftigen Grund dafür!“
Pilz war alles andere als überzeugt von Vasic´ Theorie. Zu allem Überfluss war auch noch sein Chef, Doktor Binder, ins Zimmer gekommen und hatte den letzten Satz mitbekommen.
„Bravo, meine Herren, dann wäre der Fall ja gelöst und sie können sich anderen Dingen widmen!“ rief er erfreut „Der Chefinspektor Wondratschek ist sowieso noch immer krankgeschrieben, jetzt hat er auch noch eine Kur beantragt, da könnten sie sich ja seiner Akten annehmen, Kollege Pilz!“
„Ja, so weit kommt´s noch! Der Wondratschek geht schön mit seinem Kurschatten spazieren und ich soll auch noch seine Arbeit machen! Vielleicht ist Herr Waller ja freiwillig aus dem Leben geschieden. Aber der Fall Eibel ist noch nicht gelöst! Da bin ich mir sicher, Herr Hofrat! Geben sie mir noch zwei Tage, bitte!“
„Na gut, Kollege Pilz, aber keinen Tag länger! Danach geben wir die Akten an den Untersuchungsrichter, und ich bin sicher, er stellt den Fall ein!“
Nachdem der Hofrat den Raum wieder verlassen hatte, wandte sich Pilz an Vasic und sagte bissig
„Das hast du jetzt davon, von deiner Theorie! Wir verlieren unseren Fall und müssen irgendeine blöde Sache vom Wondratschek übernehmen, mit der er nicht klar gekommen ist.“ Vasic schaute ihn schuldbewusst an und verteidigte sich halbherzig
„Aber es hätte doch so gewesen sein können, oder? Warum willst du denn unbedingt einen Mord daraus machen? Wir haben doch auch so schon genug zu tun!“
„Mir geht´s nur um die Wahrheit, Mirko, ich will mir nicht später einmal vorwerfen, dass ich einen Täter hab laufen lassen, nur damit ich weniger Arbeit hab!“ Sprach´s, packte seine alte Aktentasche und verließ grußlos das Büro. Vasic schaute ihm entgeistert nach, sprang auf, um ihm nachzulaufen. Er sah aber nur noch, wie dieser eilig der Treppe zustrebte, so schüttelte er verständnislos den Kopf und ging ebenfalls nach Hause.
Das Altersheim brennt! Aus einem Zimmer im 2.Stock kommen dicke Rauchschwaden!
Vor 3 Minuten, um 8 Uhr 23 war dieser Notruf bei der Funkleitstelle der Polizei eingegangen, die ihn sofort an die Feuerwehr weitergegeben hatte. Routiniert gab der Lagebeamte der Grazer Berufsfeuerwehr über Funk seine Anweisungen an die Wache St. Leonhard,
„Zug 2, fertig machen zum Einsatz! Fahren sie zur Mariatrosterstrasse 91, Ecke Waldweg. Feuer im Seniorenheim Waldesruh. Menschenleben in Gefahr!“
Vorsorglich alarmierte er auch die umliegenden freiwilligen Wehren, ehe er noch einen Zug aus der Zentrale und einen Rüstwagen mit Atemschutzgeräten nach dem Brandort in Marsch setzte. Sein Kollege, Oberbrandrat Ing. Lackner, schnappte sich ein Handfunkgerät und eilte nach unten in den Hof, wo der Fahrer seines Dienst Pkws bereits mit laufendem Motor auf ihn wartete und fuhr dem Zug nach, um die Leitung des Großeinsatzes zu übernehmen.
Mit quietschenden Reifen hielt der erste Rüstwagen der Feuerwehr vor dem Eingang zum Seniorenheim. Nach und nach folgten die nächsten und binnen kurzer Zeit war die gesamte Zufahrtsstrasse zum Heim mit Einsatzfahrzeugen zugeparkt. Männer mit Atemschutzmasken, Sanitäter und Polizeibeamte stürmten in das Haus, wurden dort von einigen aufgeregten Pflegerinnen empfangen, die ihnen im verqualmten Treppenhaus die Richtung zeigten.
„Das Feuer ist im Zimmer von Frau Völler, das dritte im zweiten Stock rechts vom Treppenhaus!“, schrie Luzie Meier den Feuerwehrleuten aufgeregt zu.
„Sie müssen zuerst Elli und Margot retten, die wohnen im Nebenzimmer und können nicht alleine aufstehen!“ informierte sie die Männer.
„Die anderen zwei Zimmer im zweiten Stock haben wir schon geräumt!“ Bei diesen Worten traten zwei gebrechliche alte Damen und ein noch rüstiger alter Herr aus dem dunklen Hauseingang ins Freie und zuckten ob der unverhofften Kälte erschrocken zusammen.
„Kommens mit, Herr Kapitän und sie auch, Frau Schmidt und Frau Brühl, hier ist ein Sanitäter, der hat Wolldecken für sie mitgebracht!“, sagte die Schwester tröstend und wickelte die verängstigten Leutchen fürsorglich damit ein.
Der ansonsten stille Ort auf der Anhöhe war jetzt voller Lärm vom Quaken der Funkgeräte, den halblaut gerufenen Kommandos der Feuerwehreinsatzleitung und leisem Sirenengeheul aus der Ferne, da immer noch Einsatzwagen im Anmarsch waren.
„Feuer aus!“, meldete einer aus dem ersten Eingreiftrupp, nachdem er das Fenster des betroffenen Zimmers weit geöffnet und vorsichtig, um niemand zu treffen, einen immer noch stark qualmenden Polstersessel nach unten geworfen hatte. Kurz darauf rief er durchs Fenster
„Schnell, der Notarzt soll rauf kommen!“
Sofort schnappte sich der junge Arzt vom Roten Kreuz, der schon darauf gewartet hatte, seine Tasche, um nach oben zu eilen. Ein Beamter gab ihm sicherheitshalber eine Atemschutzmaske mit und beschrieb ihm den Weg durch das verqualmte Treppenhaus zum Zimmer, in dem der Brand ausgebrochen war.
Nach kurzer Zeit rief er nach unten
„Schickt´s mir jemand von der Polizei herauf!“
Inzwischen war auch ein Brigadier der Sicherheitsdirektion am Brandort eingetroffen, der auf dem Heimweg über Funk von dem Feuer gehört hatte. Er schnappte sich einen Wachtmeister von der Funkstreife und ging mit ihm nach oben.
„Bei der Dame ist nichts mehr zu machen, die ist tot!“, meinte der Notarzt, etwas enttäuscht darüber dass es für ihn nichts zu retten gab, zu den inzwischen eingetroffenen Polizeibeamten.
„Aber die ist nie im Leben durch das Feuer gestorben, deshalb hab ich sie rufen lassen.“ Er zeigte auf die Würgemale am Hals, die Augen waren ganz nach vorn gequollen. Der Stoff ihres Nachthemds war an der Schulter eingerissen. Der Brigadier, der wohl selten in seiner Karriere mit Leichen zutun gehabt hatte, musste sich beinahe zwingen, genau hinzusehen, aber er wollte sich vor dem kleinen Revierbeamten natürlich keine Blöße geben und so nahm er die Angelegenheit sofort in seine Hand und rief forsch
„Um Gottes Willen, rühren sie ja nichts mehr an hier, und alle anderen bitte verlassen sie das Zimmer. Herr Wachtmeister, bitte stellen sie sich vor die Zimmertür und lassen sie niemand mehr herein, bis die Beamten der Kriminalabteilung eintreffen. Ich werd sofort über Funk die Kriminalpolizei verständigen. Bin gespannt ob einer von der Gruppe Pilz gerade Journaldienst hat, soviel ich weiß, hat der Oberinspektor hier erst vor kurzem ermittelt.“ Er rannte nach unten in seinen Dienstwagen, sein Fahrer hielt ihm schon dienstfertig die Autotüre auf und schnappte sich den Hörer seines Funktelefons. Nach einigen kurzen Anweisungen an die Zentrale setzte er anschließend seine Weg nach Hause fort, nachdem er sichergestellt hatte, dass ein Kriminalbeamter schon auf dem Weg zum Heim war.
Eine Viertelstunde später parkte ein Zivilfahrzeug der Kripo, das nur durch das BP auf dem Nummernschild als Polizeifahrzeug erkennbar war, vor dem Portal des Seniorenheims. Ein älterer Mann stieg aus, in abgewetzten Blue Jeans, einer braunen Lederjacke, die ihre besten Zeiten auch schon einige Zeit hinter sich hatte, und machte sich daran, ins Haus zu gehen.
„Grüß Gott, ich bin Chefinspektor Markowitz, wo ist der Tatort?“
mit diesen Worten nahm der soeben angekommene Mann dem Beamten der Funkstreife den Wind aus den Segeln, der ihn, einen Reporter der Tagespresse vermutend, am Eintreten in das Seniorenheim hindern wollte.
„Entschuldigen sie, Herr Chefinspektor, ich hab sie nicht gleich erkannt!“
stotterte der Beamte verlegen.
„Is´ schon in Ordnung, Kollege, sie können ja nicht jeden kennen!“ antwortete der jovial.
Nach kurzer Suche trat er in das Zimmer von Frau Völler, in dem schon einige Beamte dabei waren, die Spuren, soweit nach dem Feuer überhaupt noch welche vorhanden waren, zu sichern. Im Bett, oder vielmehr was davon noch übrig war, lag der seltsam verrenkte Körper der alten Dame, über sie gebeugt, Doktor Wakonig, der Polizeiarzt.
„Na, so was, der Markowitz. Ich hab geglaubt, sie arbeiten in der Abteilung für Suchtgifte? Seit wann fangen sie denn Mörder?“ fragte der Doktor den Neuankömmling überrascht.
„Ich werd einfach zu alt für die Junkies , jedes Mal wenn ich in der Szene ermittelt hab, haben mich die Jugendlichen gefragt
Na, Opa, ist dein Altersheim abgebrannt? Kommst jetzt deswegen zu uns?
Deswegen hab ich mich in die Abteilung versetzen lassen. Und jetzt hab ich meinen ersten Einsatz tatsächlich in einem Altersheim, in dem es gebrannt hat!“, sagte Markowitz schmunzelnd. Da musste auch der Doktor lachen und fragte ihn,
„Wieso ist denn der Schwammerl net gekommen, der hat doch vor zwei Wochen schon in dem anderen Fall die Ermittlungen geführt?“
„So weit ich weiß, ist er nach Bad Waltersdorf gefahren, um seinen Resturlaub abzubummeln. Er war ziemlich grantig ,weil der Untersuchungsrichter die Leichensache Eibel als Unglücksfall zu den Akten gelegt hat, obwohl der Schwammerl von einem Fremdverschulden überzeugt war. Kein weiterer Ermittlungsbedarf soll der Hofrat zu ihm gesagt haben“, erzählte Markowitz.
Dann kann ich ja endlich in Urlaub gehen!, hat ihn der Schwammerl daraufhin wütend angeblöfft.
Der Doktor Binder soll ziemlich dumm aus der Wäsche geschaut haben, hat aber dann doch zugestimmt. Auf jeden Fall werde ich jetzt zuerst die Tatortbesichtigung vornehmen und dann den Herrn Hofrat bitten, den Schwammerl von dieser Sache zu unterrichten. Der wird aber schauen! Schon wieder ein Gewaltverbrechen im Waldesruh!“
Er ließ sich von dem Streifenbeamten den Tatort zeigen und fragte den bereits vor ihm eingetroffenen Polizeiarzt: „Können sie schon was genaues wegen der Todesursache sagen, Herr Doktor?“
Doktor Wakonig wiegte nachdenklich den Kopf und antwortete „Ich will dem Herrn Professor nicht vorgreifen, aber ein Fremdverschulden dürfte wohl feststehen! Selbst wenn die Würgemale am Hals nicht wären, warum hätte sonst jemand das Feuer legen sollen?“ „Die Feuerwehr ist sich nämlich sicher, dass das Feuer absichtlich zustande gekommen ist. Man hat deutliche Spuren von Brandbeschleunigern gefunden, wahrscheinlich war es Wundbenzin, das hier ja leicht zu finden ist!“, klärte ein Beamter den Chefinspektor auf.
„Lässt sich denn feststellen, ob aus dem Zimmer was gestohlen worden ist, oder hat das Feuer alle diesbezüglichen Spuren zerstört?“ fragte Markowitz in die Runde.
„Die Oberschwester hat gesagt, die Frau Völler hätte einige Schmuckstücke besessen und sich geweigert, diese im Safe zu deponieren“, erwiderte einer der Beamten.
„Wenn einer der Angehörigen die Sachen abholt“, instruierte Markowitz die Beamten, „möchte er mich bitte anrufen, sagen Sie das der Oberschwester, bitte!“ und wandte sich der Tür zu.
„So wie es ausschaut, kann ich ja zurück ins Büro fahren und den Doktor Binder informieren!“
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Hans Pürstner).
Der Beitrag wurde von Hans Pürstner auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.02.2005.
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Felix Esch ist ein Schriftsteller mit einer besonderen analytischen Gabe, die Menschen und die Welt um sich herum zu betrachten. Gesellschaftskritisch, philosophisch und entlarvend schauen die Figuren des Romans in ihr Inneres, thematisieren die Liebe, den Hass, den Tod, manchmal dem Guten, manchmal dem Schlechten zugewandt.
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