Ingrid Drewing
G E K L O N T
Gestern traf ich meinen Klon ,
wie waren wir erstaunt.
Er lächelte gequält , und schon
hat er mir zugeraunt ,
ich möge mich von dannen schleichen ,
er sei das Original.
Ich dachte nicht daran zu weichen
und blieb bei ihm im Saal.
Ich fragte ihn , was er so mache ,
ob er zufrieden sei.
Zufrieden? Ha , dass er nicht lache ,
es gäb' nur Quälerei .
Zumal , wenn er mich so betrachte ,
gealtert ,faltig sei mein Kinn.
Ich meinte , was er so verachte ,
das zeige meinen Lebenssinn .
" Mag sein" ,sprach er , doch zieh' er's vor
in Form , ganz glatt zu sein ,
von Fuß bis Bauch ,von Brust bis Ohr ,
gentechnisch ginge das recht fein .
Schier faltenlos sei seine Stirn ,
wieso dann meine nicht ?
"Weil ich zum Denken nutz mein Hirn ,
du ignoranter Wicht!"
Verärgert ging ich nun davon ,
ich wollt' ihn nicht mehr sehen,
den aufgemotzten Plastikklon,
in seiner Hülle stehend .
Ich bin doch Ich ,er Nicht-Ich nur ,
was soll das ganze Spiel?
NUR SCHÖN sein will ich nicht die Spur ,
ich hab' ein andres Ziel.
Will leben , lieben , lachen , singen ,
grad ,wie es mir gefällt ,
und pfeif auf Konformismus , Dinge ,
wie sie hofiert die Welt.
Will sein ein Individuum,
kein solches Kunstgebilde ,
das zeitlos puppenhaft befällt
in Serie die Gefilde .
Und ist mein Leben einst zu Ende ,
dann möge das so sein.
Ich reiche meinem Gott die Hände
und hoff' , er holt mich heim .
.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.11.2008.
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