Ars Somniandi
Frühlingsdurchwobener Herbst
- Ein Terzinengedicht -
An einem Morgen verbarg des Nebels Grau
Die Sicht auf die grünen Kronen der Bäume
Umhüllter Natur in mattseidenem Tau
Säuselnd zog der Wind über lose Zäune
Rauschte vorbei an einem tanzenden Kind
Glühender Phantasie wie tausend Träume
Ein tiefroter Drachen schwebt mehr als geschwind
Heraus aus des dichten Nebels Bruderschaft
In den blauen Horizont nahe der Lind'
Die Blätter ihres Kleides trinken die Kraft
Der Sonne die keimend nun in diesen schlägt
Überlegt beflissen als puren Lebenssaft
Fließenden Wegs er sich um das Grünen hegt
Und glitzernd getaucht als harmonischer Clou
Wasser des Lebens atmet welches ihn pflegt
Leis' klingende Töne süßer Himmelsruh
Sind's die der verführten Seele betörend
Balsamgleich flüstern schwingende Düfte zu
Verzaubernden Wesens diese nun schwörend
Durchdringen die Welten sehnsücht'ger Stille
Im stummen Funkeln zur Ferne gehörend
Auf daß entfaltet sich göttlicher Wille!
© Ars Somniandi
Vorheriger TitelNächster TitelBei der Terzine handelt es sich um eine dreizeilige Strophe, in der -vielleicht noch am bekanntesten- Dante seine göttliche Komödie dichtete und deren äußere Zeilen miteinander reimen, während die Mittelzeile jeweils den Reim für die folgende Terzine anschlägt. Sie wurde durch Paul Melissus (1572) zuerst, aber nur ganz vereinzelt, ins Deutsche eingeführt; die Opitzianer [vgl. Martin Opitz] nahmen diese Form nicht an, so daß sie erst am Ende des 18. Jahrhunderts bekannter wurde. Sie ist -meistens- im jambischen Versmaß gehalten und kann betont ("männlich") oder unbetont ("weiblich") endend gereimt werden, so daß sich entweder 10 (betont) oder 11 (unbetont) Silben je Zeile ergeben (müssen). In der letzten Strophe wird zum Abschluss des Reimschemas noch mal die 2. Zeile (dieser) aufgegriffen und entweder als 4. Zeile angefügt oder als einzeln stehende Zeile geschrieben. Und schon ist die Terzine fertig! ;-) Ich kann nur sagen, daß es Spaß macht, hier zu experimentieren …
Im hier vorliegenden 1. Versuch habe ich das Spiel mit den Terzinen noch mit einer Reihe von Metaphern angereichert, so daß –scheinbar– eine gewisse Hermeneutik entsteht und es daher vielleicht etwas ungewohnt sein könnte, es für sich zu rezipieren. [Anm: Hermeneutik kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Auslegekunst“ bzw. „Deutung“) Da es aber kaum explizite Intentionen in meinen Werken gibt und diese auch von mir nicht gewollt wären, ist dies alles auch nur ein Spiel mit dem Leser, dem man quasi etwas aus seiner Gedankenwelt (bildlich) zeigt, was er vielleicht wiedererkennt oder wie auch immer für sich sieht bzw. verarbeitet. In diesem Sinne, Versuche sind dafür da, daß man sich versucht ;-) Ich möchte einfach nur zum Ausdruck bringen, daß meine Sichtweise –der auch unbewusst ablaufenden Prozesse beim Dichten– nicht die einzige ist, die man „erkennen“ kann. Dies ist für mich ein Wesensmerkmal von LYRIK; daß man (unendlich) viele Deutungen haben kann und soll.Ars Somniandi, Anmerkung zum Gedicht
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.09.2009.
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