Die Urne

Der liebe Opa war verstorben,
Man hatt` zu Asche ihn verbrannt.
Die Asche kam in eine Urne,
Die lang auf dem Kaminsims stand.

Der große Bruder zeigt der Schwester-
Die Eltern waren grad nicht da-
Was man ihm hatte streng verboten,
„Schau, das war mal der Opapa!“

Das neugierige kleine Mädchen,
Stieß, deckellos, die Urne um,
Der Bruder sah verstreut die Asche:
„Du blöde Gans, das ist zu dumm!“

Was fehlt´, ersetzt´ er durch die Asche,
Die er vom Küchenherde nahm,
Er war gerade damit fertig,
Das Elternpaar nachhause kam...

Sie brachten mit die Tante Friede,
Wollt´ ihren Bruder nochmals sehn
Man zeigte ihr der Urne Inhalt,
Sie weinte, sagte mit Gestöhn:

„Dies bisschen Asche, Eierschalen,
Ist, was der Tod uns übrig lässt,
Wenn eines Tages wir gestorben,
Ein wahrhaft kümmerlicher Rest.

© Heino Suess 02/09