Michael Rischer
Über die Vernunft oder: Eine unvernünftige Frage
Als Kinder lernten wir,
vernünftig zu sein,
vernünftig zu denken,
und zu handeln.
Dann lernten wir es wieder,
von Freunden, Boß, Kollegen:
Man muß vernünftig sein,
rational denken,
logisch, folgerichtig handeln,
Dinge nach Erfahrung,
nach Statistik,
nach Wahrscheinlichkeit beurteilen;
daran denken, wie wir auf andere wirken,
was die von uns denken,
nach dem Möglichen streben,
das Unmögliche lassen.
Dabei kritisch sein,
auch selbstkritisch,
sich nicht täuschen zu lassen.
Fehler sind zu unterlassen.
Wir lernten,
daß wir uns nur in Maßen,
und festgelegten Grenzen,
entwickeln können,
und daß es vernünftig ist,
dies in Denken und Tun
zu berücksichtigen.
Das Leben
muß vernünftig sein,
vernünftig gelebt werden,
mit vernünftigen Zielen,
vernünftiger Arbeit,
vernünftigem Lohn,
vernünftiger Wohnung,
vernünftiger Frau,
vernünftigen Kindern,
vernünftigen Vergnügungen
und vernünftigen Träumen.
(2) Bis wir
vernünftige Abneigung,
vernünftigen Widerwillen,
vernünftigen Zorn empfinden.
Dann
haben wir gelernt,
vernünftig zu sterben.
Könnte es denn
- vernünftig überlegt -
vernünftig sein,
unvernünftig zu sein?
Den ehernen Gesetzen der Logik
nicht zu folgen,
der Erfahrung,
der Statistik,
der Wahrscheinlichkeit,
nicht zu glauben,
nicht auf Andere zu hören,
Unmögliches anstreben,
gar Selbstvertrauen fassen,
uns grenzenlos entwickeln wollen,
einfach
ein unvernünftiges Leben zu leben?
Würde das gehen?
Was würde geschehen?
Wer würde uns das zeigen?
Wer würde daran glauben?
Könnte ich mir das leisten?
Würde ich das tun können?
Würde ich das wagen?
Wenn zu vernünftig
Tod bedeutet,
was bedeutet dann
unvernünftig?
Kann man
auf vernünftige Weise
unvernünftig sein?
Wer beantwortet
diese unvernünftige Frage?
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.10.2011.
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