Kerstin Ring

In der Fleischerei / 2 Ansichten

Rohes Fleisch soweit das Auge reicht. Ich bin mit Lutzi in diesem Fleischhandelsgroßmarkt. Ein riesiger Supermarkt, vollgestopft mit rohem Fleisch. Ich kenne Lutzi von der Arbeit her und habe ihr versprochen mit ihr hierher zu fahren. Nun sind wir hier und ich kann es nicht fassen. Gehacktes, Geschnetzeltes, Schinken, Steaks, Koteletts, Wurst. Und vor den vollen Regalen: Lutzi: 60 Jahre, ca. 1,50, fett. Sie erinnert mich an Jabba the Hood, so wie sie da steht, mit ihren kurzen Patscheärmchen. Sie steht sich die Lippen leckend vor Fleisch. Ich schiebe nur den Einkaufswagen hinter ihr her und sie schmeißt alles rein. Mir wird schlecht. Ich bin weiß Gott kein Vegetarier, aber das ist mir echt zuviel. Ganze Schweinehälften kann man hier kaufen! Wie viele Tiere liegen hier, wenn man dieses Puzzle zusammensetzt? Bäh, ich will es mir gar nicht vorstellen. Lutzi hat Schweineohren entdeckt. Die sind sogar umsonst. Loni isst die immer so gerne, sagt Lutzi, sie nagt sie gerne ab. Ich könnte kotzen. Andere Leute nehmen diese Schweineohren mit für ihren Hund, Lutzi nimmt sie mit für ihre Schwester. Ich hoffe inständig, dass es hier nicht auch noch Kuhpimmel oder so was ähnliches gibt. Will gar nicht wissen, was damit angestellt wird. Lutzi schmeißt alle Schweineohren in den Einkaufswagen. Den Rest friere ich ein, sagt sie. Ich stelle mir vor, wie Jabba-Lutzi und Schwester Loni abends bei Melodien für Millionen vor dem Fernseher sitzen und an Schweineohren und Kuhpimmeln nagen.

Es ist ein Alptraum, wie ein schlechter Drogentrip. Lutzi schaut mich an. Ist was? Fragt sie. Ne, ne, sag ich und nehme 500g Rindergehacktes aus dem Regal neben mir. Aus Anstand sozusagen. Ich habe das Gefühl, das Blut tropft aus den mit Folie überzogenen Plastikschälchen. Was tue ich mir hier nur an? Ich habe nur einen Gedanken: Ich will hier raus. Aber Lutzi scheint sich ganz wohl zu fühlen. Wir stellen uns an die lange Schlange von der Frischetheke an. Nicht das der Rest im Laden nicht frisch wäre, das will ich jedenfalls hoffen, aber an der Frischetheke ist es eben noch frischer. Ich sehe mich um. Irgendwie laufen in dem Laden nur fette Rentnerinnen rum auf der Suche nach Frischfleisch. Warum? Ist das psychologisch erklärbar? Lutzi ist dran. Bittschön, die Dame, sagt die fette Fleischereifachverkäuferin hinter der Theke. Ich bin auf alles gefasst. Selbst wenn Lutzi jetzt eine Kiste Schweinblut bestellt um den anstehenden Fernsehabend komplett zu machen, würde mich das nicht weiter wundern. Lutzi bestellt Schweinemagen. Meine Finger umklammern den Griff des Einkaufswagens. Darf``s sonst noch was sein. Nein, nein, nein denke ich. Und doch: 1 Pfund Hühnerleber. Ich höre nicht mehr zu. Mein Kopf macht dicht.

Lutzi ist fertig und wir gehen zur Kasse. Mh, sagt sie, heute abend mache ich erst mal Pannas. Das ist die Loni so gerne. Pannas? Frage ich und will die Antwort eigentlich gar nicht wissen. Pannas ist geronnenes Schweineblut, erklärt mir Lutzi. Ich fange an zu taumeln.

An der Kasse helfe ich ihr die Tierstücke auf das Band zu legen und schwöre mir, nie wieder auch nur ein Stückchen Fleisch zu essen.

Als wir endlich alles im Kofferraum meines Autos verstaut haben und auf dem Weg nach Hause sind sagt Lutzi: Das war doch toll, oder? Mh, antworte ich. Lutzi sagt: Kurz vor Ostern müssen wir noch mal hierhin, ich will einen leckerern Braten machen. Ich halte mich am Lenkrad fest und bleibe ihr der Antwort schuldig. Nie wieder will ich dahin zurück. Ich bin mir sicher, das dieses Erlebnis mein Verhältnis zu Lutzi nachhaltig prägen wird.

ZU Hause lege ich mein 500g Gehacktes in den Kühlschrank. Mein Mann kommt von der Arbeit und freut sich auf lecker Pizza getunt mit Hackfleisch. Ich esse einen Apfel. Für´s Erste jedenfalls...

Rohes Fleisch soweit das Auge reicht. Ich bin mit Kerstin in diesem Fleischhandelgroßmarkt. Ein riesiger Supermarkt, vollgestopft mit Köstlichkeiten. Ich kenne Kerstin von der Arbeit und sie hat mir versprochen, mit mir hierher zu fahren. Selbst traue ich mich nicht mehr so zu Auto zu fahren. Nun sind wir endlich hier und ich kann es nicht fassen. Gehacktes, Geschnetzeltes, Schinken, Steaks, Koteletts, Wurst. Und ich vor den vollen Regalen. Ich bin Lutzi, 63 Jahre, etwas klein und etwas pummelig, aber das darf man in meinem Alter auch sein. Alle in meiner Familie sind etwas pummelig, aber ich fühle mich sehr wohl damit. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen, ich muß mir die Lippen lecken. Kerstin schiebt den Einkaufswagen hinter mir her und ich brauche ihn nur zu beladen. Sogar ganze Schweinehälften kann man hier kaufen, aber die passen jetzt nicht in die Truhe. Ich entdecke Schweineöhrchen, fast wäre ich dran vorbeigelaufen. Und sogar umsonst. Loni isst die immer so gerne, sage ich zu Kerstin, sie nagt sie immer ab. Ich gucke mich kurz um und lege sie alle in den Einkaufswagen. Die Gelegenheit muß man nutzen – Schweineohren – und alle umsonst! Ich kann gar nicht verstehen, das andere Leute das ihrem Hund zu fressen geben. Eine Schande ist das! Kerstin guckt etwas skeptisch. Den Rest friere ich ein, sage ich.

Ich freu mich schon auf Samstag abend, dann kommt Melodien für Millionen, das guck ich dann mit Loni und überrasche sie dann mit den Schweineohren. Wie die sich freuen wird.

Es ist so ein schöner Tag, und wie nett die hier alles angerichtet haben. Richtig appetittlich. Das machen die extra, natürlich, aber das ist mir egal. Wer weiß, wann ich wieder hierhin komme? Is was? Frage ich Kerstin, die heute irgendwie nicht gut aussieht. Ne, ne sagt sie und packt auch 500 g Rindergehacktes in den Wagen. Ich freue mich das es ihr hier auch gefällt und wir stellen uns an die lange Schlange von der Frischetheke an. Nicht das der Rest im Laden nicht frisch wäre, auf gar keinen Fall, aber an der Frischetheke ist es eben noch frischer. Ich sehe mich um. Kein Bekannter im Laden. Und dann kann ich die Auslage sehen – was für eine Auswahl. Datt hat der Aldi aber nicht. Ich bin dran. Bittschön, die Dame, sagt die nette Fleischereifachverkäuferin hinter der Theke. Ich bestelle Schweinemagen, der ist im Angebot. Darf``s sonst noch was sein? Ach Fräulein, denke ich, ich könnte den ganzen Laden kaufen, aber ich habe ja bloß 3 Tiefkühltruhen. Alle bei Neckermann bestellt. 1 Pfund Hühnerleber, 1 Kilo Gehacktes halb und halb, zwei Schweinehaxen, 1 Topf Sülze und 2 Blutwürste. Ich kann nicht anders. Ich bin im Kaufrausch. Ich freu mich schon auf zu Hause. Mh, sage ich zu Kerstin, heute abend mache ich erst mal Pannas. Das ist die Loni so gerne. Pannas? Fragt Kerstin interessiert. Pannas ist geronnenes Schweineblut, erkläre ich ihr. Einen Moment lang überlege ich, ob ich sie dazu einladen soll, aber hinterher reicht es nicht. Außerdem mache ich mir ein bisschen Sorgen um sie. Sie sollte sich besser hinlegen und sich mal was ausruhen, nicht das sie noch krank wird.

An der Kasse packen wir gemeinsam unsere Sachen aufs Band. Kerstin hat gar nicht mehr gekauft als das Gehackte. Die Jugend, können alle gar nicht mehr richtig kochen, immer nur Fast Food, immer alles schnell schnell.

Als wir endlich alles im Kofferraum ihres Autos verstaut haben und auf dem Weg nach Hause sind sage: Das war doch toll, oder? Mh, antwortet sie. Auch wenn ich jetzt vielleicht etwas unverschämt erscheine, sage ich: Kurz vor Ostern müssen wir noch mal hierhin, ich will einen leckeren Braten machen. Mh, antwortet Kerstin. Ich freue mich. Ich bin mir sicher, das dieses Erlebnis mein Verhältnis zu Kerstin nachhaltig prägen wird.

Zu Hause packe ich meine Sachen in die Tiefkühltruhen und fange an Pannas zuzubereiten. Loni kommt in die Küche. Mh, lecker Pannas. Hast Du mir was mitgebracht, Lutzi? Fragt sie. Laß Dich überraschen, sage ich und freue mich auf Samstag und die Schweineohren.

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.03.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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