Tilman Frank (+)

Buchvorstellung: Visionen. - An den Ufern der Unendlichkeit -

 

   Teils exotisch, teils erotisch nennt Tilman Frank seine Geschichten. Eine äußerst treffende Beschreibung, der an sich nichts mehr hinzuzufügen wäre, wenn sich seine Schilderungen nicht durch eine kraftvolle und ebenso ansprechende Ausdrucksweise auszeichnen würden.

Ob es um die Beschreibung eines 'Liebesabenteuers', die Stierhatz durch die Straßen Pamplonas oder einen Ausblick in unsere vielleicht gar nicht mehr so ferne Zukunft geht, immer versteht Tilman Frank es, seine LeserInnen mit der Intensität seiner Sprache zu fesseln, uns mitten in die Welt seiner Protagonisten hineinzuversetzen.

Ge-(Er-)lebte Leidenschaft, detailliert ausgearbeitete Szenarien, pure Spannung und interessant geschilderte Erlebnisse wechseln in einem bunten Reigen und lassen schon am Ende einer jeden Geschichte mit großer Neugier den Beginn der nächsten erwarten...

Und noch etwas verbindet alle seine Texte. Es fällt schwer zu entscheiden, ob es sich wirklich nur um Erzählungen handelt oder ob er Erlebnisse beschreibt, die sich genau so oder ähnlich einmal ereignet haben oder bald ereignen werden. Berichtet er tatsächlich von Visionen oder zeigt er uns doch die Realität?



Leseprobe

PAMPLONA


Bleiern und bedrohlich hängen die schwarzgrauen Wolken über den engen, staubigen Straßen. Jetzt, kurz vor dem Sonnenaufgang, scheint die Stadt noch in tiefer Agonie zu liegen. Schlaftrunken blinzeln die Augen zu dem tiefroten Glühen am Horizont; bald schon wird die gnadenlose Sonne die dunklen Wolken vertreiben. Durch die vom Staub getrübten Scheiben des Fensters wirkt die Stadt wie eine düstere Endzeitallegorie aus dem Schaffen Bosch’s.
Hinter mir, in diesem fast dunklen, winzigen Raum, den der Besitzer der billigen Taverne so großsprecherisch als Fremdenappartement bezeichnet hat, vernimmt man das leise Rascheln von irgendwelchen Wesen, die unsichtbar und wie Geister durch das Zwielicht eilen. Und während draußen in den Straßen der Stadt jetzt langsam der neue Tag heraufdämmert, rührt sich unter den schmuddeligen Decken des Bettes noch nichts.
In der Ferne klingen dumpf die großen Trommeln einer der vielen jetzt unentwegt durch die Straßen ziehenden Musikgruppen. Bald schon würde ihr unablässiges Dröhnen wieder das ganze Denken dieser Menschen bestimmen; quirlendes, ausgelassenes Leben flutete vor meinem inneren Auge bereits wieder durch die engen Gassen und der pelzige Geschmack der vergangenen Exzesse auf der Zunge weicht der Erinnerungen an den schweren roten Wein und jenes so scharf gewürzte Fleisch von den in der Arena getöteten Stieren.
Ich wiederstehe der nur kurzen Versuchung, das Mädchen unter den Decken zu wecken und steige vorsichtig in Hose und Stiefel. Leise verlasse ich den Raum und schon scheint die Erinnerung an diese kurze Nacht mit ihr verblaßt, fortgewischt von der Erwartung des nun Kommenden.
Unten, in der vom Zwielicht erfüllten Taverne, fließt der Wein aus den alten Fässern schon wieder oder auch immer noch unablässig in die Gläser und labt den Ermatteten ebenso wie den von frischer Kraft erfüllten.
Stehen dort, im Dämmerlicht, etwa noch die allerletzten Gäste der vergehenden Nacht, oder sind das bereits die allerersten der Zecher dieses vorletzten Tages der großen Fiesta San Fermin, die da mit fanatischem Blick in ihre Gläser starren?
Ich weiß es nicht, werde es wohl auch niemals erfahren. Alles hier in Pamplona ist so seltsam vage, ohne jedwede festen Grenzen und geschriebenen Gesetze in den Tagen und Nächten der großen Fiesta San Fermin.

~ ~ ~

Mit rauher Stimme fordere ich Wein und stürze das erste Glas mit verzweifelter Entschlossenheit hinunter. Brennend rinnt mir der herbe Rote durch die Kehle, während mein Blick an dem großen, von Staub bedecktem Spiegel über der von dem verschüttetem Wein getränkten Theke hängenbleibt, aus dem heraus die Gesichter der frühen Zecher ihre realen Ebenbilder anzustarren scheinen.
Mit dumpfem Erstaunen bemerke ich, daß es zwischen den anderen Gästen und mir kaum einen Unterschied gibt. Diese auf seltsame Art verwahrlost wirkenden Gestalten an der Theke, sie ähneln meinem eigenen Spiegelbild wahrhaft erschreckend.
Unrasiert, mit ramponierten Kleidern behangen, auf denen die Spuren von Wein und Schweiß eine allzu deutliche Sprache sprechen; in den Augen jenen starren Blick der Erschöpfung, klammern sie sich an ihre Gläser und den all zu kurzen Moment der Ruhe in dem dunklen, kühlen Gewölbe der Taverne.
Angewidert schaue ich weg und das ungefragt gereichte nächste Glas spült kaum etwas von diesem schalen Gefühl des Ekels fort, das mich beschleicht.
Irgendwo, ganz tief in mir, schreit ein Fragment des gesunden Menschenverstandes nach Ruhe, nach einer Beendigung dieses irrwitzigen Traumes, der während dieser abstrusen Tage die Realität von Pamplona ist.

~ ~ ~

Mit Urgewalt zerreissen da schrille Trompetenklänge die fast schon unnatürliche Stille der Gaststube; draußen, vor der weit offenen Tür, lärmen Pauken und Schellen; wie gebannt hängen plötzlich die eben noch so abwesenden Blicke der Zecher an der Musikantengruppe, die jetzt dort verharrt.




 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 2005-12-21. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).