Ehrliche Nachrufe?

Am Ende des Lebens steht immer der Tod.
Nachrufe werden dann großmündig gestaltet.
Wie etwa: Er starb an sich ganz ohne Not,
doch ließ es ihn trotzdem geölt erkalten.

Sie war die Neugier stets in Person.
Sie wusste alles immer zu erfahren.
Der Tod ist nun ihr ehrlicher Lohn,
zur Hölle ist sie nun voraus gefahren.

Als Chef war er ein räudiger Halunke.
Der Teufel hat ihn nun zu sich genommen.
Nach seinem Höllenwillkommenstrunke,
da wurde ihm auf einmal angstbeklommen.

In der Politik war er eine große Niete.
Hielt überall die Hand auf nur für sich.
Nun wohnt er in der Hölle zur Untermiete.
Sein Gebaren ist nicht mehr königlich.

Endlich ist mein lieber Mann gestorben.
Von nun an lebe ich freudig auf.
Der Teufel hat ihn für sich angeworben.
Schuld war sein sehr gutes Krankheitsbild.

Sie war mir stets die allerbeste Gattin.
Hat mich genervt das ganze Leben.
Als typische emanzipierte Frauenrechtlerin,
konnte sie keinem Mann etwas vergeben.

Er dichtete so ganz und gar unverfroren.
Er hielt auch nie das Versmaß ein.
Jetzt hat er noch sein Leben verloren.
Nun kehrt hier endlich wieder Ruhe ein.

In allen Nachrufen wird nichts davon stehen.
Die Ehrlichkeit hier macht sich nicht bezahlt.
Man erregte damit nur sehr starkes Aufsehen.
Besser wenn der Stern des Verstorbenen strahlt.

18.04.2010     Norbert Wittke
(Gedicht 900, den vorletzten Vers wünsche ich mir als Nachruf)