Anita Gertenbach

Eine Gabe Gottes

Als Adam seiner Zeit widerrechtlich von Evas Apfel naschte, stellten beide plötzlich bis ins Mark erschüttert fest, dass sie nackt waren, kein Haus ihr eigen nannten, ja, noch nicht mal einen Bausparvertrag und von dem ultimativen Frischekick noch nie etwas gehört hatten. Gott musste erzürnt eingestehen, dass sein Experiment fehlgeschlagen war. Konsumdenken gehört nun eindeutig nicht in den Garten Eden und so warf er die beiden kurzerhand vor die Tür, um erst mal in Ruhe abzuwarten, wie sie im Rest der Welt klarkommen würden.
 
 
 
Lange Zeit beobachtete er, wie sie sich fruchtbar mehrten, dank PDA mit immer weniger Schmerzen, im Laufe der Generationen den Garten Eden vergaßen und im Großen und Ganzen putzmunter und zufrieden die Erde bevölkerten. Kein Mensch scherte sich darum, dass Adam mit dem Apfelschnitz die Schuld an der Vertreibung aus dem Paradies hatte. Und überhaupt, wahrscheinlich hatte es das ohnehin nie gegeben, nur eine Legende eben. Man ging zur Tagesordnung über und bemühte sich redlich, sein Hab und Gut und damit den Neid der Nachbarn zu mehren. Gott sah, wie seine Erziehungsmaßnahme gründlich den Bach runterging.
 
 
 
Er wäre nicht Gott gewesen, hätte er das achselzuckend toleriert. Vielmehr beschloss er, ein für allemal Abhilfe zu schaffen und begann damit, das lange unbewohnte Paradies, seine fast vergessene Petrischale, unter Berücksichtigung der neuesten Trends von Grund auf zu neu gestalten und frisch zu bevölkern. Nach getaner Arbeit rieb er sich zufrieden die Hände und ersetzte die vor langer Zeit ins Schloss gefallene Tür durch eine Glasscheibe. Ein schadenfrohes Lächeln konnte er sich dabei nicht verkneifen. Da er nun einmal Gott war, der bekanntlich alles geregelt bekommt, richtete er es so ein, dass alle Menschen, egal wo sie auf Erden lebten, durch diese Scheibe freie Sicht auf seinen wunderbaren Garten Eden hatten, um zu ermessen, was sie vor vielen, vielen Jahren verspielt hatten. Gott holte sich eine ordentliche Kanne Nektar und ein paar Schnittchen mit Ambrosia, lehnte sich behaglich in seinen Ohrensessel und knipste im Garten Eden das Licht an.
 
 
 
Nun hatte er die Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen – was Wunder, dass sich alsbald alle Leute mit Cola, Bier und Kartoffelchips vor der Scheibe einfanden und fasziniert auf die Schönheiten starrten, bis Gott das Licht zur Nachtruhe wieder löschte. Die Menschheit murrte widerwillig, gab es doch nichts Schöneres als diese Scheibe; und Gott ließ sich erweichen. Seit dieser Zeit brennt dort Tag und Nacht das Licht, denn im Grunde seines Herzens mochte er die abtrünnigen aber possierlichen Menschlein, wenn sie auch noch so ignorant waren und nicht erkannten, dass der für sie verschlossene Eingang zur Paradies direkt vor ihrer Nase lag.
 
Natürlich war Gott klar gewesen, dass er mit der Aussicht auf wucherndes Grün, vielen Tieren und einigen obstessenden Gestalten keinen hinter dem Ofen hervorlocken konnte. Trotzdem hatte er es mit seiner Paradiesreform vielleicht ein wenig übertrieben. Die Ähnlichkeit mit der normalen Welt war frappierend und nicht unbedingt geeignet, den Glauben ans Verlorene wiederzuerwecken. Da aber Strafe sein muss, entschied er, seine etwas aus dem Ruder gelaufene Erziehungsmaßnahme beizubehalten und die Menschen statt mit Trauer um das Verlorene mit nimmerendender Gier auf das Neue zu malträtieren, bis endlich einer Vernunft annehmen würde.
 
 
 
Da sitzen wir nun allein oder in trauter Runde vor der Scheibe und bestaunen tagtäglich mit neidischem Blick, welche Annehmlichkeiten den vermeintlich normalen Menschen hinter der Scheibe zuteil werden. Bei genauerem Hinsehen bemerkt man allerdings, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugehen kann.
 
 
 
Sie kennen das, während Sie am Herd stehen, hektisch in Pfannen und Töpfen rühren und sich der Küchendunst in ihren Haaren manifestiert, öffnet dort drüben eine gepflegte Frau mit makelloser weißer Bluse lächelnd zwei Büchsen mit Suppe, wohlgemerkt ohne sich dabei in den Finger zu schneiden oder das Blüschen zu beflecken. Unfassbarerweise jubelt die ganze Familie und selbst die Nachbarskinder betteln nach einer Portion, obwohl ich auf den ersten Blick mindestens drei Ingredenzien erkennen kann, die mein Sohn energisch von sich weisen würde. Sekunden später sitzen etwa zehn Personen mit vollen Tellern um einen Tisch herum und löffeln, was das Zeug hält. Jetzt mal ehrlich, lieber Gott, das hatten wir schon mal, damals hieß es die Speisung der Zehntausend.
 
 
 
Und noch etwas kommt uns bekannt vor: Wir beobachten einen Mann, der sich leidend in ein Hotelzimmer schleppt. Ihn quälen Halsschmerzen, tränende Augen, Husten, Schnupfen, Heiserkeit; ein grippaler Infekt droht, ihn in kurzer Zeit hinwegzuraffen. Schon malt man sich die Unannehmlichkeiten für das Hotelpersonal aus, die in Bälde auf einen vor Erregern wimmelnden leblosen Körper stoßen werden, da greift der Mann mit letzter Kraft zu einem Becher wunderwirkenden Elixiers und begibt sich in Morpheus Arme. Der gleiche Mann steht am nächsten Morgen energiegeladen auf mit der absoluten Sicherheit, einen perfekten Tag zu beginnen. Sie sagen es, hier wurdediewundersameHeilung,ausderBibelsattsambekannt,einbisschenaufgepeppt.br  
 
 
Im Notfall greifen Engel, vorzugsweise gelbe, helfend unter die Arme.
 
 
 
Selbst die zehn Plagen werden in modifizierter Form bemüht:
 
 
 
Falschgeiz
Milchjieper
Glaskorrosion
Trockene Haut
 
Fleckenzwerge
Kleiner Hunger
Monatliche Wohngebühr mit fünf Buchstaben
Haarbruch
7 Zeichen der Hautalterung
Kalkrückstände im Bad
 
 
Dass es sich hier nur um den Garten Eden handeln kann, wird schon dadurch deutlich, dass nicht nur die passenden Gegenmittel empfohlen werden, nein, diese Mittel sollen sogar tatsächlich helfen. Wenn ich also endlich ein Spray gefunden habe, das in der Lage ist, meine gläserne Duschwand durch bloßes Einsprühen und Abspülen in neuem Glanz erstrahlen zu lassen, kann ich getrost von paradiesischen Zuständen sprechen.
 
 
 
Bis dahin, empfehle ich, mehr Äpfel zu essen. Jetzt kann es ohnehin nicht mehr schaden.  Aber nicht vergessen: Wählen Sie Ihre Zahnpasta sorgsam aus, damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können! 
 
 
 
 

Die Satire richtet sich einzig und allein gegen die Werbung, nicht gegen die Religion!!Anita Gertenbach, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.02.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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