Sie war neu in der Schule.
Ging zum Sekretariat, wo keine Sekretärin saß.
Es war schlicht eingerichtet, mit weißen Schränken, Wänden, sehr kühl.
Sie strich über ein Regal. Glatt, fast seifig.
Ein Schatten huschte hinter das Regal, langsam und deutlich zwar, aber so still und geschickt. -
Sie blieb stehen, wartete auf etwas, vielleicht, dass der Schatten hinter dem Regal wieder auftauchte.
Ein Mann, gerade, hochgewachsen, schlank, trat hervor. Er blickte kühl wie alles in dem Zimmer. Er hatte ein scharfgeschnittenes, sauberes Gesicht, schön, mit leichtem Bart, sie konnte sein Alter nicht festlegen.
Er zog die Augenbrauen hoch, will sagen, er wartete auf ihr Anliegen.
„Ich weiß nicht, wo die Hefte liegen.“
Die Sekretärin war weg, man hatte sie entlassen, weil sie immer und immer wieder den Direktor Holl behelligt hatte, diese Frau Butterkorn, hieß sie, war weg.
Er zeigte ihr das Regal, beinahe unbeteiligt schien es, sie nahm das Heft und ging.
Er sah ihr nach, - seltsam.
Als sie zum zweiten Mal kam, lächelte er kurz, dann versteckte er es, das Lächeln, wie ein belastendes Beweisstück.
„Ich weiß meinen Raum nicht.“
Er zeigte ihn ihr, ein wenig atemlos und ein wenig erschrocken.
Sie dankte, ihr Rock war vorne zu lang und hinten zu kurz, er saß zu eng, er saß nicht gut. Am liebsten hätte man ihn zurechtgezupft.
Als sie zum dritten Mal kam, hielt er sich am Schrank fest, verwirrt am kühlen Metall und er lächelte sie an, warm fast und erleichtert.
„Ich habe eine Frage.“
Er ging bedächtig, als fürchte er zu fallen, hinter seinen Schreibtisch, und setzte sich. Man musste den Schein wahren.
Auf ihren Rock blickend - vorne bauschte er sich über ihren Knien, die ein wenig blass gewesen.
Sie sagte etwas, keiner von beiden wusste, was, und doch: beide kannten die Antwort.
Sie beugte sich vor, das Blut drückte sich in ihre Fingerspitzen, flutete dann hinaus.
Er nahm ihre Hand, küsste die kalten Finger.
Sie sah ihn an, wortlos, dann umfasste sie sein Gesicht mit den kalten Fingern,
um sich zu wärmen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.03.2005.
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75 Tage Donnerstag (Gedichte)
von Edith van Blericq-Pfiffer
Der Liebe kann man immer und überall begegnen, auch donnerstags; sie kündigt sich nicht an.
Sie ist von einer auf die andere Sekunde da. Sie kennt weder Gesetze noch Grenzen. Sie stellt augenblicklich alles und jeden auf den Kopf. Alter hat für sie keine Bedeutung. Allerhöchstens die von ihr Getroffenen fühlen sich mitunter in ihre Teenager-Zeit versetzt, verstehen sich selbst am wenigsten und fragen mit einem
Kribbeln im Bauch und ziemlich verwirrt: „Warum?“
Die poetische Antwort der Autorin, die hierbei auf Erlebtes zurückgreift, lautet hingegen: „WARUM NICHT!“
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