Ana Logie

freigeister

als die flut über die ufer trat
wurden wir behutsam in den schlaf gewogen
wir träumten von den sieben meeren
während der geflutete boden
seltsame gewächse hervorbrachte

wir nannten es orchideen
und bewunderten den schönen vorgarten,
in dem wir uns verbargen,
wenn das papier zerriss

dem mangel an frohsinn gebrach es nie,
denn fröhlich sein konnten andere
und andere konnten nicht wie wir sein
aber konnten wir anders?

im bann unserer eigenen reime
nahm das schicksal seinen lauf
wo jede klimax einer läuterung bedurfte
hätte ein unbedachter
doch nur zufall! oder töricht! gerufen

und doch kommen wir jetzt nicht umhin,
den morast trocken zu legen
zwerge vor die tür zu stellen
und ihnen leben einzuhauchen

was hinter den potemkinschen fassaden
zeitgeistlicher dörfer lauert, hat uns zu sehr verschreckt
um nicht mehr zu glauben
auch wenn die eigene gläubigkeit niemals heiligkeit würde
und zur skepsis oszillierte

von frieden war leider nie die rede
denn die wertigkeiten infamer zeitgenossen
stoßen zu sehr ab
um einer toleranten weltenformel
zufuhr zu verschaffen
wir würden doch lieber als untote
das heraufziehende übel geißeln
als selig lebend die arme auszubreiten

gemächlich geht die welt zu grunde
und wenn wir es besser wüssten,
dann wäre demut keine tugend
sondern ein versteck allgegenwärtiger ängstlichkeit
aber was wissen wir schon besser?

niemand wollte ein langes leben,
wenn er sich zum gespött machte
das können wir so oft sagen
bis uns keiner mehr zuhört
 
wobei wir immer noch nicht wissen,
ob es ein talent ist, tausend tote zu sterben
und im richtigen moment gerade nicht zu schweigen

was außer frage steht
ist also dem überschuss an trotz gewidmet
und selbst wo wir alles anders machen
wiederholt es sich mitunter nur
sollte uns nicht die selbstbezogenheit
der altvorderen warnung genug sein?

wo wir den fluch brechen wollen
wären opfer nötig
und sei es auf dem altar
altehrwürdiger phantasielosigkeit

wenn die überzeugung, recht zu behalten
in rauch aufginge und hoffnung würde,
könnten wir von tag zu tag ohne anmaßung leben
wenn wir lernten zu urteilen
könnten wir unsere verurteilungen
getrost in stücke reißen und ins feuer werfen
und wenn wir uns sich selbst dienender freigeistigkeit entziehen
würden manche rituale
noch zu einem leben,
das den namen verdient

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.03.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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