Jürgen Berndt-Lüders
Der 3. Oktober. Deutschland, einig Vaterland.
Ich weiß es noch, als sei sie gestern geschehen,
die Nacht auf dem Steg dort am herbstlichen See.
Für mich aus dem Westen war es klar zu sehen,
die rasche Vereinigung war nicht okay.
Das Feuerwerk aus allen restlichen Krachern,
von Neujahr noch übrig, sie schossen es ab.
Die DM war da. Ich war nicht bei den Lachern,
weil’s aus meiner Sicht was zum Lachen kaum gab.
„Ihr freut Euch, ihr glaubt, nun mit DM zu kaufen
was man für die Ostmark kaum jemals bekam.
Ihr werdet noch weinend zum Arbeitsamt laufen,
wenn man Euch die Arbeit und Sicherheit nahm.
Schon jetzt stürmen Massen Vertreter die Orte,
verkaufen geschickt, was Profit bringt und Geld,
Denkt später mal an meine warnenden Worte.
Ihr kennt doch noch gar nicht die westliche Welt.
- Wir selbst sind immun, denn nur das, was wir sehen,
doch Euch wird es wie jenen Kindern geschehen,
die alles, was Spaß macht, erst mal ausprobieren.“
Sie sahen mich an, voller Mitleid und Hohn,
sie glaubten mir nicht; man nahm mich nicht für voll.
Sie glaubten an’s Westgeld, und dass nun ihr Lohn
für jeden Verzicht voll entschädigen soll.
Es kam, wie ich dachte. Es fehlte total
die Kraft, die Erfahrung für einen Profit.
So lernte am Ende ein jeder erst mal:
- Setzt du dich nicht durch, ja, dann machste was mit.
Es ist wirklich so: so naiv wie die damalige Bundesregierung konnte man gar nicht sein. Kohl glaubte, wenn man die Einwohner der Ex-DDR nur machen ließe, würden sie schon selber für ihren Erfolg sorgen, so ausgehungert nach Erfolg und Konsumgütern wie sie doch sein mussten.
Die Voraussetzungen hierfür waren schon deshalb nicht gegeben, weil auch der geschickteste Handwerksmeister sich auch gegen die Konkurrenz durchsetzen muss, und das hatte keiner gelernt. Die kaufmännischen und taktischen Kenntnisse und Notwendigkeiten waren nicht da. Dazu kamen die ewig langen Wartezeiten bei den noch nicht aufgebauten Behörden. So musste ich ein dreiviertel Jahr bis zum Eintrag meiner GmbH warten, und so lange haftete ich mit meinem Privatvermögen. Das hätte ich nie riskiert, wenn ich es gewusst hätte.
Ich könnte ewig so weiter erzählen. Nur ein Beispiel noch: die Frauen im Osten meinten, eine Frau aus dem Westen, gestylt und gepflegt, könne ja wohl nicht hart arbeiten, sonst sähe sie nicht so aus. Sie wussten nicht, dass dieses Styling in vielen Berufen überhaupt erst die Voraussetzungen für berufliche Erfolge innerhalb dieser Männerwelt schuf. In der DDR gab nicht nur gefühlte, sondern auch gelebte Gleichberechtigung.
In der Ex-DDR waren fast nur die Frauen der russischen Offiziere geschminkt. Durch Äußerlichkeiten mussten sich die DDR-Frauen keinen Vorteil verschaffen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.10.2010.
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