Jürgen Berndt-Lüders
Der alte Hagestolz
Meine Antwort auf Gabriela Erbers „Lieber Jürgen Denkfix“
Zeit seines Lebens gabs für ihn
nur eine Männlichkeits-Doktrin:
Solange er als Mann noch „kann“,
solange ist er auch noch Mann.
Ist erst die Libido dahin,
verliert das Leben seinen Sinn.
Dann stellt der Körper sich – wie dumm –
auf Oma und auf Opa um.
Nicht, weil’s ihm nur um sowas ginge,
um Sex; es gibt auch andre Dinge,
doch macht sich’s daran manifest,
ob dich die Kraft wohl bald verlässt.
Die Ehefrau war nun im Grab,
woraus sich späterhin ergab,
dass er, um nicht allein zu sein
ein neues Frauchen wollte frei’n.
Sein Auge war auf Junge wild.
Es liebte das Erscheinungsbild
der Jungen, die Spontaneität.
War es dafür vielleicht zu spät?
Sein Kopf war scharf auf Intellekt,
den man bei Älteren entdeckt.
Denn eins war ihm schon immer klar:
das Diskutieren „öfter“ war.
Auch sagte ihm rasch der Verstand:
Ein Mann hat sich sehr schnell verrannt
bei seiner Gier nach jungen Dingern
sollte sich die Potenz verringern.
So traf er sich mit netten Damen
die aus dem Rentenalter kamen
und gab sich keusch, und gab sich züchtig
um irgendwann erneut so richtig
romantisch und bei Candlelight,
zu essen, um dann blitzgescheit
die Liebesglocken einzuläuten.
Wie früher bei den andren Bräuten.
Die Atmosphäre war gepflegt,
der Kuschelrock war aufgelegt,
sie tanzten eng, sie küssten sich.
Er dachte: jetzt wirds Zeit für mich.
Ihr Lachen klang unendlich froh,
sein Händchen lag auf ihrem Po,
er zog sie grad zu sich heran
als sie zu lamentiern begann:
„ Schau dich doch einmal bei dir um,
die Gläser stehen noch herum,
die Teller, und die leeren Flaschen.
Wir sollten wirklich erst abwaschen.“
Sie spült nun und er trocknet ab.
Nun fühlt er sich unendlich schlapp.
Das Leben scheint vorbei zu sein.
Die Tradition zieht wieder ein.
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Und die Moral von der Geschicht:
Du kannst aus deiner Rolle nicht.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.01.2010.
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