Stephanie Wehnke

Warten auf ein Ende

 
Ich warte auf ihn wie jeden Tag. Eigentlich weiß ich warum er so spät nach Hause kommt. Wobei ich nicht einmal mehr weiß, ob er diese Stadt, diese Straße, dieses Haus, diese Wohnung und nicht zuletzt mich noch als Zuhause bezeichnet. Er ist wieder bei ihr. Sie muss ein kleiner Engel sein, welcher zarte weise Flügelchen auf dem Rücken hat. Diese müssen ihn so sehr faszinieren, dass er seine gesamte Vergangenheit eingeschlossen mir vergisst. Aber tatsächlich weiß ich nicht wie sie aussieht. Vielleicht ist sie eine blonde Schönheit mit viel zu großen Brüsten, die sich bei jeder Gelegenheit in ihr rotes Minikleid zwängt, um ihre rasierten, tadellosen Beine zu zeigen.
Ich sitze auf einem Stuhl, der einen wunderschönen Bezug hat und sich damit perfekt einfügt. Vor zwei Monaten habe ich ihn gekauft um unsere Wohnungseinrichtung zu vollenden. Ich habe mir dabei so viel Mühe gegeben und bin mir nicht sicher, ob er davon überhaupt irgendetwas wahrgenommen hat. Wahrscheinlich sollte es mir egal sein. Wahrscheinlich sollte ich nun auch nicht weitere zwei Stunden auf ihn warten. Wahrscheinlich sollte ich den alten Koffer aus dem Keller holen und alles darin verstauen, was mir lieb ist.
Aber ich bleibe weiter auf dem Stuhl sitzen und höre dem Ticken der Uhr zu. Mein Gefühl sagt mir, dass das Ticken immer aggressiver wird und mich aus der Wohnung treiben möchte.
Zwei weitere Stunden vergehen und ich bewege mich keinen Millimeter. Meine Gedanken kreisen sich nur um den Engel, der für mich eher einen Teufel darstellt.
Ich werde durch das Öffnen der Garage aus meinem Gedanken gerissen. Was wird er mir heute erzählen? Hat er wieder Überstunden gemacht? Wurde er wieder durch seinen Kollegen aufgehalten? Oder ist heute der Tag, an dem er sich eine neue Ausrede ausgedacht hat?
Er schließt die Türe auf. Dieses Geräusch ist mir so bekannt und vertraut. Er hat ein Lächeln auf den Lippen und erzählt mir, dass er für zwei Wochen nach Berlin muss – eine Geschäftsreise, sagt er. Dabei schaut er mich nicht an sondern geht in das Schlafzimmer und zieht seine beste Kleidung aus dem Schrank.
Ich sitze immer noch auf meinem Stuhl und nehme das Telefonbuch zur Hand. S wie Schlüsseldienst. Er ist mittlerweile im Bad .Ich wähle die Nummer und es dauert eine Weile bis ich am anderen Ende einen Stimme höre, mit der ich für den nächsten Tag einen Termin vereinbare.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.04.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Mit dem Schreiben und Dichten, ist das so eine Sache.So war ich oft der Meinung, nur lyrisch Schreiben zu können, falls ich mich in einem annähernd, seelischen Gleichgewicht befände, erkannte aber bald die Unrichtigkeit dieser Hypothese.Wichtig allein, war der Mut des Eintauchens.Das Eins werden mit dem kollektiven Fluss des Ganzen. Meine Gedanken, zärtlich zu Papier gebrachten Gefühle,schöpfte ich stets aus diesem Fluss.

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