Ingrid Lehmann
Stadtbilder I & II +
Text 1
Vexierbild
Wo war sein Gesicht?
Unmöglich selbst für das Licht,
das flimmernd die Mauern aufbrach,
seine Augen zu ertasten.
Den Kragen hochgestellt
wie ein Schiff,
Hutkrempe schief und so tief
es ging,
die Hände in Taschen gefesselt:
So sah ihn keiner keiner
außer mir und ER keinen:
Den Saufbold nicht,
der die Tauben lockte
am Straßenrand (leer bliebe
seine Hand ohnehin)
die triumphierende Alte nicht,
die auf schrillender Stimme,
Letzten wohl,
was sich verkaufen ließ,
Schlagzeilen wie Trophäen
in den feindlichen Lärm hielt,
Ihm entging die Hast,
die ausbrach,
wenn der dunkelhäutige Fremde,
DU-lächelnd und drängend,
bummelnde Passanten einfing
mit sanftem Akzent,
von Folter und Widerstand
und leider auch Spenden sprach...
Sag, wo war dein Gesicht?
Aufrecht wie wandelnder Spuk
mit klaffender Höhle
zwischen Kragen und Hut
ragst du aus dem tausend-
gesichtigen Leben der Stadt.
Zufällig kenne ich dich:
Du wohnst in einem Schuppen
der arrogantesten Zucht.
Im ummauerten Garten zerplatzt
der Sommer als leuchtende Frucht
dir zum Privatergnügen.
Doch bei Nacht
kasteien die alten Bäume sich
aus Gram über
die Käuflichkeit ihrer Pracht.
Du schläfst
Hörst nicht ihren leisen,
wehmütigen Fluch....
*
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.07.2010.
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