Karl-Heinz Fricke
Die Ungerechte
Rotraut war herrisch und nicht schön,
das Alter war ihr anzusehn.
Falten bedeckten ihr Gesicht,
verdeckten die Altersflecken nicht.
Ihr Joe war schon längst gegangen,
Krankheit hatte ihn umfangen
als er noch keine sechzig war.
Es wurde schlimmer jedes Jahr.
Siebenmal wurd' er operiert,
das hat ihn völlig ruiniert.
Der arme Kerl hatte keine Glück,
jedesmal blieb etwas zurück.
Rotraut schrie ihn jeden Tag an:
"Benimm dich endlich wie ein Mann.
Du lebst und atmest, nur das zählt,
hätte ich doch nur Kurt erwählt !"
Kurt, der war ein Ingenieur,
einstmals kam er vom Osten her
als er schon über vierzig war
und er hatte rötliches Haar.
Lange war er hinter ihr her,
doch kam ihm der Joe in die Quer'.
Sie ließ sich gleich mit diesem ein,
und Kurt ließ gleich das Buhlen sein.
So nahm Rotraut den Joe Langer,
gleich wurde sie von ihm schwanger.
Töchter kamen wie Blüten im Mai,
auch Zwillinge waren dabei.
Als in diese Welt sie kamen,
gab man ihnen Blumennamen.
Seltsam spielt oftmals die Natur,
die Kinder waren Töchter nur.
Den Joe hat sie stets drangsaliert,
sein Weh hat sie nicht interessiert:
"Du simulierst nur", schalt sie ihn,
du gehst noch lange nicht dahin !"
Die Erlösung kam ihm geschwind.
Es trug ihn der Novemberwind
hoch, hoch hinauf vor Petrus' Tür,
der sagte 'Joe, willkommen hier'.
Stumm stand sie an der Ruhestatt,
dass nicht für sie ein Ruhmesblatt.
Zehn Blumen auf dem Grabe stehn,
die Namen der Töchter, alle zehn.
Karl-Heinz Fricke 19.12.2008
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.12.2008.
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