Günther Würdemann

Schnirkelschneck (2. Fassung mit Happy End für Nudina)

Die kleine Schnecke Schnirkelschneck hatte genug von ihrem langweiligen Leben im Fliederbusch. Sie wollte die Welt kennen lernen, Freunde suchen und etwas erleben.
Also verabschiedete sie sich von ihrer Mutter und hatte es plötzlich sehr eilig. Doch die Mutter hielt sie zurück. “ Hör gut zu, kleine Schneckentochter. Die Welt ist groß und gefährlich “, sagte sie. “Sei vorsichtig und nicht zu vorwitzig! Und vor allem pass immer auf dein Häuschen auf! Dein Haus ist das Wichtigste, was du besitzt.“ “Schon gut!“, rief Schnirkelschneck und machte sich auf ihren Fuß.
Die erste Zeit kroch sie zügig, ohne sich noch einmal umzugucken. Aber allmählich wurde sie müde und langsamer. Es war doch ganz schön anstrengend, einen so langen Weg zu kriechen. Der Rücken tat ihr weh. Doch sie kroch tapfer weiter. Dann fing ihre Fußsohle noch an zu brennen und sie wurde noch langsamer. Schließlich blieb sie stehen und murmelte ärgerlich: “Dieses verflixte Haus auf meinem Rücken! Es ist schwer wie Blei. Wozu brauche ich das überhaupt? Hätte ich es nicht, dann käme ich sicher viel schneller vorwärts. Das muss ich unbedingt loswerden! “ Und sie schüttelte sich und ruckelte hin und her. Aber das Häuschen blieb, wo es war. Es saß fest auf ihrem Rücken. “ Ach“, seufzte Schnirkelschneck, “ wenn ich das nur los würde, dann wäre alles gut.“
Mühsam schleppte sie sich weiter. Plötzlich hörte sie ein Schlurfen und Schleifen hinter sich, das schnell näher kam. Sie drehte sich um und entdeckte eine schwarze Schnecke im Eiltempo daher ziehen.
“Hallo“, rief die kleine Schnirkelschneck, “wer bist du denn und wo hast du denn dein Häuschen gelassen?“ “Ich bin Nudina, die Nacktschnecke, und ich besitze kein Haus!“ Der kleinen Schnirkelschneck fielen fast vor Staunen die Augen aus den Fühlern. “ Du Glückliche!“, rief sie, “deshalb kommst du so schnell vorwärts. Ich gäbe etwas dafür, diese Last auf meinem Rücken loszuwerden. Dann wäre ich sicher auch schneller.“ “Da kann ich dir leider nicht helfen. Aber ich kann ja ein bisschen langsamer kriechen, dann können wir unsere Reise zusammen machen.“ Nudina kroch wirklich langsamer und Schnirkelschneck nahm ihre ganze Kraft zusammen und begleitete Nudina. So krochen sie eine ganze Zeit zusammen und wurden schnell Freunde.
Gegen Abend kam ein schlimmes Gewitter auf. Es regnete in Strömen. Es blitzte und donnerte. Die beiden Schnecken zitterten vor Angst und Nudina jammerte: “Ich muss mich ganz schnell in Sicherheit bringen, sonst ertrinke ich in der Wasserflut!“ Sie rettete sich, indem sie mit letzter Kraft einen Baumstamm ein Stückchen hinaufkletterte. Schnirkelschneck hatte es da besser. Sie zog sich in ihr Häuschen zurück, klebte es von innen wasserdicht zu und wartete ruhig, bis das Unwetter und die kalte Nacht vorüber waren.
Am nächsten Morgen krochen die beiden weiter und Nudina erzählte noch lange von der unruhigen kalten Nacht, die sie fast das Leben gekostet hatte.
Gegen Mittag brannte die Sonne unerbittlich vom Himmel. Die Schnecken kamen kaum vorwärts. Nudina stöhnte und konnte kaum noch sprechen:“Wenn ich nicht gleich ein schattiges Plätzchen finde, ersticke oder vertrockne ich“.
Sie rettete sich unter einen großen Stein, den sie in letzter Minute entdeckt hatte. Schnirkelschneck aber versteckte sich in ihrem Häuschen, klebte die Tür fest zu und wartete in Ruhe, bis die Mittagsglut vorüber war.
Als die beiden sich wieder trafen, hatte Nudina sich noch immer nicht von ihrem Schreck erholt und sie zitterte am ganzen Körper. “Du hast es gut, dein Häuschen rettet dich in der Gefahr, du weißt immer, wo du dich verstecken kannst. Ich wollte, ich hätte auch so eins!“ Schnirkelschneck schwieg nachdenklich und sie beschlossen ihren Weg miteinander fortzusetzen. Denn inzwischen waren sie gute Freunde geworden und Schnirkelschneck machte sich um Nudina Sorgen.
Sie waren kaum zwanzig Meter in ihrem Schneckentempo gekrochen, als sie ein bedrohliches Hecheln hörten, das immer näher kam. Zur Vorsicht verzog sich Schnirkelschneck erst einmal in ihr Häuschen und verhielt sich mucksmäuschen still. Für Nudina sah es aber schlecht aus. Sie konnte sich vor Bellos scharfen Zähnen bestimmt nicht retten. Nackt und schutzlos lag sie vor ihm. Er schnüffelte an ihr herum. Ihr blieb fast das Herz stehen. Jetzt leckte er sogar mit seiner schlabbrigen Zunge über ihren Körper. Sie nahm all ihren Mut zusammen und wimmerte leise vor sich hin: „ So ein kleiner Happen wie ich macht dich doch nicht satt. Verschone mich doch. Bitte, bitte.“ Sie hoffte, dass Bello sie hören möge. Und wirklich… Der Hund hatte gerade von seinem Herrn die Mittagsmahlzeit bekommen und war deshalb gar nicht mehr so richtig hungrig. Er hatte ein Einsehen mit der armen Nudina und flüsterte ihr zu: „ Na gut, du kleiner Winzling. Du wirst mich auch nicht satter machen. Sieh zu, dass du mir aus den Augen kommst, ehe ich es mir überlege.“ Das ließ sie sich natürlich nicht zweimal sagen. So schnell Nudina konnte, kroch sie davon und flüchtete sich unter einen feuchten Laubhaufen. Dort holte sie erst einmal tief Luft und brauchte eine lange Zeit, um sich von ihrer Todesangst zu erholen.
Als Schnirkelschneck sich nach langer Zeit aus ihrem Häuschen wagte, fand sie Nudina nicht mehr, so sehr sie auch suchte. Darüber musste sie erst einmal nachdenken. Sie verkroch sich wieder in ihr Häuschen und blieb einen ganzen Tag darin. Als sie es wieder verließ, um nach Hause zu kriechen, hatte sie die Worte ihrer Mutter verstanden. Ihr Häuschen war wirklich das Wertvollste, was sie besaß.

(c) by Astrid-Ilona Würdemann und Günther Würdemann (Februar 2005)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.02.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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