Wolfgang Appell

Der Kommandant

Über’m Bahnhof Ami-Flieger kreisen

und drohen der Stadt mit Untergang und Tod.
Menschen hasten zwischen Waggons und Gleisen,

und plündern letzte Büchsen mit Fleisch und Brot.

Keiner von ihnen wird heute mehr verreisen.

Der Krieg erlebt sein letztes Abendrot.

Fünfzigtausend füllen die kleine Stadt,

die der Kommandant zu halten hat.

 

Panzergranaten lärmen immer greller,

und schlagen mit schrillem Pfeifen schrecklich ein.
Nachbarn sitzen dichtgedrängt im Keller,

und wachen die ganze Nacht bei Kerzenschein.
Langsam dämmert Ruhe und es wird heller,

am Burgberg sollen schon die Schwarzen sein.
Feuerpause! Die kleine Stadt liegt still,

die der Kommandant verteidigen will.

 

Hundertzwanzig Mann in ihrem Wahne,

verteidigen wollen sie die volle Stadt.
Eidesbruch, sei eine weiße Fahne!

Der Bürgermeister größte Ängste hat:
“Bitte, lassen sie ab von diesem Plane,

sonst findet eine Katastrophe statt.

Alle Kliniken sind überfüllt.“

Den Kommandant ein tiefes Schweigen hüllt.

 

"Soll ich Eid und Vaterland verneinen,
im zweiten Kriege schon bin ich Soldat?
Doch eine tote Stadt wär’ zu beweinen,

beginge ich nicht ehrenvoll Verrat.
Bomber würden über der Stadt erscheinen,

drum muss ich tun, was nie zuvor ich tat.

Kampflos will ich Erlangen übergeben.

Als Kommandant befehle ich das Leben."

 

Hundert flohen, zwanzig sind geblieben,

fanatisch in ihrem wildem Widerstand.

Sie verlangen den Befehl geschrieben,

verzweifelt unterschreibt der Kommandant.

Derweilen fällt ein Schuss von Hass getrieben,

und Lorleberg stürzt blutend in den Sand.

Langsam färbt sein Ehrenkleid sich rot.

Der junge Leutnant schließlich schießt ihn  tot.

 

Hier versuche ich mich mit meiner ersten Ballade. Es handelt sich um ein Geschehnis in meiner Heimatstadt Erlangen. Als Strophenform wählte ich die italienische Stanza. Ich widme diese Ballade Werner von Lorleberg, dem Stadtkommandanten von Erlangen, der am 16. April 1945 die Stadt kampflos an die Amerikaner übergeben hat.
Wolfgang Appell, Anmerkung zum Gedicht

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