August Sonnenfisch

Leinenzwänge für die Krone der Schöpfung

 

Leinenzwänge für die Krone
der Schöpfung

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Ein Hundeleben  f ü r  H u n d e  an der Leine:
mal ist sie kurz,
mal ist sie lang,
mal zerrt und zieht er an ihr,
mal läuft er zahm und wie zahnlos bei Fuß.
Ein Hundeleben für Leinenhunde in diesen Tagen!

Und ein Hundeleben  f ü r  M e n s c h e n
an menschlicher Leine:
Im Lande Leinenvielfalten, jenem Reich
der Begradiger der Flüsse und
der Begradiger fast jeglichen pulsierenden Lebens,
legen sie dich an ihre Leine,
schlagen sie dich in ihre Bande,
verbannen sie dich an ihre Laufkette,
fesseln sie dich mit ihren Stricken an
ihre Bäume
und Schlagbäume.

Doch ihre leidigen Leinen und listigen Lügen,
ihre Ketten und Kanäle
sind gleichermaßen deine eigenen!

Dein Zorn zerrt an seiner Leine,
deine angekettete Angst verkriecht sich
ins Reich deiner Schatten,
deine Zärtlichkeit schmachtet
an den Stricken allgegenwärtiger Inspektoren,
seelische Ohrstöpsel blockieren dein Hören,
mentale Knebel fesseln dein Sprechen über dich -
und deine Kreativität
kotzt und krümmt sich an ihrer Kette!

Und ihre Stricke und Stöpsel, ihre Ketten und Knebel
sind gleichermaßen deine eigenen!

Maskenhaft lächelst du, verlogen lümmelst du
an der nächstbesten Säule -
doch im Grunde lechzest du nach
Freiheit von deinen eigenen Ketten
und von den Ketten
dieser Kaum-Schon-Demokratie
mit all ihrem Dressieren und Dominieren und Manipulieren!
Auf den Hund bist du gekommen seit deinen
frühen Tagen: auf den schwanzeinziehenden
und den knurrenden Hund:

Unser Menschsein ist eine Hatz und Hetze
in den Büros und in den Fabriken -
unser Menschsein liegt an den
elektronischen Fesseln
  von Laptop und Handy und Television -
unser Menschsein vegetiert im Verlies unserer
Wohnungen voller Ballast -
unser Menschsein ist ein Marterpfahl
von Moral und Moralisierung -
unser Menschsein ist eine "Gesundheit zum Tode" -
unser Menschsein als ein Opferlamm auf dem Altar
von Rendite und Karriere und Make-up!

Doch ihre Stricke und Stöpsel, ihre Ketten und Knebel
sind gleichermaßen deine eigenen!

Wer aber sich erdreisten sollte, seine
Leinen zu zerbeißen, seiner
rostenden Ketten sich zu entledigen, seinen
goldenen Ketten zu entsagen:
Welch ein abscheulicher Desserteur!
Welch ein Paria!

Als ein solcher landete er - die Krone
der Schöpfung -
im Niemandsland der Freiheit -
mit all ihren Außenseitern,
Ausgestoßenen, ihren Zigeunern,
ihren Lebenskünstlern,
Gauklern und Straßenmusikanten ...
  und ihren Obdachlosen, die
unter Brücken sich bergen und verbergen.

Doch nachts im kleinen Tode des Schlafes,
treffen wir alle uns wieder in der
Wahrheit des Himmels:
Menschengeist mit Menschengeist und
Menschenseele mit Menschenseele -
jenseits all dieser Niemandslande:
dieser Niemandslande
als Freiraum oder als Schreckensgespenst,
respektive jenseits all dieser Leinen:
dieser kurzen und langen,
dieser komfortablen oder würgenden Leinen.

Doch was vermögen wir als Nichtschlafende zu tun
während all unserer langen Tage?
Wohlrasiert und wohlgeschminkt in den
als demokratisch und freiheitlich
sich gerierenden Fesseln,
wohlgeschminkt und wohlrasiert in
den nach Menschenrecht dürstenden Tagen?

- Entdecken wir den knospenden Gott in uns,
diesen inneren Gott,
der auf uns wartet, ohne zu warten!
Bringen wir ihn in die Welt!
Gebären wir uns selbst!

- Tun wir am Ende das Nämliche wie gestern,
doch tun wir es als innerlich Freie!
Oder tun wir das glaublich Unglaubliche,
tun wir das diesseitig Jenseitige,
tun wir das vorhersehbar Unvorhergesehene,
tun wir das möglich Unmögliche:
ÜBEN WIR UNSERE FREIHEIT!

- Dies ist das Orakel aus den Leinenzwängen
eines Menschen ohne Leine:
das Orakel für den heutigen Tag!



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(c)   August Sonnenfisch, Möglingen, 20. Februar 2011 ff


      "Die Gesundheit zum Tode", siehe Theodor Adorno (1903-1969):
      "Minima Moralia", Seiten 68 ff

 

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