Veith Weidenfeldt

Fuchs und Hase bauen dicke Tüten

Als der Fuchs einmal bekifft auf Peter, dem Birnbaum, herumkletterte, ward er eines Nests fündig, welches die Eheleute Meise kunstvoll und stabil in eine Astgabel gebaut hatten. In dem Nest saßen zwei putzige Amselküken, die gerade ihre ersten Federn bekamen und bei Meisens zu Besuch waren, die mit ihrem Sohn Theobald zur Zeit in der Kneipe saßen und Tequila schlürften, zur Feier des Tages (Montag). Die Amseln waren zu jung für die Kneipe und deshalb zuhause geblieben. Der Fuchs begrüßte sie fröhlich. Die Amseln spielten gerade Schach und waren durch den überraschenden Besuch ein bißchen genervt, weil A-Amsel kurz davor war, Mau-Mau zu haben, was B-Amsel angestrengt zu verhindern trachtete. Die kleinen Meisen tranken Limonade aus Nußschalen.
„Hallo“ sagte der Fuchs wenig einfallsreich, aber freundlich.
„Na?“ grüßten die Amseln, deren Eltern, Rabe und Elster, zu den Flitterwochen aufgebrochen waren.
„Dein König kann den Turm schlagen.“ teilte der Fuchs B-Amsel mit. Das hatte ihm gerade, unbemerkt von den Küken, eine Hummel ins Ohr geflüstert,
„Ja, stimmt!“ freute sich B-Amsel und legte den Pik-König auf E6.
„Wo sind Eure Eltern?“ fragte der Fuchs. A-Amsel erläuterte ihm die Lage. „Wirst Du uns jetzt essen?“
Dies fragte sie in naiver Sorglosigkeit, denn die Amseln waren noch zu klein, um sich eine Vorstellung vom Tod zu machen. Sie hatte in alten Bilderbüchern der Elster aber davon gelesen, daß kleine Tiere immer acht geben sollten, um nicht gefressen zu werden. Die Frage war nicht unbegründet, denn der Fuchs verspürte tatsächlich ein wachsendes Hungergefühl. Das stand in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Frühstückspfeife. Allerdings war der Fuchs Pazifist und wollte außerdem von den Meiseneltern, mit denen er befreundet war, keine Szene.
„Nein, ich würde Euch niemals essen. Ihr seid meine Freunde!“ biederte sich der Fuchs schleimig an. Gut, daß niemand das mitbekam.
Die Amsels gaben ihm von ihren Süßigkeiten ab.
„Danke!“ sagte der Fuchs „Dir ist da gerade eine Feder gewachsen.“
Das stimmte! Entzückt blickte A-Amsel hinab auf ihren Flügel. Die Freunde unterhielten sich noch eine ganze Weile, bis der Fuchs seinem Magen nachgab und zu Schaschlik-Schorsch davonmaschierte. Die Amseln spielten mit Peter noch eine Partie, dann kamen die Meisen mit Theobald zurück und der Rest des Tages wurde damit verbracht, Karten zu spielen und Federn wachsen zu lassen, wobei jede mit einem großen Hallo begrüßt wurde.

Der Fuchs traf bei Schaschlik-Schorsch den Hasen, welcher die Zeitung las und sich just einen kleinen Spliff zwischendurch angezündet hatte. Er saß an einem der Tische vor Schorschs stilvollem Café in der Sonne auf einer Bank und trank Kaffee. Der Fuchs bestellte falschen Hasen, aber der bekiffte Hase war gerade mit seinen Gedanken woanders und bemerkte den witzigen Witz nicht, auch nicht, als der Fuchs ihn aufdringlich angrinste. Also nahm der Fuchs doch lieber Pommes mit Currywurst (und Zwiebeln in scharfer Soße).
Der Hase hatte nun das Feuilleton weggelegt und las nun die lustigen Rubriken auf der letzten Seite, wobei er sehr lachen mußte. Der Fuchs mußte ihn daran erinnern, den Stickey weiterzugeben. So saßen sie herum, der Hase lachend, der Fuchs den schönen Tag genießend und den Katzen schöne Augen machend. Schorschs Schaschlik lag idyllisch am unteren Rand einer großen Lichtung, die sich den Abhang herunter ergoß, in einem großen Bau, den einst fleißige Dachse angelegt hatten, und der sich in einem verzweigten Geflecht unter einem kleinen Hügel erstreckte. Hier hatten viele kleine Läden und gesellige Plätzchen Unterschlupf gefunden. Um die Tür zu Schorsch Imbiß rankten sich Wein und Rosen, zufrieden in der Sonne vor sich hin photosynthesend. Da glaubte der Fuchs plötzlich etwas bemerkt zu haben. Beunruhigt beugte er sich vor und sah noch mal genauer hin, um sich zu vergewissern. Tatsächlich: Sein Kaffee war alle! Erschrocken bestellte der Fuchs erstmal Neuen, um dann noch eine kleine Tüte zu wickeln. Als Schorsch mit der Kanne rumkam, um aufzufüllen, nahm der verstörte Fuchs auch die Einladung zu einem Schluck Scotch gegen den Schreck gern an. Der Hase bekam davon nichts mit, nahm aber auch einen und lachte dann weiter. War das aufregend!

Die Amselküken kamen munter vorbeigeflogen. Sie hatten bereits ein kräftiges Gefieder und lernten schnell, wenn ihr Flugstil auch noch rührend ungelenk war. Der Fuchs sah ihnen lächelnd nach. Der Hase fand das extrem witzig und lachte noch mehr. Der Fuchs gab ihm ein paar Tequila aus, bis der Hase endlich Ruhe gab und einschlief.
Helge, die Eule flog vorbei, die beiden kleinen Amseln huckepack. Der Fuchs wunderte sich ein bißchen, daß Helge, die Eule, nicht schlief, denn es war ja Tag, doch bald schon wurde er des Wunderns müde und wickelte sich lieber noch eine Tüte aus dem Beutel des breiten Hasen. Helge indes war nicht grundlos völlig unfähig, Schlaf zu finden, hatte sie doch gestern mit ein paar Freunden derart den Tag zur Nacht gemacht, daß sie nun vor lauter Koks nicht mehr klarkam, und, um endlich müde zu werden, fanatisch in großem Radius um eine alte Eiche kreiste, in deren Geäst sich die Amseln gerade ausgeruht hatten, und die nichts tun mußten, als Helge in der nächsten Runde abzupassen, um so einen entspannten Freiflug spendiert zu bekommen. Sie dachten darüber nach, ein kleines überdachtes Gerüst auf Helge festzuschnallen, unter dem man es gemütlicher aushalten könnte. Sie wollten nämlich die Eichhörnchen beeindrucken, deren hübsche kleine Häuschen, welche die Eichhörnchen geschickt im Geäst befestigten, und die mit ihren kleinen Kressepflanzen in den winzigen Fensterbänken, den bunt gebatikten Vorhängen und dem kleinen Mobiliar sehr wohnlich wirkten. Helge bekam von seinen Passagieren bis auf weiteres nichts mit. Die Amselküken vergaßen ihren Plan auch recht schnell wieder, denn ihre Aufmerksamkeit wurde durch einen unerwarteten Umstand beansprucht: es war jetzt halb fünf Nachmittags und die Amseln kamen langsam in die Pubertät. Ihnen wuchsen jetzt auch Federn am Sack. Die Forstarbeiter, die eine halbe Stunde weiter unten gerade Platz für ein Neubaugebiet schafften, bemerkte niemand. Das Neubaugebiet sollte an einem langweiligen Dorf voller spießiger Hinterwäldler wuchern. Nicht mal das traditionelle Erscheinungsbild samt Fachwerk und zahnlosem Greis im Vorgarten würde dem Dorf so erhalten bleiben. Das letzte Stück Identität fiel den neureichen Neubautlern zum Opfer.
„Fütter mein Ego!“ dachte sich Helge, übrigens ein großer Freund der Einstürzenden Neubauten, erstaunt, als er seine blinden Passagiere bemerkte, die sich gegenseitig begeistert auf den zart nun sprießenden Flaum unter ihren Nasen aufmerksam machten.
Dem Hasen, der gerade unter großen Schmerzen erwachte, ging das alles natürlich am flauschigen Rektum glatt vorbei. Der Fuchs war gerade mal Schiffen gegangen, so daß der Hase sich sämtlichen Zeitgefühls beraubt sah, denn er dachte, der Fuchs wäre schon gegangen. Er orderte bei Schaschlikschorsch erstmal einen Korn und ein Sternburger zum Nachspülen. Der Fuchs kam wieder und der Hase war erleichtert.

Zwei hübsche Kaninchen kamen des Wegs und setzten sich nahe der beiden Trinkbrüder auf die Bank. Verstohlen warfen sie dem Hasen scheue Blicke zu, der mit einem dümmlich-betäubten Dauergrinsen durch rote Augen tranig in die Landschaft lugte und überhaupt nichts mitbekam. Die Kaninchen rückten tuschelnd näher und buhlten mit aufreizenden Gesten um die Aufmerksamkeit des bekifften Hasen. Der hatte inzwischen begonnen, eine kleine Tüte zu kurbeln. Er würde heute abend die Eichhörnchen besuchen müssen, so sehr war sein Grasvorrat zusammengeschrumpft. Er freute sich, denn die Eichhörnchen hatte er seit zwei Tagen schon nicht mehr gesehen, und dabei war es bei denen immer sehr lustig. Er erinnerte sich des letzten großen Gelages im Eichhörnchendorf, bei dem alle Tiere des Waldes anwesend gewesen waren. Die Eichhörnchen taten gut daran, in ihren kleinen Hütten im Geäst zu wohnen, die, abendlich beleuchtet, zwar von unten schön anzusehen waren, im Suff von den kletterunbegabten Tieren weniger leicht zu zerstören. Viel Wein hatten die Weinschweine an diesem Abend anbringen müssen und das Besäufnis hatte erst in den Morgenstunden geendet. Gern dachte der Hase daran, wie er und der Fuchs an diesem Morgen den letzten Weinschlauch gemeinsam geleert und sich darauf ewige Freundschaft geschworen hatten, um dann unter Tränen zusammenzubrechen und bis zum Abend durchzuschlafen. Zwei Wochen war das jetzt schon her. Der Hase beschloß, möglichst bald damit zu beginnen, seine Freunde einmal wieder zu einem gemeinsamen Besuch bei den Eichhörnchen zu gewinnen, besonders die Schweine, denn die hatten ja den Wein.
Die Kaninchen hatten mittlerweile begonnen, mit dem Hasen Smalltalk zu führen, um ihn dann durch geschickte Andeutungen riemig zu machen, sie waren nämlich, der aufmerksame Leser mag es erkannt haben, einigermaßen scharf auf den Hasen. Noch kannten sie den Hasen nicht gut genug, um ihrem Anliegen unverhohlen Ausdruck zu verleihen. Sie waren erst kürzlich geboren worden.
Der breite Hase ging zwar, sehr langsam sprechend, auf das Gespräch ein, nahm jedoch weder die immer penetranter formulierten Anzüglichkeiten wahr, noch die Notwendigkeit, seine Gesprächspartnerinnen anzusehen. Stattdessen hatte er Interesse an einem betrunkenen Marienkäfer entwickelt, der glücklich durch eine Bierlache kroch. Mittlerweile machten sich die Kaninchenschnitten auf derart offensichtliche Weise sofortigem und hemmungslosem Geschlechtsverkehr mit dem Hasen anheischig, daß es den Anwesenden schon peinlich werden mußte, besonders dem Fuchs, der die ganze Zeit daneben saß und vom Autor in letzter Zeit schmählich vernachlässigt wurde. Dieser aber war in eine Diskussion mit Schorsch vertieft, dessen Schaschlikportionen nach Ansicht des Fuchses in letzter Zeit an Gehalt verloren hatten. Die anderen Tiere waren ebenfalls betrunken. Nicht einmal als die jungen Damen, müde geworden, sich vom Hasen mit übertriebenen Zärtlichkeiten und feuchten Küssen ins Hasengesicht verabschiedeten, erkannte dieser seine verpaßte Gelegenheit. Zwar wurden Nummern ausgetauscht, doch die Kaninchen riefen nicht mehr an.
„Der Süchtige kann acht Stunden lang eine Wand anstarren. Er ist sich bewußt, was um ihn herum vorgeht, aber das hat keinerlei emotionalen Inhalt und ist folglich für ihn uninteressant.“(William S.Burroughs, New York, 1953) Nachdem der Hase siebeneinhalb Stunden begeistert abwechselnd die Wand von Schaschlikschorschs Imbiß und seine Schuhspitzen begutachtet hatte, holte ihn der Fuchs ab, um ihn durch die warme Nacht zu lohnenderer Gesellschaft zu bringen. Es wurde noch ein netter Abend.

Lest alle die Geschichte "Die Pfefferkornverschwörung" von Florian Unterburger! Die ist nämlich gut! Aber hoppla! Zack, zack!!Veith Weidenfeldt, Anmerkung zur Geschichte

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