Tobias Sebastian Dahm

Der erste Schritt

Ich stehe alleine auf der Brücke meines Kriegsschiffes und betrachte das gegnerische. Ich sehe, wie die Torpedos vorbereitet werden, sehe, wie die Geschütze ausgerichtet und zum Angriff startklar gemacht werden.
„Du musst handeln," sagt mir eine Stimme. „Du musst endlich handeln!"
Aber statt zu Handeln richte ich weiterhin meinen Blick auf das gegnerische Kriegsschiff, betrachte die Vorbereitungen und dulde sie. Und so höre ich die Stimme, wie sie den Satz wiederholt, weil sie mich nicht versteht: „Du musst endlich handeln!"
Wie sollte ich handeln? Soll ich die Maschinen startklar machen und fliehen? Weglaufen? Wäre das denn nicht feige...
„....oder vielleicht weise?" höre ich da die Stimme sagen.
„Oder vielleicht weise," wiederhole ich, ohne diesen Worten Bedeutung zu schenken. Denn ich werde ganz gewiss nicht die Maschinen startklar machen, werde nicht fliehen, werde nicht weglaufen. Nein, ich habe keine Angst.
Ich könnte - wie das gegnerische Kriegsschiff - meine Torpedos vorbereiten, könnte meine Geschütze ausrichten, um einen Angriff zu starten. Aber wieso sollte ich? Ich wurde schließlich noch nicht angegriffen und habe auch nicht die Absicht, das gegnerische Kriegsschiff anzugreifen. Warum sollte ich diese ersten Schritt machen? Es würde mich nicht zufrieden stellen und ich würde die Welt spalten in die einen, die mich als Held sehen, und in die anderen, die noch Hoffnung sahen und mein Handeln nicht verstehen, es verurteilen.
Dabei habe ich doch längst gehandelt, habe Vorbereitungen getroffen. Ich werde nicht mit meinem Schiff versinken, denn ich habe es aufgegeben. Alles, was mir etwas bedeutet, habe ich in mein Beiboot gebracht. Dieses perfekt ausgestattete Beiboot ist nun mein neuer Lebensinhalt. Es ist startklar und liegt zum Abfieren bereit an Deck.
So stehe ich weiterhin auf meiner Brücke, betrachte gelassen das gegnerische Kriegsschiff und warte darauf, dass die Torpedos auf mich abgeschossen werden.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Tobias Sebastian Dahm).
Der Beitrag wurde von Tobias Sebastian Dahm auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.03.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Der Autor:

  Tobias Sebastian Dahm als Lieblingsautor markieren

Bücher unserer Autoren:

cover

Ein Schelm von Paul Rudolf Uhl



„Ein Schelm“ umfasst 95 Gedichte auf 105 Seiten, Größe: 19,2 x 14,6 cm, Klebebindung, größtenteils farbig illustriert. Das Büchlein erscheint im Selbstverlag.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Parabeln" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Tobias Sebastian Dahm

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Jinny wartet auf mich - Reprise von Tobias Sebastian Dahm (Sonstige)
Verblöden wir langsam von Norbert Wittke (Satire)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen