Irene Beddies
Die Königin
Die Königin
Einmal im Jahr mit Bangen
nahm sie Asche aus dem Kamin,
malte zwei Kreuze auf bleiche Wangen,
zog aus den Mantel von Hermelin,
legte ab Seide
und ihr Geschmeide.
Bedeckt mit einem Kapuzenumhang,
schlich sie sich heimlich fort
durch finsteren Keller und einsamen Gang.
Nie verriet sie den Ort,
mochten Vasallen auch fragen und Gesinde,
damit niemand sie an diesem Tage finde.
Tief im Wald in einer kleinen Kapelle,
noch vor des neugierigen Tages Helle,
warf sie sich vor dem Bild der Jungfrau nieder
breitete die Arme in tiefem Schmerz,
schüttete aus ihr Herz,
blieb am Boden liegen, sang fromme Lieder.
„Vergangene Schuld, die dir längst bekannt,
die mir tief in die Seele gebrannt,
will ich büßen
zu deinen Füßen
seit ich erschlagen ließ an dieser Stelle
den König und den, der war sein Bettgeselle.
Vergib, bitte ich, und ende die Tortur!
Ich liebe wieder einen Mann.
Er ist ein Troubadour.
Von ihm ich nicht lassen kann.
Wie kann ich sein Herz erweichen?
Gib mir ein Zeichen.“
Sie hob den Blick zur Madonna hin.
„Steht auf, meine Königin!“,
tönte es hinter ihr,
„ich bin hier.“
Von starker Hand wurde sie aufgerichtet,
so hat sie später selbst berichtet.
Die Madonna lächelte zart, die Reine.
Eine Antwort gab sie keine.
© I. Beddies
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.06.2013.
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