Rita Bremm-Heffels

Paul und Käthe

Es ist Abend, die Sonne versinkt langsam hinter den letzten Kolben des Schilfs am Seeufer.
Sie wirf einen rot goldenen Glanz übers Wasser – Stille- unendlich friedlich ist dieser Augenblick.
Auf einer von Anglern zusammen gezimmerten Bank sitzt ein Paar, Er hat den Arm um ihre Schultern gelegt, ab und zu streichelt seine Hand über ihr Haar. Sie schweigen.
Es gibt nichts zu sagen in diesem Augenblick in dem beide das gleiche empfinden.
Hier gehören sie hin, hier ist ihre Heimat. Nach diesem ganzen langen Leben ist hier
der Platz wo sie wo man keine Worte braucht.

Es war ein weiter beschwerlicher Weg. Sie haben schlimme und grausame Zeiten überstanden.
Ungezwungen waren sie, jung, damals in ihrem Dorf. Da glaubten sie, die ganze Welt läge ihnen zu Füßen, und nie wäre ihnen der Gedanke gekommen, daß sich daran etwas ändern könnte.
Sie waren Nachbarskinder, kannten sich seit ewigen Zeiten, und solange liebten sie sich schon.
Anfangs mehr Freundschaft aber dann, wenn sie zusammen auf den Feldern schwitzten, ja da war schon mehr in ihren Blicken. Da war so ein stummes Versprechen: Wir gehören zusammen.

Arm waren sie, beide, aber was machte das schon. Sie hatten ein Dach über dem Kopf ,
ihre Arbeit von früh bis spät und die Freude auf den Anderen.

Paul besaß ein kleines Bauernhaus. Eigentlich gehörte es seinen Eltern, aber die warteten sehnlichst darauf, daß er jemand brachte der ihnen half die schwere Arbeit etwas zu erleichtern. Und Käthe kannten sie, sie war ihnen recht.
Ein braves Mädchen sagte Pauls Vater immer.

Sie hatten gerade geheiratet, da brach der zweite Weltkrieg aus.

Paul mußte seine Käthe zurücklassen in dem kleinen Dorf am See und Käthe -
alleine mit den beiden Alten und schwanger, hatte Angst.
Sie war noch jung und nun die viele Verantwortung, die ganze Arbeit.
Und die Ungewißheit ob sie ihren Paul jemals wiedersehen würde.
Es war eine harte Zeit, an manchen Tagen wußte sie nicht mehr wie sie abends in ihr Bett gefallen war. Die Schwiegereltern wurden krank, es gab kaum zu Essen und die Sorge um das ungeborene Kind machten ihr zu schaffen.
Von Paul kam keine Nachricht , nur einmal kam ein abgewetzter Mann, der aussah als wäre er
60 Jahre, vorbei. „ Ich habe Paul getroffen, „ sagte er. „Er läßt euch grüßen. Und es geht ihm gut.“ So gut wie’s einem gehen kann, wenn er halbtot im Lazarett liegt und nur noch ein Bein hat, dachte er für sich. Aber das sagte er nicht. Er sah Käthe’s Zustand., und die kranken alten Leutchen mit ihren erwartungsvollen Augen.
Und er wünschte sich insgeheim: Ob bei mir zu Hause auch noch jemand so auf mich wartet?

Der Sommer neigte sich dem Ende zu, als Käthe nach der schweren Heuernte zu früh in die Wehen kam.






Es gab keinen Arzt keine Hebamme, die Schwiegermutter half, aber kaum war der Kleine geboren, sah man ihm an, daß er nicht gesund war..

Käthe war verzweifelt, ohne Milch, aus ihren Brüsten, die von der harten Arbeit und dem wenigen Essen herunter hingen wie zwei kleine leere Beutel.
„Paul, wo bist du? „ fragte sie sich jede Nacht auf neue wenn sie die jämmerlichen schwachen Laute aus dem Bettchen des Kleinen hörte.
Dann hörte sie nichts mehr.
Sie war wie versteinert, alles vergebens, alles vorbei. Kein Paul, kein Kind.
Keine Hoffnung für die Zukunft.

Als es ihr ein wenig besser ging wanderte sie an einem Abend den Weg am See entlang, ihrem See.
Auf der Bank, auf der Paul sie zuletzt geküßt hatte setzte sie sich hin und schaute über das sich kräuselnde Wasser. Sie erinnerte sich an die Zeit vorher, als alles so leicht schien.
Wie hatten sie geträumt. Und nun – es war kaum mehr als ein Jahr und alles war vorbei.
So als würden die Erinnerungen hundert Jahre zurück liegen.
Doch irgendwie war auch etwas tröstliches in dem grünlichen Wasser, irgend etwas daß ihr Kraft gab. „ Er wird wiederkommen „ sagte sie sich, und solange werde ich auf ihn warten.
„ Und was für andere ein Stern am Himmel, wird für mich unserer See sein.“

Ein Jahr später starb die Schwiegermutter. Nun lebte sie mit dem gebrechlichen Schwiegervater alleine. Sie pflegte ihn so gut es ging, aber er wurde immer verwirrter,
rief nach seiner Frau und Paul. Und nach dem kleinen Erben den er kaum gesehen hatte.
Manchmal, wenn Käthe an dem einzigen Spiegel in ihrem Schlafzimmer vorbeiging
schaute sie eine verhärmte Frau an und sie dachte: „ Wer ist das ? Soll ich das sein ? „

Dann kam es vor, daß sie sich hinsetzte und anfing nachzuzählen wie alt sie war, wieviel Jahre vergangen waren seit die einstmals junge, lustige Käthe dieses Leben führte.
Irgendwann hörte sie auf zu zählen, sie arbeitete, kümmerte sich um Haus und Hof. Und sie schaffte es sogar, dem Ganzen etwas wohnliches, schönes zu geben.
Einmal kam ein Mann aus der Nachbarschaft, er hatte seine Frau verloren,
und dachte Käthe könne doch nun, wo Paul schon so lange..........

Sie hatte ihm mit einem Blick zu verstehen gegeben daß sein Kommen sinnlos war.

„ Paul kommt wieder „, sagte sie und schloß die Tür.
Die Jahre gingen ins Land und jeden Abend nach der Arbeit machte sie ihren kleinen Rundgang zur ihrer Bank am See.
Manchmal spielten dort Kinder, die kicherten und lachten. Ihr war sehr wohl bewußt das die Leute im Dorf sie für etwas sonderlich hielten. Aber das war ihr egal. Was kümmerten sie die anderen.

Der Krieg war nun 7 Jahre vorbei und Paul galt alt vermißt.

Auch der Schwiegervater war im letzten Winter gestorben. Nun war sie ganz allein in dem kleinen Häuschen, mit einer Katze dem Hofhund und - ihrer Hoffnung, nein ihrem festen Glauben.

Doch es gab auch Tage wo sie anfing zu zweifeln. Rannte sie nicht einem Hirngespinst hinterher? Sie hatte sich an so viele Suchstellen gewandt, alles ohne Erfolg.

Andere Frauen im Dorf waren längst wieder verheiratet, während sie wie eine alte Jungfer
vor sich hin lebte, nicht todunglücklich aber doch irgendwie abgestorben.

Es waren besonders diese Tage des Zweifelns, die sie dann immer wieder an ihren See trieben. Dann schaute sie auf’s Wasser und wußte : Er kommt, irgendwann kommt er.

Vierunddreißig Jahre vergingen so, es war ein warmer Sommertag Mitte der Achtziger Jahre.
Aus dem Zug aus Warschau stieg ein Mann. Er mußte eine Beinprothese tragen, man konnte es an seinem Gang sehen. Er war gut gekleidet, hager und braungebrannt.

Er sah sich um mit einem Blick, verwundert, so als hätte er alles schon einmal gesehen und könne es doch nicht richtig glauben.
Dann ging er langsam, so als müsse er sich erst einmal orientieren, in Richtung des Dorfes, bog aber dann ab, weil er von Weitem die glitzernde Wasserfläche des Sees sah.
Es war für ihn beschwerlich, ein weiter Weg, doch je näher er kam, desto vertrauter wurde ihm alles.
Mein Gott, die kleine Birke war ein riesiger Baum geworden. Und das Schilf bedeckte fast das ganze Ufer.
Es versperrte den Blick auf das was er suchte, noch eine Biegung – da war sie.
Etwas enttäuscht verlangsamte er seinen Schritt, es saß schon jemand dort. Eigentlich hatte er alleine sein wollen mit seinen vielen Erinnerungen.
Er ging näher, sah die grauen Haare einer Frau, ihre Schultern, die Neigung ihres Kopfes.

Und dann hörte er wie aus weiter Ferne das Lachen, das hell klang und lustig.
„ Ach Paul, wie ist das Lebend doch so schön „ Er sah im Geiste blonde Locken fliegen.

Die Frau drehte sich um, nur einen winzigen Augenblick stockte ihr der Atem,
dann lächelte sie, streckte ihren Arm aus und sagte:
„ Ich wußte doch du kommst, Paul . Ist das Lebens nicht wunderschön ?“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.03.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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