Wolf-Rüdiger Guthmann
Der Fußmarsch
Ein Tausendfüßler lebte ohne Arg und Tücke
in eines Bretterstapels schmaler Lücke.
Da eilte ein Trupp Soldaten vorbei.
und einer schrie: „Ein Lied 1-2!“
Die Truppe fing zu singen an
hielt aber auch den Gleichschritt dann.
Die Stiefel auf das Pflaster knallten,
die Echos von den Stapeln schallten.
Sein Lieblingsbrett flog hoch und fiel tief,
und lag zum Schluss unfassbar schief.
Das gefiel dem Tausendfüßler sehr,
wo bekam er nur solche Stiefel her.
Der Schuster zwar über seine Idee lachte,
aber dann eine Bestandsaufnahme machte.
Drei Gipsbeine, drei fehlten ganz,
und vier waren steif, kurz vor dem Schwanz.
Der Schuster meinte, das wär kein Problem,
wenn er Bernd Stelters Spezialleder nähm.
Der Absatz, mit einem Nagel beschlagen,
würde den Stiefel bis nach sonst wo tragen.
Und so begann bei schönstem Wetter
die Massenproduktion im Stapel der Bretter.
990 Sohlen stanzen, Oberleder schneiden,
zusammen nähen und innen verkleiden.
990 Absätze, erst kleben, dann nageln,
ständig klopfen, als würde es hageln.
Die Bewohner in des Stapels Schichten,
mussten hinaus ins Freie flüchten.
Raupen ihre Stacheln nutzten
die Stiefel mit Brombeersaft putzten.
Doch dann kam in uniformierter Garderobe
der Tausendfüßler zur Stiefelanprobe.
3 Tage wurden Stiefel angepasst,
bis Kunde und Schuster völlig gechasst.
Der Tausendfüßler als Soldat mit Bajonett
stand uniformiert und gespornt auf dem Brett.
Er hüstelte, damit sich seine Füße fanden
und kommandierte „Füße, still gestanden!“
Man spürte, dass die Stiefel lebten,
denn die Bretter im Stapel bebten.
„Auf der Stelle treten!“ ging es weiter,
denn die Stimmung war jetzt heiter.
Und dann der Befehl, sehr laut und barsch:
„Im Gleichschritt alle, marsch!“
Es kam so wie es ist bei Stiefelschaft,
geeinter Tritt erhöht die Kraft.
Die Stiefel knallten, der Lärm war groß,
die Bretter wallten, als ritt der Teufel los.
Als der Tausendfüßler dann sang,
schallte es die Spalten entlang.
Mit „Ein Befehl und Tausend Beine
gehorchen mir nur ganz alleine!“
hat er noch unsere Ohren geschunden,
aber dann war er verschwunden.
Und wenn ihn nicht ein Vogel frisst,
er immer noch ein Marschierer ist.
07.05.2013 © Wolf-Rüdiger Guthmann
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.05.2013.
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