Manfred H. Freude
MALEN WERDE ICH NICHT MEHR
Malen werde ich nicht mehr,
wenn ich durchstreife die Tempel der Bücher.
Will nicht mit Flecken auf meinem Armani-Anzug gehen,
noch will ich nach Ölfarbe riechen,
wenn ich zu den Hochglanz Kunstbüchern schlendere.
Auch kein Tretross werde ich benutzen,
denn ich will mich weder mit Blech noch mit Schrott belasten,
wenn ich mit feinen Edeltretern aus feinstem, handgenähten Leder,
die Burgen der modernen Katarer –
bis obenhin voll mit bedrucktem Papier – durchschreite.
Aber ich werde ihre Rolltreppen benutzen
und - auf und ab - und - ab und auf - rollen.
Rolltreppenfahren ist wie das Drehen der Gebetsmühlen
in Bangkok, in Peking, in Taipeh,
Gebetsmühlen in den Tempeln Asiens.
So werde ich auf und ab fahren
Und streife den Geist der Literatur.
An der ich auf und ab – vorbeifahre.
So, wie sich das Gebet einmal erfüllt, wenn sich die Gebetsmühle einmal dreht,
so habe ich den Sinn der Kathedralen des Wissens erfasst,
wenn ich die Wissenschaften überrunde und die Kultur zurücklasse.
Jene Geschosse der Geschichte, Philosophie, Religion, Kunst, Technik, Recht, Reisen, Sprachen, Romane, Kochen und Humor –
vom Parterre bis zur Dachterrasse.
Der Unkundige muss Bücher lesen -
der Denkende weiß wo niedergeschrieben steht, wann er es braucht.
Der aber auf der Rolltreppe: weiß alles, hört alles, sieht alles,
auch wenn die Buchrücken noch so gleich aussehen
und er den Boden dazwischen nie betreten hat.
Nein, - malen werde ich nicht mehr.
© 2003 Manfred H. FREUDE
17.Mai 2003
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.01.2004.
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