August Sonnenfisch
November in Berlin
Wer jetzt ohne Mantel nach draußen
sich begibt, der wird
vom November
eines Besseren belehrt!
Des nachts herrscht
nunmehr Väterchen Frost!
Und wenn ich am heiligen Sonntag nach
dem Mittagsgeläut aus
meinem Federn mich erhebe -
nicht lange hin,
dann wird es finster!
Das Sonnengestirn flieht uns
um Vier!
Bedürfnisse nach Zeitlosigkeit und
Müßiggang ich spüre
in diesen Tagen! Jede
unnütze Aktivität ist mir zuwider!
Der Kalender ruft uns
denn auch zu
"Volkstrauertag", zu "Bußtag"
und "Totensonntag"!
Alles Laub ist gefallen.
Tagtäglich wächst
die anscheinend allmächtige Nacht.
In meiner Stube leuchtet
eine Kette von
dreiunddreißig Lichtern!
Dreiunddreißig,
das Lebensalter des Christus.
Der November bietet sich als eine
Vorübung fürs Alter:
in diesem Monat war ich
schon immer bejahrt!
Durchherbstelt und still sitzen
die Menschen jetzt
in Teestuben und Cafés,
Schutz beieinander suchend und
Vertrautheit miteinander!
Doch ebenso fraglos wie gnadenlos
erheischen Gott Mammon
und die Ökonomie
auch im November olympische Leistung:
volles Pensum,
selbst für die Kinder -
als wäre es Sommer!
So etwas Jeckes!
Zusätzlich nötigt dann der
Weihnachtstaumel
manch unnötiges Geschenk
in die Häuser
der Erschöpften!
*
Statt einer Verlangsamung und Einkehr,
leben wir eine Vergeudung
unserer Kräfte
im Außen: so
verschleudern wir diese Geschenke
des November!
Allein den Arbeitslosen
sind sie vergönnt
und den Alten,
den Kurzarbeitern und Kranken.
Und sicherlich
auch den Dichtern.
Doch wohin auch immer
wir Menschen
uns neigen: Der
November regiert in Europas Mitte!
Damit wir unser Selbst
wieder fänden:
das Geisteslicht in unseren Herzen!
(c) August Sonnenfisch, Berlin, 18. November 1993 ff
In Berlin im Norden Deutschlands sind
die herbstlich-winterlichen Nachtbögen
länger und tiefreichender als im Süden unseres Landes.
Den Ausgleich dafür schenken
der Frühling und der Sommer.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.11.2009.
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