Patrick Rabe

Gott

Ich steige die Steinstufen zum Altarplatz empor,
um allein zu sein, mit dir, Gott.
Über mir leuchtet der Mond,
und vom Dschungel kommen Tierstimmen
und das Rauschen der Bäume zu mir herüber geweht.
 
Ich habe den Gebetsruf des Vorbeters noch im Ohr,
langgezogen, energetisch, in Verzierungen mäandernd,
er mahnte mich an die Stille, in der keine menschliche Stimme mehr spricht.
 
Lange hatte ich mit der Geliebten beim Festmahl gelagert,
ihr schwarzes Haar, ihre Augen und die lockende Verheißung ihrer Stimme beglückten mich,
doch jetzt muss ich suchen, was man nur alleine finden kann.
 
Auf dem Altarplatz im Mondschein
fühle ich mein Inneres weit werden,
spüre, wie des Tages Last von mir abfällt.
Ja, ich streife alle Masken und Verkleidungen ab,
bis mein Atem eins ist mit dem Atmen der Sterne
und mich nichts mehr trennt
von dir, Gott,
und von meinem wahren Sein.
 
Und ich erkenne:
Das war ich immer,
und bin ich zu jeder Zeit.
Ich bin nicht der Teufel,
der immer nur reizen will,
ich bin nicht der Spötter,
der Hohn über Gläubige gießt,
ich bin nicht der Hassende,
der seine Mitmenschen verurteilt,
ich bin nicht der Schauspieler,
der eitel sein Gefieder präsentiert.
 
All dies mögen Rollen gewesen sein, die ich gespielt habe,
aber mein wahres Sein berühren sie nicht.
Entkleidet von allen Schalen
bin ich einfach
EIN MENSCH,
jener Wanderer, der sein Zuhause sucht,
jener Liebende, der alle liebt,
doch in Allem stets die Hand seiner Geliebten erkennt,
Gottes Freund
und Gefährte.
 
Und ich seufze auf.
„Jetzt ist es gut“
Und Gottes Nähe erfüllt mich
Und zeigt mir, dass ich geborgen bin.
 
Und ich lege mich auf den Altarplatz
Und schlafe vertrauensvoll ein,
bis des Morgens Licht mir neue Wege weist.
 
In dieser Nacht bin ich ganz bei mir.
Und bei Gott.

Patrick Rabe, Fr., 3. Mai 2013, 0 Uhr 10, Hamburg Langenhorn.

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