Veronika Kroll

Sophie

Fassungslos stand Sophie vor Jo und schaute ihn an. Sie
wusste nicht, was sie jetzt tun sollt. Weglaufen wäre wohl das Beste, dachte
sie, konnte sich aber nicht bewegen. Ihre Beine versagten ihr einfach den
Dienst. Jo sagte gar nichts, sondern schaute Sophie nur mit großen traurigen
Augen an. Keine Entschuldigung, keine Erklärung kam von ihm. Endlich, nach
Stunden, wie es Sophie schien, konnte sie sich wieder bewegen. Wie gehetzt
drehte sie sich um und lief die Treppe hinunter. Bloß weg hier, dachte sie und
rannte auf die Straße. Sie bemerkte weder die hupenden Autos noch die
Passanten, die sie empört ansahen, wenn Sophie sie anrempelte. Wie sie nach
Hause gekommen ist, wusste sie nicht mehr. Aber irgendwie musste sie es ja
geschafft haben. Zum Glück waren Gudrun und Anna noch auf der Party, so dass
Sophie sich unbemerkt in ihrem Zimmer verkriechen konnte. Und jetzt endlich
kamen auch die Tränen. Wie konnte er mir das nur antun, der Mistkerl! Was habe
ich ihm denn getan? Erst küsst er mich, dann steigt er mit der blöden Ziege in
die Kiste! Warum passiert mir das nur immer wieder, was mache ich dann falsch?
Immer wieder kreisten Sophies Gedanken um dieses Thema und immer wieder sah sie
Jo´s Augen vor sich, die sie traurig ansahen. Irgendwann fielen ihr dann vor
Erschöpfung die Augen zu und mit Tränen im Gesicht schlief sie ein.

 
Gudrun und Anna kamen erst spät von der Party nach Hause.
Anna war so erschöpft von dem vielen Rumgetobe, dass sie sofort auf ihr Zimmer
ging. Als Gudrun noch mal nach ihr sehen wollte, hörte sie aus Sophies Zimmer
leises Schluchzen. Sie hatte Sophie ja von der Party weglaufen sehen und
dachte, sie wäre noch bei Jo. Langsam öffnete sie die Tür und fand ihre Tochter
in Tränen aufgelöst im Bett. Sie ging zu ihr, ließ sich neben Sophie auf das
Bett sinken und nahm ihre Tochter tröstend in den Arm. "Mein armes
Lämmchen, hattest du mal wieder kein Glück? Aber du mußt doch gewusst haben,
dass Jo nichts für dich ist?" sprach sie leise auf Sophie ein. Sophie
allerdings bekam davon nichts mehr mit - sie schlief.

Am Morgen wachte Sophie verschlafen und mit verquollenen Augen auf. Ein Blick
auf den Wecker zeigte ihr, dass sie verschlafen hatte. Sie hätte schon vor
einer Stunde im Büro sein müssen. Hastig zog sie sich an und lief in die Küche.
Anna war schon in der Schule, so dass es Sophie zumindest erspart blieb, ihrer
Tochter erklären zu müssen, warum sie so verheult aussah. Gudrun war aber da.
Sie reichte ihrer Tochter nur wortlos eine Tasse Kaffee. "Wann gibt es
eigentlich Ferien?" fragte Sophie "fangen die nicht morgen an?"
"Seit wann interessiert es dich, wann Anna Ferien
hat?" Gudrun war erstaunt. "Du fährst doch nie mit ihr weg, also
warum?" "Ich muss los, bin sowieso zu spät" Sophie verließ eilig
die Wohnung.

Im Büro sah die Sekretärin von ihrem Computer hoch, als Sophie völlig aufgelöst
hereinstürzte. "Na, hast wohl eine lange Nacht gehabt, was?"
stichelte sie, verstummte aber sofort, als sie Sophies verheultes Gesicht sah.
Von Jo war weit und breit nichts zu sehen. Er hatte Gott sei Dank schon das
Büro verlassen oder war noch nicht da. Sophie hätte es nicht ertragen, ihn
jetzt zu sehen.
Sophie ging ohne anzuklopfen in Romans Büro. "Ich brauche Urlaub. Der
steht mir doch zu, oder ?" stieß Sophie schnell heraus. Roman schaute auf
und in Sophies Gesicht.
"Ist was passiert? Ist mit Anna und Ihrer Mutter alles
in Ordnung? Kann ich helfen?" Roman war sehr besorgt, als er Sophies
verweintes Gesicht sah.
"Nein, alles in Ordnung. Ich brauche nur Urlaub?
Sophies Augen schwammen schon wieder in Tränen.
„Also gut, ab wann und wie lange brauchen Sie Urlaub,
Sophie?" Roman sah in seinen Kalender.
"Ab heute, sofort. Und ich weiß noch nicht wie
lange" Sophie war erleichtert. Lange blickte Roman sie an.
"Sie würden mir doch sagen, wenn Sie meine Hilfe brauchen,
oder Sophie?" fragte er leise. Sophie nickte nur, sprechen konnte sie vor
Rührung nicht mehr. Schnell verließ sie das Büro. Was sollte sie jetzt tun? wie
sollte es denn jetzt weitergehen?

 
Ziellos wanderte Sophie durch die Stadt. Es war früher Vormittag
und noch nicht viel los. Aber das interessierte Sophie sowieso nicht. Überall
sah sie nur Jo´s Augen. Sie schienen sie zu verfolgen und sie konnte an nichts
anderes mehr denken. Sie kam an einem Reisebüro vorbei. Ja, das ist es, dachte
sie. Ich schnapp mir Anna und wir fahren einfach weg. Allerdings stand Sophie
auch nicht der Sinn nach einem Urlaub mit vielen Leuten. Sie wollte doch nur
ihre Ruhe haben. Ihr Blick fiel auf ein Poster "Reiterurlaub". Genau,
das ist es, dachte Sophie. Reiterhöfe liegen bestimmt nicht da, wo viele
Menschen sind und Anna würde sich bestimmt tierisch über einen Aufenthalt auf
einem Ponyhof freuen. Kurz entschlossen ging Sophie in das Büro und erkundigte
sich. Die Mitarbeiter waren auch sehr freundlich und machten Sophie einige gute
Angebote. Sie entschied sich für einen Reiterhof in der Lüneburger Heide. Das
Haus sah gemütlich aus und man konnte gut mit dem Zug anreisen. Besonders teuer
war es auch nicht. Dorthin wollte Sophie.
Schon ein bisschen ruhiger machte sie sich auf den Weg zu Annas Schule. Sie
hatte Glück und musste auch nicht lange warten: Anna hatte gerade Schulschluß
und stürmte mit den anderen Kindern ausgelassen aus der Schule. "Ferien,
endlich Ferien" erklang es überall. Anna stürzte auf ihre Mutter zu, umarmte
sie und drücke sie fest an sich. "Was machst du denn hier, musst du nicht
arbeiten?" fragte sie erstaunt.
"Nein, mein Schatz, heute nicht und in den nächsten
Tagen auch nicht. Wir machen Urlaub. Was meinst du dazu?" Natürlich war
Anna von der Idee mit dem Reiterhof begeistert. Pläne schmiedend hüpfte sie
neben Sophie her und merkte dabei gar nicht, dass ihre Mutter nicht so
gesprächig war wie sonst.


Gudrun erwarte sie schon zu Hause mit dem Mittagessen. Anna
erzählte ihr von den Plänen mit dem Reiterhof. "So, du läufst also wieder
mal davon, ja?" war Gudruns einziger Kommentar zu der Reise. Vorwurfsvoll
sah sie Sophie dabei an. "Ich weiß zwar nicht, was zwischen dir und Jo
vorgefallen ist, aber weglaufen ist bestimmt keine Lösung"
"Mama, das verstehst du nicht, ich laufe nicht davon.
Anna und ich brauchen nur etwas Zeit für uns allein, deshalb fahren wir
morgen" Sophie stand auf und ging in ihr Zimmer "Ich muss noch
packen" rief sie noch.

 
Einige Straßen weiter in einer großen Bank:
Schubert, ein streng aussehender Kaufmann musterte die Frau, die ihm
gegenübersaß. Sie entsprach absolut nicht seinen Vorstellungen. Schließlich war
er hier ein guter Kunde in der Bank und die Ziege vor ihm sollte ihm gefälligst
helfen. Lisa Opitz dachte aber gar nicht daran, ihren Kunden bei seinen krummen
Geschäften zu unterstützen. Alles an der Sache kam ihr suspekt vor. "Nein,
Herr Schubert, ich habe es Ihnen schon mal gesagt, unsere Bank kann und wird
Ihnen keinen Kredit gewähren. Die Bürgschaft für eine solch große Summe ist uns
einfach nicht genug. Es tut mir leid, aber es geht nicht" Lisa sprach mit
strenger Stimme. Alles an diesem Mann war ihr unsympathisch. Bisher hatte immer
ein Kollege von Ihr mit Schubert zu tun. Heute war er leider an sie geraten.
Sie sah wie Schubert immer roter im Gesicht wurde. "So, sie wollen mir
also nicht helfen, ja? Na, Sie werden schon sehen, was Sie davon haben. Sie
glauben doch wohl nicht, dass ich noch mal mit ihrer Bank Geschäfte mache"
Schubert stand auf und verließ zornig das Büro.

Lisa griff zum Telefonhörer und rief ihren Mann an. Tim meldete sich auch
sofort. Er war mitten im Packen. Morgen wollten er und seine 4 Kinder zu einem
Reiterurlaub aufbrechen. In die Lüneburger Heide. Lisa informierte ihn, dass
sie später nach Hause kommen würde. Tim war es schon gewohnt: als Hausmann
hatte er sich längst damit abgefunden, dass seine Frau zu den unmöglichsten
Zeiten arbeitete. Ihm selbst waren seine Kinder und die "Villa
Kunterbunt" in der sie alle wohnten, viel wichtiger. Er starte auf den
Hörer und fragte sich wohl zum hundertsten Mal, wie sein Leben wohl ausgesehen
hätte, wenn er sich damals nicht von Sophie getrennt hätte. Als Sophie ihm vor
11 Jahren mittelte, dass sie schwanger von ihm sei, war er nur geschockt und
wusste nicht, was er tun sollte. Er war einfach noch nicht bereit, eine Familie
zu gründen. Er ließ Sophie mit der Verantwortung für das Kind allein und
verließ die Stadt. Kurze Zeit später lernte er Lisa kennen und lieben.
Innerhalb eines Monats waren sie verheiratet und Lisa wurde ebenfalls
schwanger. Die erste Zeit genossen beide ihr Familienleben, aber mit der Zeit
stellte sich immer mehr heraus, dass Lisa das Nur-Hausfrau-Dasein nicht gefiel
und sie fing wieder bei ihrer Bank zu arbeiten. Tim, der als freiberuflicher
Journalist arbeitete, blieb bei den Kindern zu Hause und kümmerte sich um den
Haushalt - ein typischer Hausmann eben.
Vor zwei Wochen hatte Sophie ihn überraschend besucht. Um Anna´s Willen wollte
sie wieder Kontakt mit ihm aufnehmen, obwohl ihr dass sehr schwer fiel. Kurze
Zeit später lernte er auch Anna kennen und war ganz begeistert von seiner
Tochter. Immer häufiger ertappte er sich nach diesem Besuch dabei, dass er an
Sophie und Anna dachte und an was wäre gewesen, wenn ... Aber er war nun mal
mit Lisa verheiratet, liebte seine Kinder sehr und wollte eigentlich an der
Situation auch nichts ändern. Als Lisa ihn vor zwei Tagen darüber informierte,
dass der Urlaub wohl ins Wasser fallen würde, da sie keine Zeit hätte und einen
Kollegen vertreten musste, war er zunächst sehr sauer. Aber dann kam ihm die
Lösung: er würde allein mit seinen Kindern fahren, sollte doch Lisa arbeiten,
er würde sich auf jeden Fall eine schöne Zeit in der Lüneburger Heide machen.

 
In der Zwischenzeit in der der Rechtsanwaltskanzlei
Lehnhardt:
Jo war früh an diesem Morgen aufgestanden. Er hatte sowieso die Nacht kein Auge
zubekommen. Immer wieder sah er Sophie vor sich, erst die freudige Erwartung,
als er die Tür öffnete und dann den entsetzten und verständnislosen Ausdruck,
als sie Cynthia im Handtuch bemerkte. Ihm war klar, dass er Sophie sehr
wehgetan hatte. Eigentlich hatte er nach seinem Besuch in der Kanzlei
vorgehabt, nach Hause zu fahren, aber dann war er doch in seine Stammkneipe
gegangen und hatte Cynthia getroffen. Er war nicht mehr ganz nüchtern, als er
mit Cynthia nach Hause ging. Auch als er mit ihr schlief, waren seine Gedanken
bei Sophie und Roman. Ob die beiden wohl jetzt zusammen waren? Roman passt
einfach viel besser zu Sophie, als er, dachte Jo. Er, mit seiner flippigen Art
konnte mit der kleinen naiven Sophie doch gar nichts anfangen, da waren ihm die
Frauen von Cynthias Kaliber doch lieber. Aber trotzdem ging ihm der Kuss mit
Sophie in seinem Auto nicht aus dem Kopf, Immer wieder dachte er an die Szene
und daran, wie süß Sophie gewesen war. Aber als er dann den Schlüsselanhänger
bei Roman sah, den gleichen, den auch Sophie hatte, wurde ihm klar, dass er
sich getäuscht hatte. Er war einfach nicht gut genug für Sophie!

 
Jetzt am Morgen saß Jo in seinem Auto und schaute schon seit
2 Stunden regungslos auf die Kanzlei. Sollte er reingehen oder nicht? Wie
sollte er sich Sophie gegenüber verhalten? Was sollte er zu Roman sagen? Und
dann sah er wie Sophie aufgelöst in die Kanzlei hetzte und kurze Zeit später
genauso schnell wieder hinausrannte. Auch ihr verweintes Gesicht sah er. Zuerst
wollte er ihr nachlaufen, da er dachte, es wäre etwas mit Anna oder ihrer
Mutter passiert, aber dann fiel ihm ein, wenn das der Fall sein sollte, würde
Roman sich schon um sie gekümmert haben. Also stieg er langsam aus dem Auto aus
und ging in die Kanzlei.


Karin, die Sekretärin, begrüßte ihn mit einem Lächeln, als
er hereinkam.
"Na, heute ist wohl der Tag der Langschläfer, was? Erst
kommt Sophie zu spät, dann rennt sie gleich wieder weg und jetzt kommst du auch
noch 2 Stunden zu spät. Was ist eigentlich los, kann mir das einer mal verraten?"

"Ist Roman in seinem Büro?" fragte Jo bloß, ohne
auf ihre Bemerkung einzugehen. "Ja klar, wo sollte der wohl sonst sein?
Geh doch rein und schau selbst nach".
"Nee, ich habe noch was zu erledigen. Ein Auftrag der
nicht warten kann. Du kannst Roman ja sagen, dass ich unterwegs bin" Jo
machte sich wieder auf den Weg aus dem Büro. Er wollte heute weder Sophie noch
Roman begegnen. Irgendwie hatte er ein schlechtes Gewissen, obwohl er doch
meinte, sich richtig verhalten zu haben. Aber trotzdem ging ihm das Bild von
Roman und Sophie nicht aus den Augen. Er stellte sich die beiden eng umschlungen
vor und wünschte, er wäre an Romans Stelle.

 
Reiterhof Lüneburger Heide:
Sophie und Anna waren total begeistert, als sie auf dem Reiterhof ankamen. Anna
wollte natürlich zuerst ganz schnell zu den Pferden, aber Sophie bestand
darauf, dass sie erst mal ihre Sachen auspacken. Auch die kleine Ferienwohnung,
die sie gemietet hatten, war sehr schön, mit Blick auf die Pferdekoppel und den
Wald. Nach einem kurzen Spaziergang, natürlich auch zu den Pferden, war es auch
schon Zeit für das Abendessen, das mit allen anderen Gästen zusammen in der
Gaststube eingenommen werden sollte. Sophie und Anna wurden zu einem Tisch
geführt, an dem schon ein Mann und 4 Kinder saßen. Als der Mann sich umdrehte,
stieß Sophie einen überraschten Laut aus. Das konnte doch wohl nicht wahr sein!
Was machte denn Tim hier! Auch Tim war völlig überrascht. Schnell stand er auf
um Sophie und Anna zu begrüßen.
"Na, das ist ja eine Überraschung. Was macht ihr denn
hier?" lachte er fröhlich. Sophie erholte sich langsam von dem Schreck und
schaute interessiert zu den Kindern. "Sind das alles deine? Und wo ist
deine Frau?" wollte sie wissen. "Ich bin sozusagen Strohwitwer"
erwiderte Tim. "Meine Frau muss arbeiten, also genießen wir den Urlaub
halt allein".

 
Anna hatte sich schon an den Tisch gesetzt. Seltsamerweise
war sie gar nicht erstaunt, ihren Vater und seine Familie hier vorzufinden. Sie
hatte sich schon bei ihrem ersten Besuch in der "Villa Kunterbunt"
mit seiner ältesten Tochter Jasmin angefreundet. Jasmin war etwas jünger als
Anna, sah ihr aber erstaunlich ähnlich. Sogleich fingen Anna und die anderen
Kinder lebhaft über die Pferde an zu reden, während Tim und Sophie noch etwas
befangen waren. Was sollten sie sich sagen? Beiden war es etwas unangenehm, hier
zusammen zu treffen, aber sie würden halt das Beste aus der Situation machen.

 
Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge. Sophie sah von
Anna fast den ganzen Tag nichts. Sie hielt sich mit den anderen Kindern bei den
Pferden auf und kam nur zu den Mahlzeiten zu Sophie zurück. Auch von Tim war
nicht viel zu sehen. Er hielt sich genau wie Sophie sehr für sich. Aber trotzdem
bemerkte er, wie liebevoll Sophie mit Anna umging und welch ein gutes
Verhältnis die beiden zueinander hatten. So ist Lisa mit unseren Kindern nie
umgegangen, dachte er bei sich. Schade, so hatte sie eine Menge von den Kindern
verpasst und wusste gar nicht, welch tolle kleine Menschen sie da hatte.


Am 7. Tag wollte Sophie zum Abendessen gehen. Sie ging in
den Stall um Anna abzuholen. Plötzlich hörte sie einen lauten Schrei. Sophie
rannte sofort los, da sie dachte es wäre ein Unfall bei den Pferden passiert.
Sie sah gerade noch, wie ein schwarzgekleideter Mann mit einer Skimaske Anna zu
einem Lieferwagen schleppte. Anna schrie verzweifelt um Hilfe. Aus allen Ecken
liefen jetzt die Leute zusammen. Auch Tim war plötzlich an Sophies Seite.
"Was ist passiert, Sophie, was hast du denn?" Tim
nahm Sophie, die in Panik war, in den Arm.
"Die haben Anna entführt!!" schrie Sophie
hysterisch. "Ruft die Polizei, macht doch irgendwas, schnell!!"
Inzwischen war der Lieferwagen mit Anna schon über alle
Berge. Ein Mann hatte sich glücklicherweise das Kennzeichen gemerkt. Sophie war
in Tränen aufgelöst, als die Polizei endlich eintraf. Mit Tim´s Hilfe
schilderte sie den Vorfall. Sofort wurde auch eine Fahndung eingeleitet. Aber
das einzige, was die Polizisten feststellen konnten, war, dass das Auto geklaut
war und verlassen im Wald aufgefunden wurde.


Inzwischen erhielt Lisa Opitz in ihrer Bank einen seltsamen
Anruf: "Wenn Sie Ihre Tochter lebend wiedersehen wollen, verhalten Sie
sich ruhig und schalten Sie nicht die Polizei ein". Lisa hielt diesen
Anruf erst für einen Scherz, aber trotzdem machte sie sich Sorgen. Sie rief Tim
auf dem Reiterhof an und erfuhr von Anna´s Entführung. Jetzt wurde auch klar,
dass gar nicht Anna gemeint war, sondern Jasmin, Lisas Tochter, die Anna so
ähnlich sah. Wenn die Entführer bemerkten, dass sie das falsche Kind erwischt
hatten, was würden sie dann mit Anna machen?

 
Roman war blass und wirkte sehr angespannt. Er machte sich
schreckliche Sorgen um Anna. Das kleine Mädchen bedeutete ihm sehr viel und er
würde mit allen Mitteln versuchen zu helfen. Aber im Augenblick fiel ihm auch
keine Lösung ein. Seine Hoffnung ruhte ebenfalls auf Jo. Der hatte mit seiner
kriminellen Vergangenheit Beziehungen, von denen Roman nur träumen konnte. Er
wollte auch gar nicht wissen, woher Jo seine Informationen immer bezog. Die
Hauptsache war, Anna wurde gefunden.
"Ich werde mich mal mit Lisa Opitz unterhalten und mich umhören, ob ich
was erfahren kann" mit dieser Erklärung verließ Jo das Büro. Noch immer
konnte Sophie den Blick nicht von ihm wenden. Obwohl Jo  ihr Hoffnung gemacht hatte, hatte sie doch
seinen zornigen und verzweifelten Blick gesehen. Sie wusste, er würde wirklich
alles für Anna tun, aber würde das auch reichen?

In einem kleinen muffigen Keller:
Anna wachte auf und wusste nicht, wo sie war. An das einzige, an das sie sich
erinnern konnte war, dass sie in einen Lieferwagen gezerrt wurde. Dann stülpte
man ihr eine Decke über den Kopf und sie spürte einen Stich im Arm. Danach wurde
um sie herum alles dunkel. Sie wusste auch nicht, wie spät es war, war es Tag
oder Nacht? Der Keller hatte nur einen kleinen Lichtschacht ganz hoch an der
Wand. Aber der war mit einer Holzlatte vernagelt, so dass kein Licht
hereinfiel. Sie dreht sich langsam um und bemerkte, dass sie auf der Erde auf
einigen alten Decken lag. Neben ihr stand eine Kanne Wasser und es lagen auch
ein paar Äpfel da. Außerdem brannte in der einen Ecke eine kleine Glühbirne. In
der anderen Ecke bemerkte sie einen alten Eimer. Wenn sie doch bloß wüsste, wo
sie war. Was hatten die denn mit ihr vor? Anna hatte große Angst und wünschte
sich sehnlich ihre Mutter. Sie nahm einen großen Schluck aus der Kanne. Das
Wasser schmeckte abgestanden und merkwürdig. Sie schlief wieder ein.

 
Irgendwann wurde Anna von einer großen Männerhand
wachgerüttelt.
"He, Kleine, genug geschlafen. Jetzt hör mir mal genau
zu" sprach sie der Mann grimmig an. Anna konnte ihn nicht erkennen, da er
immer noch die Skimaske über dem Gesicht trug, aber sie wusste, dass es der
gleiche Mann war, der sie in den Lieferwagen gezerrt hatte.
"Was wollen Sie denn von mir, lassen Sie mich zurück zu
meiner Mutter. Ich habe Ihnen doch nichts getan!" weinte Anna laut.
"Nee, Kleine du hast uns nichts getan, aber deine Mutter.
Sie wollte meinem Boss nicht helfen und jetzt soll sie mal sehen, was sie davon
hat. Du bleibst so lange bei uns, bis sie 1 Millionen Euro bezahlt hat, dann
lassen wir dich wieder laufen - vielleicht" der Mann lachte höhnisch.
Anna überlegte. Was meinte der Mann bloß? Wobei sollte ihre
Muter ihm denn nicht geholfen haben und wo sollte sie soviel Geld herbekommen?
Das konnte doch alles nicht wahr sein!  
Der Mann starrte Anna weiter an. "Eigentlich bist du ja
ganz hübsch, vielleicht behalten wir dich auch für immer hier, was meinst du?
Deine Eltern werden dich doch gar nicht vermissen, die haben ja noch 3 andere
Kinder und deine Mutter arbeitet doch sowieso den ganzen Tag in der Bank"
Jetzt plötzlich kam Anna die Lösung: die Männer meinten gar
nicht sie! Sie hatten sich vertan.  Sie
sollten  Jasmin entführen und hatten
dabei Anna erwischt! Wenn die herausfinden, dass sie gar nicht Lisa´s Tochter
ist, war alles aus. Anna überlegte fieberhaft. Auf keinen Fall würde sie den
Leuten sagen, dass sie nicht Jasmin war. Sie würde sich stumm verhalten und
versuchen, so viel wie möglich über die Männer herauszufinden. Sicherlich würde
ihrer Mutter schon eine Lösung einfallen. Und ihr Vater und Roman waren ja auch
noch da! Ein wenig getröstet schlief Anna wieder ein. Im Wasser musste wohl
eine Droge gewesen sein

 
Das Gespräch mit Lisa Opitz brachte eine Neuigkeit. Die
Entführer hatten sich wieder gemeldet und forderten 1 Millionen Euro Lösegeld
für ihre "Tochter". Auch auf die Warnung der Entführer hin, hatte
Lisa die Polizei eingeschaltet. Diese versuchten unauffällig alles was möglich
war um eine Spur zu finden. Aber große Erfolge hatten sie noch nicht erzielt.
Jo versuchte von Lisa zu erfahren, ob sie Feinde hätte. Sie überlegten
gemeinsam, wer Lisa wohl schaden wollte. Irgendwann kamen sie dabei auch auf
Schubert, den Kunden aus der Bank, den Lisa abgelehnt hatte. Hatte der
vielleicht was mit der Sache zu tun? Jo wollte auf jeden Fall versuchen, etwas
mehr über ihn herauszufinden.


Als er wieder zurück in die Kanzlei fuhr, stand ihm das Bild
vor Augen, wie Roman Sophie in den Armen gehalten hatte. Das sah alles so
richtig aus, verdammt. Wider besserem Wissen wollte eigentlich er es sein, der
Sophie festhielt, aber er hatte sich ja dafür entschieden, Roman seinen Platz
zu überlassen. Solange Anna noch nicht gefunden war, konnte er sowieso nichts
weiter tun. Er würde versuchen, sich Sophie gegenüber so neutral wie möglich zu
verhalten, auch wenn ihm das verdammt schwer fallen würde. Solange Sophie nicht
in der Kanzlei gewesen war, war sich Jo ganz sicher, dass er das Richtige getan
hatte und war sogar noch stolz auf sich: er hatte schließlich zugunsten einen
Besseren auf Sophie verzichtet. Aber jetzt, wo sie wieder in seiner Nähe war,
sah er immer wieder ihr lachendes Gesicht vor sich, hörte sie im ihm streiten
und spürte ihre Lippen auf seinen. So einfach konnte er das alles nicht
vergessen - und schon gar nicht, wenn sie in Romans Armen lag!

 
Obwohl es schon nach 22.00 Uhr war, als Jo in der Kanzlei
ankam, brannte dort noch Licht. Jo sah zwei Schatten hinter dem Fenster. Er
würde Sophie natürlich gern wieder sehen, hatte aber auch Angst vor der
Begegnung. Er war sich nicht sicher, ob er wirklich so "neutral" sein
konnte, aber er würde es zumindest versuchen. Als er das Büro betrat, fand er
zu seiner Überraschung aber nur Roman und Gudrun vor. Von Sophie war nichts zu
sehen. Beide schauten ihn erwartungsvoll an. Roman mit Hoffnung in den Augen
und Gudrun eher skeptisch.
"Also, ich haben einen Verdacht. Lisa Opitz ist von
einem Kunden aus der Bank bedroht worden. Sie hat ihm seinen Kredit verweigert.
Ich habe mal den Hintergrund dieses Schubert´s geprüft. Scheint auf den ersten
Blick alles sauber zu sein. Meiner Meinung nach zu sauber" Jo ließ sich
erschöpft auf einen Stuhl sinken.
"Irgendwas an dem Mann kommt mir nicht geheuer vor. Er
hat seine Finger in zu vielen Geschäften. Mal sind es Immobilien, dann wieder
Schmuck und Autos alles irgendwie nicht ganz richtig" Jo faltete die Hände
hinter dem Kopf und ließ sich zurücksinken.
"Und was sollen wir jetzt tun" Wir können ja wohl
schlecht zu dem Mann gehen und Anna zurückfordern" Gudrun war aufgeregt.
"Hat sich die Polizei schon mit Schubert befasst?"
fragte Roman.
"Ja, die tun schon alles was sie können. Ich habe mich
mit dem zuständigen Detektiv unterhalten. Die werden uns mit Sicherheit aber
keine Einzelheiten mitteilen, auch wenn sie was wissen sollten. Sie wollen
nicht, dass wir uns einmischen, und ich schon gar nicht." Jo seufzte auf.
"Äh, wo ist eigentlich Sophie?" konnte er sich
doch nicht verkneifen zu fragen. Gudrun erklärte ihm, dass Sophie nach Hause
gegangen war. Einer von den Polizisten hatte sie begleitet. Obwohl die Polizei
davon ausging, dass Schubert keine Ahnung von Sophie hatte, wollten sie
vorsichtig sein.
Gudrun stand auf. "Ich gehe jetzt auch. Wir können ja
doch nichts weiter tun als abwarten."

Als Roman mit Jo allein war, sah er ihn lange an. "Nun sag schon, was hast
du noch raus gefunden. Das war doch nicht alles, oder"?
Jo konnte ihm immer noch nicht in die Augen sehen, aber er
wusste, das Roman viel für ihn getan hatte und er für ihn zu den wichtigsten
Menschen in seinem Leben gehörte. Damals, als er in Schwierigkeiten steckte,
war Roman es gewesen, der nie den Gauben an ihn, Jo, verloren hatte. Roman
hatte dafür gesorgt, dass Jo mit einer geringen Strafe davonkam und nicht ins
Gefängnis musste. Das würde er ihm niemals vergessen. Und trotzdem wünschte er
sich jetzt, nicht ganz so ehrlich zu ihm sein zu müssen. Am liebsten wollte er
sich allein um die Entführung kümmern - vielleicht auch mit nicht ganz sauberen
Mitteln.

 
Es dauerte lange, bis Jo sich zu einer Antwort aufraffte:
"Ich habe noch etwas mehr über Schubert raus gefunden. Er scheint Verbindungen
zur italienischen Mafia zu haben. Sein "Leibwächter", der ihn immer
und überall begleitet, gehört jedenfalls zur Carissi-Gruppe. Ich habe mal meine
Fühler ausgestreckt, aber diese Gruppe ist so dicht, da kommt fast nichts
durch. Es wird also schwer sein, mit legalen Mitteln da was zu erreichen."

"Jo, lass die Finger davon. Du weißt doch, wie diese
Bande ist. Wir müssen es einfach anders versuchen. Ich spreche morgen früh noch
mal mit der Polizei. Vielleicht bekomme ich doch noch was raus" Roman
stand auf und packte seine Aktentasche. Jo beobachtete ihn. Dann fiel sein
Blick wieder auf den Schlüsselanhänger, mit dem Roman herumspielte.
"Fährst du nach Hause, oder hast du noch was vor?"
musste Jo ihn einfach fragen. "Ich habe noch was vor" kam Romans
Antwort
"Schließt du ab, wenn du gehst?"
"Ja klar" Jo blieb sitzen. Auch als Roman das Büro
verlassen hatte, saß er noch lange in seinem Sessel. Ging Roman zu Sophie?
Würde Sophie schon auf ihn warten? Die Gedanken zerfraßen ihn fast. Er musste
etwas tun, sonst würde er noch verrückt. Noch nie in seinem Leben war er
eifersüchtig gewesen, schon gar nicht auf seinen besten Freund. Und er konnte
auch jetzt gern darauf verzichten. Aber verhindern konnte er es nicht.

Sophie konnte nicht schlafen und nicht essen. Ruhelos tigerte sie in der
Wohnung herum. Gudrun versuchte sie zu beruhigen, wusste aber auch nicht wie,
da sie sich genauso große Sorgen um Anna machte wie Sophie. Als es an der Tür
klingelte, stürzte Sophie sofort hin. Als sie aufmachte, stand Roman vor ihr.
Er sah, wie sich Sophies Lächeln in einen resignierten Ausdruck verwandelte. Er
brachte keine guten Nachrichten. Sophie ließ ihn herein.
"Ich will nicht lange stören" sagte Roman.
"Ich werde mich morgen früh mit der Polizei unterhalten. Möchten Sie dabei
sein?" fragte er Sophie
"Das hat doch keinen Sinn. Die werden nichts sagen.
Auch Ihnen nicht, obwohl Sie Anwalt sind." Sophie klang hoffnungslos.
Sie war am Morgen voller Erwartung ins Büro gerannt. Sie war
der Meinung, nur Jo konnte ihr helfen. Aber jetzt war er wie vom Erdboden
verschluckt. Er hielt es nicht mal für nötig, sich bei ihr zu melden, der
Mistkerl!
Gudrun hatte ihr erzählt, dass er einen Verdacht hatte, aber
Sophie wäre froh gewesen, wenn er ihr das selbst erzählt hätte. Plötzlich kam
ihr ein Gedanke
"Sie kennen doch Frau Böhm, die Staatsanwältin, die uns
beim Fall Kinkel geholfen hat. Meinen Sie, das sie uns vielleicht auch hier
helfen könnte?" wandte sie sich an Roman.
"Sie meinen Sabine. Kann schon sein, ich habe mit ihr
zusammen studiert. Ich werde mich morgen mal mit ihr unterhalten. Vielleicht
kommen wir hier wirklich weiter" Roman war froh, dass Sophie wieder etwas
Hoffnung hatte.
"Und übrigens, können wir nicht das SIE weglassen? Ich
heiße Roman" damit ließ er eine verblüffte Sophie stehen und verließ die
Wohnung.

 
Am nächsten Morgen traf sich Roman wie versprochen mit
Sabine, der Staatsanwältin, in ihrem Büro. Obwohl die beiden sch von früher
kannten, verband sie nicht gerade eine gute Freundschaft. Roman fand Sabine
einfach zu wenig "fraulich". Sie war ihm einfach zu karriereorientiert.
Und Sabine ihrerseits konnte mir Roman nicht viel anfangen, er war ihr viel zu
konservativ. Nie hatte sie ihn anders als mit Schlips und Anzug gesehen. Schon
während des Studiums sah er wie ein Anwalt aus. Sie wusste zwar, dass er irgendwann
mal geheiratet hatte und auch einen Sohn hatte, konnte ihn sich aber nicht so
recht als Familienvater vorstellen. Die beiden sahen sich erst mal befangen an.
Und obwohl Roman Sabine eigentlich nicht mochte, musste er bemerken, das ihr
das Kostüm, das sie trug, sehr gut stand und ihre tollen Beine betonte. Roman
erklärte Sabine in Kürze um was es ging. Sie hatte schon von der Entführung
gehört und versprach Roman, sich umzuhören, ob sie von Schubert irgendetwas
erfahren konnte. Roman war versucht, sie auf einen Kaffee einzuladen, ließ es
dann aber doch sein. Sabine schaute ihm noch nach, als er zu seinem Auto ging.
Komisch, jetzt wo er von dem keinen Mädchen gesprochen hatte, hatte seine
Stimme sehr besorgt geklungen und sie hatte hinter der immer ernsten Mine ein
bisschen von dem Menschen Roman erkannt. Und dieser Mensch gefiel ihr doch ganz
gut.

Jo setzte unterdessen alle Hebel in Bewegung, um möglichst viel von Schubert zu
erfahren. Trotz der Warnung von Roman wollte er unbedingt etwas tun und schnell
zu einer Lösung kommen. Anna war nun schon 2 Tage verschwunden und er konnte
sich vorstellen, dass sie und Sophie verrückt vor Angst waren. Er konnte nur
hoffen, dass Anna den Entführern nicht ihren richtigen Namen verraten würde,
sonst gab er nicht mehr viel für ihr Leben. Aber so, wie er das kleine Mädchen
kennen gelernt hatte, war die ganz schön clever - kam ganz nach ihrer Mutter.

 
Am Abend betrat Jo mal wieder seine Stammkneipe. Es wunderte
ihn nicht, dass auch Cynthia da war.
"Jo, lässt du dich auch mal wieder sehen?" Sie
trat dicht auf Jo zu und wollte ihn auf den Mund küssen.
Jo drehte sein Gesicht weg, so dass sie nur seine Wange
traf. Cynthia war zwar etwas erstaunt, aber sie wusste ja, dass Jo keine festen
Beziehungen mochte. Er wollte in der Öffentlichkeit gern als ganzer Kerl
dastehen, der sich von keiner Frau festbinden ließ. Sie verstand ihn sehr gut,
sie war genauso. Auch ihr ging es nicht um eine feste Beziehung mit Jo - er war
einfach gut im Bett. An dem Abend, als Sophie so plötzlich vor der Tür
gestanden hatte, hatte sie natürlich auch gemerkt, dass Jo danach anders war.
Normalerweise blieb sie nach dem Sex noch die Nacht bei ihm, damals hatte er
sie aber schnell loswerden wollen und sie schon fast aus der Wohnung geworfen.
Vielleicht war an der Geschichte mit der kleinen süßen Sophie doch mehr dran,
als die dachte. Aber kampflos würde sie Jo auch nicht aufgeben. Wenn sie schon
keine Beziehung miteinander hatten, so wollte sie ihn doch als Liebhaber nicht
verlieren.

Jo bedauerte schon, überhaupt in die Kneipe gekommen zu sein. Er wollte nur in
Ruhe sein Bier trinken und jetzt musste er sich mit Cynthia befassen.
Ignorieren konnte er sie leider nicht, sie hing wie eine Klette an im. Okay,
dann eben auf die harte Tour, dachte er. Als er gehen wollte, und Cynthia
aufstand und wie selbstverständlich mit ihm gehen wollte, hielt er sie am Arm
fest.
"Stopp mal, Cynthia, du kommst nicht mit zu mir. Die
Geschichte mit uns beiden war zwar sehr nett, aber mehr als eine Bettgeschichte
wollen wir doch beide nicht. Und ich will jetzt nicht mal mehr das. Es ist also
besser, wenn du dir einen anderen suchst, fällt dir sicherlich nicht schwer.
Die Auswahl ist ja groß und du warst ja noch nie sehr wählerisch."
Cynthia holte aus und verpasste Jo eine kräftige Ohrfeige.
"Wach doch endlich auf, Mann. Ich bin doch das Beste
war dir passieren konnte! Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass du Chancen
bei der keinen Sophie hast. Die rennt doch sofort zu ihrem Anwalt. Dich will so
eine doch gar nicht. Die sucht bloß einen Vater für ihre Tochter und jemanden,
mit dem sie heile Welt spielen kann!" Damit rauschte Cynthia an ihm vorbei
nach draußen.
Genau, dachte Jo, das ist ja das Problem. Sophie passte
nicht zu ihm und würde es auch nie. Aber was sollte er dagegen tun, er wollte
sie einfach haben.

 
Sabine, die Staatsanwältin, hatte Schuberts Hintergrund
geprüft. Dabei war sie auf etwas Interessantes gestoßen. Mit der Akte in der
Hand, überlegte sie, ob sie Roman anrufen sollte. Dann entschied sie sich
dafür, ihn direkt aufzusuchen. Sie war noch nie in seiner Kanzlei gewesen und
war gespannt, wie es dort aussah.
Als sie die Kanzlei betrat, war niemand im Vorzimmer zu sehen. Ein Blick auf
die Uhr zeigte ihr, dass es 13.00 Uhr war, wahrscheinlich war die Sekretärin zu
Mittag gegangen.
Die Tür zu Romans Büro stand halb offen, so dass Sabine
darauf zuging. Sie schaute hinein und sah Roman am Schreibtisch sitzen. Seine
Krawatte war gelockert, an seinem Hemd standen zwei Knöpfe auf und seine Haare
waren verwuschelt. In den Händen hielt er ein Foto, das er nachdenklich
betrachtete.

 
Sabine klopfe an die Tür. Als Roman hochsah, bemerkte sie
seinen sorgenvollen Ausdruck und wenn sie nicht alles täuschte, hatte er sogar
Tränen in den Augen. "Sabine", schön dich zu sehen. Komm doch
herein" Roman legte das Bild vor sich und stand schnell auf, um Sabine zu
begrüßen.
„Ist das das kleine Mädchen?" Sabine schaute auf das
Foto auf dem Tisch.
"Ja, das ist Anna" Roman war es etwa unangenehm,
dass Sabine ihn so aufgelöst vorfand. Schnell brachte er seine Kleidung in
Ordnung und kämmte sich mit den Fingern durch die Haare. Dadurch brachte er sie
allerdings nur noch mehr in Unordnung.
Sabine sah amüsiert zu. Roman gefiel ihr immer besser.
"Ich habe etwas über Schubert raus gefunden"
begann sie. "Er hat viele Immobilien im In- und Ausland. Fast alle sind
vermietet oder bewohnt. Bis auf eine Villa in der Nähe von Rom. Ich weiß nicht,
ob er sie vielleicht für sich selbst benutzt. Auf jeden Fall steht sie wohl die
meiste Zeit im Jahr leer. Falls Schubert wirklich etwas mit der Entführung zu
tun haben sollte, könnte ich mir die Villa als ideales Versteck
vorstellen."
Roman war sehr froh, sich an Sabine gewandt zu haben. Sie
hatte bessere Quellen als er und konnte solche Informationen viel schneller und
effektiver raus finden.
"Hast du schon zu Mittag gegessen?" wollte Sabine
wissen.
"Ich habe hier in der Nähe ein neues Restaurant
gesehen. Hast Du Lust, mich zu begleiten?" Erwartungsvoll sah sie Roman
an. Der war überrascht über Sabines Einladung. Er hatte nicht vermutet, dass
sie etwas mit ihm zu tun haben wollte. Aber er freute sich über ihren
Vorschlag. So würde er wenigstens ein wenig von seinen Sorgen um Anna
abgelenkt.

 
Als Roman nach dem Restaurantbesuch wieder ins Büro kam,
rief er Jo auf seinem Handy an.
"Wo bist du? Kannst du vorbeikommen? Wir haben etwas
Neues erfahren" teilte er ihm mit.
"Ich bin schon auf dem Weg ins Büro. Ich hab auch was erfahren.
Bis gleich" Jo legte auf.
Als er im Büro eintraf, berichtete Roman ihm, was Sabine
erfahren hatte.
"Das passt zu meiner Geschichte.", sagte Jo
"Ich habe mitbekommen, dass Schubert öfter mal nach Rom fliegt, um dort
Geschäfte zu erledigen, wie es heißt. Ich bin sicher, dass diese Geschäfte mit
Sicherheit nicht sauber sind. Eine Freundin von mir hat sich an den Leibwächter
von Schubert rangemacht. So wie es aussieht, plant Schubert in den nächsten
Tagen einen Besuch in Rom. Vielleicht ist das eine heiße Spur."
"Wir sollten Sophie darüber informieren. Sie braucht jetzt unbedingt etwas
Hoffnung" bemerkte Roman. "Komm, lass uns zu ihr fahren."
Eigentlich hatte Jo keine Lust, Sophie zu begegnen. Er wollte am liebsten
sofort etwa unternehmen, am besten allein. Trotzdem schloss er sich Roman an
und die beiden fuhren zu Sophie.
Als Sophie die Tür öffnete, sah sie sich Roman und Jo gegenüber. Auf ihrem
verweinten Gesicht erschien ein Hoffnungsschimmer. Vielleicht hatten die beiden
eine neue Spur; die Polizei hielt sich sehr bedeckt und gab keine Informationen
weiter. Die Entführer hatten sich auch nicht wieder bei Lisa und Tim gemeldet
oder zumindest hatte man davon Sophie nichts mitgeteilt.
Roman erzählte Sophie und Gudrun was Sabine und Jo raus gefunden
hatten. Er teilte ihr auch mit, dass Sabine der Polizei noch nichts über die
Villa in Rom mitgeteilt hatte. Sie wollte diese Information so lange wie
möglich geheim halten. Sophie war ganz aufregt. Schon als Roman die Villa
erwähnte, wusste sie genau, dass Anna da sein musste. Sie wusste es so sicher,
wie sie ihren Namen wusste. Es konnte gar nicht anders sein! Endlich hatte sie
wieder etwas, woran sie glauben konnte und auf das sie sich konzentrieren
konnte!

"Wir müssen zum Flughafen. Bestimmt geht heut noch eine Maschine nach Rom!
Los kommt, lasst uns fahren!" Sie packte ihre Handtasche und wollte an
Roman und Jo vorbei zur Tür. Bevor ihr das aber gelingen konnte, hielt Jo sie
am Arm fest.
"Stopp, du gehst nirgendwo hin. Wenn hier einer nach
Rom fliegt, dann bin ich das. Du bleibst gefälligst hier, hat du
verstanden?" Jo sprach mit gefährlich ruhiger Stimme auf Sophie ein.
"Lass mich, ich muss zu Anna! Sie braucht mich doch!
Wir müssen doch was tun!" Sophie schrie hysterisch und versuchte Jo`s
Griff zu entkommen. Aber der umfasste nur noch fester mit beiden Händen ihre
Oberarme und schüttelte sie grob.
"Ich will dich nicht dabei haben! Du störst doch nur!
Lass mich das gefälligst allein regeln, ich weiß wenigsten, was ich tue!"
schrie er Sophie an. Sophie schaute ihn mit schmerzverzerrtem Blick an. So
hatte sie Jo noch nie erlebt. Er war gefährlich und konnte richtig böse werden!
Plötzlich hatte sie sogar Angst vor ihm.

 
Roman trat hinter sie. "Jo, lass Sophie los. Du tust
ihr doch weh. Sie hat Recht, wir sollten alle drei nach Rom fliegen. Du allein
kannst doch nichts tun. Ich kann Italienisch und kann mich mit der Polizei
verständigen, falls es nötig ist. Und Sophie muss mit. Wenn Anna da ist, will
sie bestimmt ihr Mutter sehen. Also komm, nun beruhig ich doch erst mal wieder
" mit ruhiger Stimme sprach Roman auf Jo ein.
"Während ihr euch die Köpfe heiß redet, habe ich auf dem Flughafen
angerufen. In zwei Stunden geht eine Maschine nach Rom. Ich habe euch drei
Plätze reservieren lassen und schlage vor, dass ihr jetzt endlich zum Flughafen
fahrt!" Gudrun mischte sich ins Gespräch ein.
Betreten sahen sich die drei an. Gudrun hatte ja Recht, sich
zu streiten brachte wirklich nicht viel, wie mussten jetzt handeln.
Da sie natürlich keine Sachen zum Wechseln dabei hatten -
wer rechnet schon damit in einer Nacht- und Nebelaktion nach Rom zu fliegen -
machten sich die Männer erst mal auf in ihre eigenen Wohnungen. Auch Sophie
packte eine Reisetasche zusammen, auch mit ein paar Sachen für Anna. Die drei
wollten sich dann wieder auf dem Flughafen treffen.


FORTSETZUNG FOLGT ………. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.04.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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