Paul Rudolf Uhl
AUFSCHREI - Gedanken eines Autors
Wenn ich dichte, erlebe ich, dass ich die erste
Fassung in Hast und Eile hinschreibe, gedrängt vom Wollen, etwas darzustellen.
Und froh darüber, dass Reim und Rhythmus stimmen oder wenigstens nahezu gelungen
sind, freue ich mich und empfinde Genugtuung !
Dann drucke ich es, zeige es meiner Frau. Sie ist
lieb und freut sich mit mir, lobt mich.
Und wieder lese ich es und plötzlich stört mich die
vierte Zeile und ich ändere und streiche, ständig fürchtend, etwas wesentliches
zu verlieren... Dann sehe ich, dass an einigen Stellen andere, bessere Worte
eingefügt werden müssen und dass die Interpunktion nicht gut ist.
Und ich ändere und ändere – immer nur geringfügig, wie ein Blumenmädchen einen einmal gebundenen Strauß noch zupft und dreht, hier noch ein Blatt abreißt und dort einen Stengel dreht, damit es ein Gesicht bekommt. Oder auch eine ganze Blume wegläßt, die nicht in die Harmonie paßt oder die an dieser Stelle stören würde... so streiche ich auch mal eine Zeile oder eine ganze Strophe. - Ist es jetzt gut?
Gottftried
Benn hat einmal geschrieben, ein Dichter
könnte in seinem Leben nur sechs
„vollkommene“ Gedichte machen. Der Grund sei, dass ein Gedicht in seinem
Entstehen etwas ganz Eindeutiges ist: eine Entladung, ein Ruf, ein Aufschrei,
ein Seufzer, eine Gebärde, eine Reaktion der erlebenden Seele, mit der sie sich
einer Wallung, eines Erlebnisses zu erwehren oder ihrer bewußt zu werden sucht.
In dieser ersten, ursprünglichen Fassung ist ein Gedicht überhaupt noch nicht
zu beurteilen. Es spricht ja zunächst
lediglich zum Dichter selbst, ist sein Aufatmen, sein Schrei, sein Traum, sein
Lächeln, sein Um-sichschlagen....
Ich kann Benns Begründung so nicht unbedingt nach-vollziehen!
Hermann Hesse äußerte, dass das Lesen schlechter Gedichte ein überaus kurzfristiger Genuß sei,
von dem man schnell genug habe. Kann
nicht jedermann schlechte Gedichte machen? Man tue es einfach und man werde
sehen, dass das Machen schlechter Gedichte noch viel beglückender ist, als sogar das Lesen der allerschönsten Verse...
Und es geht mir auch so, dass mir ältere Gedichte, die ich bisher für gelungen hielt, nicht mehr gefallen, mir unwert werden oder künstlich vorkommen... Dennoch ändere ich solche nicht mehr, sie sind wie eine Furche, eine Spur, die ich in jener Lebensphase hinterlassen habe. Sie zu ändern, käme mir vor wie das Fälschen von Geschichtsdaten...
Betroffen sehe ich rückblickend auch, dass viele
meiner Gedichte kritisch sind, auf einen Mißstand hinweisen – dabei will ich
gar nicht der Mahner, der Rufer in der Wüste sein, möchte so gerne romantische
Verse schmieden, die Schönheit der Welt zeigen....
So muß ich hoffen, dass meine Verse meinen Lesern
gefallen, selbst wenn mir ein paar davon heute selbst schon schal geworden
sind. Vielleicht hat ein Dichter wirklich eine Sendung, muß genau so schreiben,
wie er gerade empfindet, muß darstellen, was änderungsbedürftig ist?
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.07.2010.
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