Christina Thomas
Spiegelbild
Ich wandelte ganz still
Zum klaren Quell geborgen,
Weil es der Brauch so will
Am Ostersonntagsmorgen.
Auf's ruh'ge Wasser fiel mein Blick,
In den Spiegel klar und kalt,
Da durchzuckte mich Panick
- Von dämonischer Gestalt.
Mein Antlitz, furchtbar schien's entstellt
So wie es grad noch schön gewesen,
Mein Haar zu grau und weiß erhellt,
Mein Körper schien schon zu verwesen.
Die Hand schnellt hoch in mein Gesicht,
Doch alles fühlt sich an wie immer.
Auch gleicht sie der im Wasser nicht,
Doch macht's das besser oder schlimmer?
Voll Abscheu heb ich meine Augen,
Nur kriege ich den Kopf nicht frei
- Als würde alles nichts mehr taugen,
Was irgendwie vergänglich sei.
Der Baum, der raschelt´ hier mit Laub,
Wird vor mir plötzlich karg und schwarz.
Das Vögelchen drauf stumm und taub,
Fällt zu sinken in des Baumes Harz.
Schlecht wird gut und gut wird schlecht:
Jugend, Leben - alt, krank, tot!
Glück und Liebe - ungerecht!
Belanglos wird jedes Gebot.
Und dann kehrt meine Ruh´ zurück,
Doch wird die Welt niemehr die Gleiche.
Zwar geh'n die Bilder Stück für Stück,
Doch umgestellt wurd´ meine Weiche.
Das Kreuz mit Kette reiß ich mir
Vom Hals und es fällt in die Senke.
Ein Gott gab grade mir dafür
Ein unersetzbares Geschenke.
Denn alles, was mir nun begegnet,
Ich wohl mit ander'n Augen seh´.
Bin ich verflucht oder gesegnet?
Das Zweite denke ich da je.
Denn Wertschätzung lehrt diese Gabe;
Ich schätze sie darum so mehr.
Will tragen stolz sie bis ins Grabe,
Das ich seh´ jetzt schon kommen näh'r.
© Huorfern 30.08.2009
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.09.2009.
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