Der Frühling klopft

 Wisst ihr noch wie der Frühling klopfte,
als das Wasser auf das Vordach tropfte?
Der Schnee war zwar fast weggetaut
und hatte dabei riesige Zapfen gebaut.
Von oben tropften Stalaktiten
und klopften unten auf die Stalagmiten.
Dachlawinen rutschten klopfend in die Tiefe,
als wenn ein Monster mit Gipsbein liefe.
Besucher klopften dann und wann,
wenn die Arbeit beendet war, an.
 
Der Specht klopft nun wieder an der Rinde,
damit sich mancher Käfer finde.
Die Sonne wärmt jetzt reichlich satt,
die Knospen klopfen Blüte und Blatt.
Der erste Storch den Schornstein buchte,
doch Nahrung noch vergebens suchte.
Sein Klopfen mit den Schnabelspitzen
lässt so manche Storchfrau schwitzen.
Der Paketdienst klopft an meine Tür
und bringt die Frühjahrsgarderobe mir.
 
Der Schuster klopft an meinen Sandalen,
ich klopfe das Sparschwein zum Bezahlen.
Ein Vogel musste an mein Fenster klopfen,
denn drinnen sah er schöne Tropfen.
Die dünne Scheibe ganz laut splitterte,
der arme Vogel erschrocken zitterte.
Der Glaser klopft nun am alten Kitt,
die Scherben tropfen, igittigitt.
Die Nachbarn klopfen an die Autoachsen,
die Winterräder sind wie angewachsen.
 
Jeder klopft vorm Haus die Schuhabstreicher,
die vom Winterschmutz noch reicher.
Einer klopft an den Garagentoren,
da die Schlösser nicht nur eingefroren.
Meine Frau klopft nach mir aus dem Haus,
da klopfe ich schnell mein Pfeifchen aus.
 
04.05.2013 ©  Wolf-Rüdiger Guthmann