Ballade vom Nordsee - Bernstein

Zu Wyk auf Föhr ein Kurgast war,
der wollte der Liebsten daheim,
ein Andenken wohl bringen dar,
das so besonders sollt sein.
 
Ein Insulaner sprach zu ihm
mit windzerzaustem Haar:
"Ich kenne den Ort, wo du musst hin,
und finden wirst du da,
 
die Tränen der Bäume, das Meeresgold
Millionen Jahre alt,
glitzernd, funkelnd, leicht und hold,
so warm und doch so kalt.
 
Von der Steinbuhne über den Priel,
zur Sandbank musst du raus.
Dort liegen sie, gar groß und viel
und sehen wie Honig aus.
 
Doch siehe dich vor, versuche dein Glück
nur bei den fliehenden Fluten.
Bei der tiefsten Ebbe musst du zurück,
und dann, dann sollst du dich sputen."
 
Gesagt getan, er stapfte hinaus,
mit Gummistiefeln bewehrt,
dass er der Herzensdame zu Haus
ein schönes Stück Bernstein beschert.
 
Weit auf die Sandbank ging er dahin,
den Blick wie im Fieber gerichtet,
auf Großes, was da lag und schon blind
für Kleines, was wenig gewichtet.
 
"Nur noch hundert Schritte, dann finde ich ihn,
den prachtvollen Schatz für die Meine."
So sprach er, während die Zeit verging
und müde wurden die Beine.
 
Die Stunden verrannen, es kam die Flut
da war er wieder am Strand.
Den Größten und Schönsten hielt er gut
umschlossen in der kalten Hand.