Wolf-Rüdiger Guthmann
Die Rentnerweihnachtsfeiernachrede
Jeder Mensch, ob groß, ob klein
hat irgendwie ein Zipperlein.
Der Eine macht’ s der Welt bekannt,
ein Anderer lässt es unbenannt.
Und schlimme Sachen, die alle kennen,
möchte ich hier gar nicht nennen.
Dem Einen hilft der eigene Glauben,
ein Anderer hält sich an vergorene Trauben.
Und alle zusammen kann man nur retten,
durch Tropfen, Pillen und Tabletten.
Als Gehstock, Krücke und Rollator
kommt da die erste Hilfe vor.
Als Rollstuhl oder Auto mit Steuer
wird technische Hilfe oftmals teuer.
Selbst der gute Weihnachtsmann
merkte, was er schon lange nicht kann.
Früher trug er ihn singend huckepack,
den großen schweren Geschenkesack.
Heute knacken schon die Gelenke
nur beim Anblick der Geschenke.
Um zu ersetzen die schwindende Kraft,
hatte er sich edle Technik angeschafft.
Ein Laptop ersetzte ihm bei Bub und Madel,
das große Buch mit Lob und Tadel.
Wunschzettel bekam er als E-Mail-Thesen
und brauchte sie nicht mal selbst zu lesen.
Heilig Abend konnte es uns da passieren,
er kam nur noch das Geld kassieren,
schwang die Klingel, drohte mit den Ruten
und die Helfer mussten sich dann sputen.
Ich hatte ihn jüngst im Schnee getroffen
und er sagte mir ganz frei und offen:
„Die Menschen redeten von großen Dingen
und konnten kein Weihnachtslied singen.“
Wie wahr, wie wahr, wie gut erkannt!
Doch ist ihm nicht alles wohl bekannt.
Denn saßen Rentner dicht an dicht
bei Plätzchen und mit Kerzenlicht,
hat mancher ungeduldig gewinkt,
ob nicht bald ein Lied erklingt.
Wenn dann die Rentner Töne halten,
glätten sich die Runzeln und Falten.
Sollten dann sogar die Augen lachen,
konnte das Singen Freude machen.
Zog Weihnachtsfriede in die Herzen,
vergaßen alle zeitweilig die Schmerzen.
Erst sangen sie, egal ob Atheist oder Christ
„Wenn Weihnachten ist…“
Und wenn es sie besonders gefrommet,
auch „Ihr Kinderlein kommet…“
Und danach ganz leise und sacht,
zusammen die „Stille Nacht…“
Dann hatten sie den gemeinsamen Traum
vom immergrünen „O Tannenbaum…“
Sie entdeckten plötzlich alte Lieder,
wie „Alle Jahre wieder…“
Ehe sie sich musikalisch verirrten,
sangen sie „Kommet ihr Hirten…“
Ob strenger Katholik oder Reformist,
ob besteuerter Christ oder politischer Atheist,
egal, welche Fahne man hisst,
die Weihnachtsgeschichte für alle ist.
Hörte man sie an, zog Lehren daraus,
dann kehrte auch Ruhe ein in jedes Haus.
Ich hoffe, die Hausfrauenbäckerei geriet
und sie wünschte allen „Guten Appetit!“.
27.12.2012 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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