Klaus Lutz

Arztbesuche 8 (trilogie)

Der Arztbesuch 33

Etwas rüttelt etrwas an mir. Ich werde wach. Ein Wärter
steht vor mir. Und drei Ärzte befinden sich im Raum. Ich
sehe sie an. Ich werde wach. Ich sehe diesen Körper. Neh-
me diesen Geruch war. Alles ist voller Kot. Voller Urin. Vol-
ler Eiter. Voller Blut! Grün, gelblicher flüssigkeit. Voller Aus-
scheidungen! Von allem unerdenklichen. Die Phantasie über-
steigenden Absonderungen. Ich habe geträumt! Ich bin aus
einem Traum erwacht. Fünf andere Wärter treten hinzu.
Die Ärzte verlassen, den Kopf schüttelnd den Raum. Ich
werde Wort und Sprachlos in den Rollstuhl verfrachtet. Und
in den Desinfektionsraum geschoben. Der Tag hat begonnen.
Das Leben so wie es ist. Ich werde Abgespritzt. Fett! Fett!
Fett! Masse! Masse! Masse! Nur Körper! Nur Körper! Nur
Körper! Schmerzen! Infektionen! Wunden! Und Augen die
mich anstarren. Bürsten, die an meinem Körper schrubben. Er-
schrecken im ganzen Raum. Wortlosigkeit! Schweigen mit
all ihrer Urgewalt. Die alles Wissen verloren hat. Schweigen,
das an nichts mehr glaubt. Schweigen, das flüchten will. Schwei-
gen, das ohne Denken ist. Schweigen, das alles verloren hat.
Eiterbeulen die unter dem Bürsten aufplatzen. Flüssigkeiten die
sich ergiessen. In Massen und Grössen, die unglaublich sind.
Von etwas das nur noch Körper ist und Masse. Und alles zu er-
sticken und zu erdrücken droht. Behandelt von Menschen
mit Helmen und in Schutzanzügen. Durch die nur ein Zittern zu
spüren ist. Das Zittern der puren Angst. So als hätten sie einen
Kontinent betreten. Auf dem Jahrtausende und Jahrtausende alle
Übel der Menschheit geflüchtet wären. Auf dem es nie Sonne
gab. Auf dem es nie Licht gab. Der nie etwas besseres gesehen
hat. Nie etwas besseres sehen wird. Und der nur einen Wunsch
kennt. Von allen die ihn betreten. Ihn wieder zu verlassen. So
schnell wie auch immmer möglich. Und Ihn zu meiden, wenn immer
möglich.

All das ist Zerfall. Hinter all dem kann es nichts ge
ben. Darf es nichts geben. Wird es nichts geben. Was
auch nur den Anschein eines Menschen besitzt. Oder was
auch immer ein Mensch sein könnte. Es ist ohne alles.
Es ist nichts! Nichts! Nichts! Diese Masse an Körper
ist anders! Diese Masse an Fleisch ist anders: "Ist
dieses Denken!" Und ist damit allein. Und sie weiß es.
Damit bleibt sie allein. Hin und wieder. In den be-
sten Sekunden steht sie damit vor Gott. Hin und wie-
der in den besten Sekunden, sieht Sie damit das Leben.
Aber es bleibt allein. Dem ausgesetzt was kein Mensch
begreift. Was kein Mensch begreifen will. Das es hin-
ter all dem eine Seele gibt. Das es hinter all dem
etwas anderes gibt. Das hinter all dem ein Mensch ist.
Diese Seele bleibt allein. Sie ist vor den Menschen
verloren. Denn das Interessse der Menschen ist an ihr
verloren gegangen. Und so wíe dieses Interesse verlo-
ren gegangen ist. So wird sie all dem ausgesetzt sein
was für Menschen ohne Interessse ist. Als wenn ihre
zerstörung nicht groß genug wäre, werden sie sie
weiter zerstören. Weiter all ihre Krankheiten auf sie
laden. Endlos. Es gibt keine Befreiung. Nicht für
diese Seele. nicht für diesen Menschen. Sie wünscht
sich nur eins. Die Träume so süß wie in dieser Nacht.
Und sie wünscht sich diese Träume immer mehr. Und
sie weiß, es gibt nur noch eine Erlösung. Und das sind
diese Träume. Und in den Sekunden der Klarheit bittet
se Gott! Bittet sie ihn, mit all ihrem Glauben. Mit
all dem was ihr an Liebe geblieben ist. Ihr diese Träu-
me zu schenken für immer und ewig. Bittet sie ihn
diese Welt verlassen zu dürfen. Um in seiner Welt
leben zu dürfen. In der Welt der Träume. Sie will
eins immer mehr und mehr! Sie will nur noch träumen.
Denn sie ahnt es, diese Seele. Alles andere hat sie
verloren. Sie ist zerstört. Es ist nichts mehr da.

Der Arztbesuch 34

Ich bin gerade auf gewacht. Habe einen Tee getrunken
und weiß nicht weiter. Ich weiß mit nichts weiter. Ich
sitze an diesem Tisch. Und überlege, was die letzten 10
Tage in dieser Anstalt gelaufen ist. Und ich sehe wie
das alles eine gewisse Normalität annimmt. Es wird für
mich normal, was ich hier erfahre. Die Behandlungen
am Morgen. Die drei Mahlzeiten am Tag. Das Schwei-
gen. Das allein Sein. Der Computer. Und all das, was
ich da hineintippe. All das, was ich versuche zu ver-
stehen. Was hier geschieht. Was mit mir geschieht.
Das Leben und was so übehaupt mit Ihm geschieht.
Es nimmt alles Normalität an. Oder es wird alles Nor-
mal. Und das ist dann das Leben. Kann sein, es ist et-
was ganz anderes, das Leben! Aber, am Ende ist es
das abfinden damit, was für uns Normal ist. Was der
Alltag für uns ist. So abnormal der auch sein mag. In
dieser Anstalt, ist es die Pest der Welt, die hier ver-
sammelt ist. Das ist hier das Leben. Das, was hier
Normal ist! In der Welt da draußen, ist es eine ande-
re Pest. Es ist die Pest der Gleichgültigkeit. Des
hinnehmens von Zerstörung. Von all dem, was die-
ser Welt das Leben nimmt. So wie mir all diese
Geschwulste, Eiterbeulen, Ekzeme und dieser Kör-
per mit all seinen Massen an Fett, das Leben neh-
men. Irgendwann gibt es eine Normalität. Das, was
für uns da Leben ist. Und, wenn es Krankheit ist.
Dann ist es Krankheit. Wenn es Gleichgültigkeit ist,
dann ist es Gleichgültigkeit. Wenn der Mensch alle
Liebe und all seine Empfinungen verloren hat.
Dann, ist das die Normalität: "Ein Leben und eine
Welt ohne Empfingungen und ohne Liebe.

Ich beobachte den Wachmann vor meiner Tür. Mit
Uniform! Mit Mp! Und immer so platziert, das er
mich sehen kann. Das er meine Zelle sehen kann.
Das, mit dem ich mich gerade beschäftige. All die
Keime, Parasiten und Infektionen, die diesen Kör-
per heimgesucht haben. All das ist gefährlich. Und
ich bin zu recht hier. In Quarantäne! Und vor dem
Rest der Menschheit geschützt. Aber eins ist mir
in den letzten 10 Tagen klar geworden. Die Nor-
malität dieser Welt. Das, was das normale Leben ist.
All das ist gefährlicher, als all die Krankheiten von
mir. Menschen die alles an Empfindungen verloren
haben. Menschen, die ihre Liebe verloren haben.
Menschen denen alles gleichgültig ist. Diese
Menschen sind gefährlicher, als alle Bakterien
dieser Welt. Denn gegen Bakterien gibt es Medika-
mente. Alle Krankheiten, die Bakterien verursach-
en, können geheilt werden. Aber gegen Gleich-
gültigkeit gibt es nichts. Sie kann nicht geheilt wer-
den. An Ihr stirbt nicht nur ein Körper Mit Ihr
stirbt die Welt. Wie gesagt: "Die Aufregungen der
ersten Tage hat sich gelegt. So Wortlos, wie das
hier alles geschieht. So Wortlos, lasse ich das hier
alles über mich ergehen. Dabei finde und ent-
decke ich das Leben neu.

Es ist 8:00. In zwei Stunden wird die Sonne in
den Raum scheinen. Im Flur höre ich Geräusche.
Keine Stimmen. Aber ich weiß, es ist Jemand
da. Und wenn in zwei Stunden die Sonne durch
das Fenster scheint. Dann weiß ich auch, ich
bin nicht allein. Ich werde das alles hier jetzt neu
sehen. Klar sehen. Ich will in Wahrheit das gan-
ze Leben von mir neu sehen. Ich will das ganze
Leben von mir klar sehen. Und dafür werde ich
diese Zeit hier nutzen. Ich werde das alles durch-
dachter angehen. Nicht mit Plan, das paßt nicht
zu mir. Und auch nicht mit System, das paßt auch
nicht zu mir. Ich finde Systeme sind schrecklich.
Sie passen in die Wissenschaft. Aber nicht ins
Leben. Ein leben mit System zu leben. Der Ge-
danke läßt mich wahnsinnig werden. Das Leben:
"Ich weiß alles was geschieht. Was auf mich zu-
kommt für Jahre!" Das Leben mit System. Das ist
Normalität. Und wie gesagt: "Kränker als dieser
Körper, mit all seinen Leiden!" In zwei Stunden
kommt die Sonne. In zwei Stunden kommt meine
Freundin. Ich werde ihr erzählen. Wie sehr ich
sie liebe. Wie sehr ich sie immer geliebt habe.
Und das ich das Licht immer mehr lieben werde.
Aber, ich werde auch still stehen. Und mir dieses
Leben ansehen. Aber, wenn meine Freundin auch
erst in zwei Stunden kommt. Schon jetzt werde
ich mit der Liebe neu anfangen. Meine Freundin,
wird einen anderen Menschen finden. Einen Men-
schen, für den sie immer da war. Aber dem Eins
bewußt geworden ist, wie sehr er sie liebt. Und
ich werde ihr mein Leben neu erzählen. Ich werde
ihr diese Liebe zeigen.

Der Arztbesuch 35

Ohne jede Kraft. Von 25 Injektionen und 40 Tablet-
ten geschwächt. Und einem Märtyrium das noch auf
mich wartet, versuche ich einige Gedanken zu for-
mulieren. Mit dem Wissen, dies kann nur Scheitern.
Mit dem Wissen, das ich Scheitern werde, sitze ich
hier. An diesem Pc. Aber auch mit dem Wissen, was
diese Welt ist. Ein verrückter Ort. Der alle mög-
lichkeiten bietet,etwas wirklich zu verstehen.
Etwas wirklich zu begreifen. Der jedem Menschen
die Chance zur Erleuchtung bietet. Zum wahren Glück.
Zum wahren Leben. Der jedem Menschen, das Tor zum Pa-
radies zeigt. An dem jeder Mensch vorbei geht. Mit
denm Wissen sitze ich hier. Das auch ich, an diesem
Tor vorbei gegangen bin. Das auch ich, zu den Mil-
liarden von Gescheiterten gehöre. Die die Wahrheit
suchen, aber nicht ihre Kraft nehmen, um die Wahr-
heit zu leben. Und damit durch dieses Tor gehen.
Mit dem die Welt ein Paradies wäre. Zu spät habe
ich erkannt, das nur Menschlichkeit zählt. Nur die
Liebe, mit der ich das Leben umarme. Mit letzter
Kraft. Mit einem letzten Funken an Leben sitze ich
hier. Ausgepeitscht von endlosen Qualen, die ich
mir zugefügt habe. Von 250 Kilogramm, die dieser
Körper hat und die ihn töten. Bis zu den Exzessen
die ich gelebt habe. Ich war ein Narr. Und ich
will kein Narr mehr sein. Ich will ein Mensch sein.
Wenn ich diese Anstalt je wieder verlassen sollte,
dann will ich sie als Mensch verlassen. Ich will
in die Welt treten. Und ich will neu in die Welt
treten! Ich will als Mensch in die Welt treten.
Ich will lieben, lieben, lieben! Ich will alles
vergessen was war. Und ich will lieben. Es wird
gleichgültig sein, was immer mein Leben ist. Was
immer meine Tätigkeit ist. Und wie immer diese Men-
schen mich sehen. Mit Verachtung als Ausgestosse-
ner! Ich werde Lieben! Das wird sie sein, meine
Antwort. Die Antwort eines Zerstörten. Der mit
letzter Kraft hier sitzt. Der den Blick auf diese
Sonne gerichtet hat, die in den Raum scheint. Der
den Blick auf das Licht gerichtet hat. Der den
Blick der Erkenntnis gefunden hat. Der die Antwort,
auf dieses Leben gefunden hat. Der die Menschlich-
keit neu entdeckt hat. Der seine Antwort für das
Leben gefunden hat. Jahre und Jahre so entfernt
vom Leben. Mit Reisen! Mit Suchen! Mit 1000 Diskus-
sionen und Gedanken, was der Sinn des Lebens ist.
Hat er ihn nun vor seinen Füssen gefunden. Da, wo
er immer war: "So nahe!" Immer bei Ihm. Er war im-
mer Liebe. Er war immer Menschlichkeit. Liebe dann
bleibst Du ein Mensch. Liebe dann bleibt die Welt
Liebe dann bleibt das Leben! Liebe! Liebe!
Liebe! Er schreibt es in diesen Computer, als
schreie er es in die Welt. Als rede er zu allem was
verloren, verlassen und verstoßen, wie er ist. Er
sagt ihnen allen: "Liebe! Liebe! Liebe!" Es gibt
nichts anderes. Es gibt keine andere Antwort.
Völlig gleich, wie sehr diese Welt Dich auch ge-
quält hat. Völlig gleich, wie groß auch deine Feh-
ler waren. Völlig gleich, was Du von Dir denkst!
Wie klein und nichtig du Dich fühlst. Völlig
gleich wie groß Du Dich auch fühlst. Wie un-
verletzbar und allmächtig. Du bist und bleibst
ein Mensch, wer immer Du auch bist. Und
du bist und bleibst das einzige was einem
Mensch am Ende bleibt: "Die Liebe! Die Liebe!
Die Liebe!"

 

Bei dem Ganzen, mit diesen Arzbe-
suchen zeigt sich mir es. Ich ha-
be nie konsequent was betrieben. Al-
so, von den letzten 16 Monaten ab-
gesehen. Aber auch da habe ich nie
ein Thema voll ausgearbeitet. Also
etwas, für das eine Linie nötig
ist. Ein klares Denken. Also einen
klaren Weg. Ein Thema durchziehen.
So dass Form und Richtung stimmen.
So langsam funktioniert es. Oder
es begint zu arbeiten. Ich denke,
so rein Hirnorganisch ist das auch
so, dass sich da zuerst was entwick-
eln muß. Es ist wie das Lernen von
etwas. Es beginnt mit dem Ersten, mit
dem einfachsten Schritt. Und nimmt
dann form an. Also es ist auch Ar-
beit. Und das ist es bei mir. Das ist
neu für mich. Selbst in 30 Jahren wo
ich jetzt schreibe, habe ich nur ge-
spielt. Das Leben beschäftigt mich.
Es beschäftigt mich sehr. Das ist
das, mit dem mir was gelungen ist.
Mit dem ich immer Ideen hatte. Aber
die Arzbesuche sind gut, um alle De-
fizite auszugleichen. Oder besser
gesagt, um die Sprache kennen zu
lernen. Was ist möglich? Dabei ist
bei mir auch die Sache die. Was ist
ein Gedicht? Alles was stimmt und
schön ist. Ich bin da sehr gross-
zügig. Ich lege mich da nie fest.
So lange, das der Fall ist, werde
ich auch immer wieder vom Leben
überrascht. Deswegen stelle ich
die auch unter Gedichte. Aber das
Ganze ist ein gutes Thema. Es ist
neu. Es ist spannend. Und der
Schein und das Sein des Lebens läßt
sich damit perfekt wieder geben.
lg klaus!
Klaus Lutz, Anmerkung zum Gedicht

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.08.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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