Thomas Kleinrensing

Da der Winter kommt

Mit Bast bespannter kleiner Holzstuhl, ein wackeliger Tisch auf dem eingetrocknete Kaffeeschlieren lange Geschichten erzählen.
Im Wind die klatschende  Markise gegenüber, windschief Schatten spendend. Auf einem Hocker, hinter dunklem Brillenglas, alles beobachtendes Augenpaar.
Ein später Nachmittag in der Küstenstadt. Die Grenzen Deutschlands weit zurück und das Meer Möwen gleitend weit hinaus. 

Süden.

Geruch von Pinien, Eukalyptusbüschen und angetrocknetem Pferdemist auf dem noch warmen Asphalt. Auf Touristen wartende Mehren im länger werdenden Schatten pastellfarbener Häuser. Schnell gesprochene Worte wie klackernde Kiesel in einem Bach, während knatternde Motorroller mit langhaarigen Brünetten, Rock wehend an gebräunten Schultern, die Luft durchschneiden. Ein süchtig machendes Gemisch aus Gerüchen und Geräuschen, gepaart mit samtwohliger Entspannung.

Aus dem Kaffeehaus dringt das Zischen der Kaffeemaschine und hin und wieder ein dumpfes Glucksen des Mokkakochers. Das Rufen der Kellner über die meist schwarzhaarigen Köpfe hinweg und das stetige Geschirr- Gläser- und Kleingeldklappern stapelt sich zum vielfarbigen Klangteppich unter den Arkaden. Oben in den Ecken der zusammenlaufenden Stürze, zwischen den Fragmenten eines vergangenen Wohlstandes und Geschichten erzählenden Deckenmalereien,  verwaiste Rauchschwalbennester.

Der über die Jahrhunderte blankpolierte Fliesenboden ist fest in der Hand von hektischen Spatzens. Und während der Abend dunkelrot durch den Eukalyptus bricht, inszeniert sich die Götterdämmerung als Schattenspiel auf den erschöpften Fassaden. Am vom Tag noch dampfenden Abend, vom fahlen Gelblicht aus Alters schiefen und Nachtfaltern umtanzten Wandleuchten milde begleitet, die ausgetretenen Gassen hinauf. Dorthin wo das korfiotische Leben wohnt. Nur manchmal noch fällt grelles Neonlicht aus einer schmucklos weiß gekachelten Metzgerei in die enge Gasse der Oberstadt. Immer geschlossen blassgrüne Fensterläden der schmal aufragend Wände bildenden Häuser, weit aufgerissen - die frische Seeluft einatmend.

Wäschestücke, quer von Hauswand zu Hauswand weit Oben an den Wohnnadeln im lauen Wind, winken die Kinder nachhause. Es riecht nach feuchter Wärme in den verwunschenen kleinen Plätzen. Dort wo noch die streunende Katze ein zuhause hat und irdene Steinkübel duftende Farboasen in die blassen Höfe zaubern. Schläfrige Hunde liegen Vertrauens voll ausgebreitet neben alten Weibern. Schwarz gekleidet, gekrümmt auf kleinen Schemeln, vor den gähnenden Eingängen. Die alten Geschichten mit Stickereien für die Ewigkeit festhaltend. Unrasierte Männer, ein jeder in Furchen geschrieben eine Lebensgeschichte im Gesicht, wortkarg über einem abgewetzten Spielbrett mit klackernden Würfeln Spielsteine jagend. Nur ein kurzer Blick aus dunklen Augen, einen Augenblick mir gönnend.  

Ohne Hast aus einem großen Topf abgeschöpfte Pastitsada in einer Tonschale dampfend, lässt mich vergessen machen. Mit weißem Brot den steinernen Trog auswischend, genießend. Mir fliegt ein zahnloses Lächeln zu. Geharzter Wein, kaltes Wasser und melancholische Lyramusik, von einem Greis in die Nacht gezittert, das Klackern der Würfel und gedämpftes Wortgeflecht aus geöffneten Fenstern lässt mich fremdartig heimisch sein und demütig zufrieden.

Irgendwo weit unten am Meer, an der illuminierten Promenade des Hafens, kündigen die letzten Kreuzfahrer mit vibrierendem Horngesang an, dass sie die Stadt wieder freigeben. Bleibe hier am kleinen Tisch, den Kopf an das Mauerwerk gelegt.  Betrachte die Katze auf dem Hocker neben mir. Zufriedenes Schnurren führt hinüber in die Gelassenheit einer glückseligen Nacht.

Ein paar Oliven und weißes Brot mit Öl beträufelt und Salz. Schmecke  die heraufziehende frische Brise und sitze noch immer dort, da der Winter kommt.

Der Tom
14.11.2013    


 

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