Vera Dossen-Horn
Die Geschichte des Baumes
Seine Krone wiegt sich im Wind.
Die Welt wartet auf den ersten Sonnenstrahl an diesem Tag.
Was wird dieser Strahl erhellen?
Erscheinen lassen? Wärmen? Zeigen?
Naturschauspiele bestaunen lassen?
-Was ist es, was ihn entwurzeln kann?-
Verwurzelung. Lebenskraft. Standhaftigkeit.
Die vielen Stunden und Tage, Jahre, Jahrzehnte.
Seine Rinde trägt viele Narben;
Narben der Liebe, der Trauer, Narben der Erinnerung.
Sie sind mitgewachsen mit ihm und haben ihm Strukturen gezeichnet.
So ergötzen sich Vorbeiziehende des Lebens an dem Schatten der Wildheit,
Der Freiheit, der Entfaltungsfreiheit trotz Gebundenheit.
Naturschauspiele der Lichtstrahlen mit seinen Verästelungen
Lassen sie verweilen.
Die Abgeschiedenheit genießen.
Ihre Haut spüren lassen, Schattenmuster
Als Faszination des Körpers zu erspüren.
Den Duft der Welt in sich einzusaugen
Und sich gegenseitig zu schenken.
Er schaut auf sie herab und freut sich.
Es ist eine stille Freude.
Worte verhallen in seiner Welt.
Niemandem wird er es mitteilen können
Er freut sich nur mit sich selbst,
Stumm flüsternd mit dem Wind.
Um sie mit seinem Rauschen zu umspannen,
Zu verwöhnen, träumen zu lassen
Und sie hinfort zu begleiten.
Das Rauschen der Höhe und das Rauschen der blauen Weite.
Sie sind sich so ähnlich,
Bewirken so vieles und doch sind sie sehr verschieden.
Sich wünschend
Die Beweglichkeit des anderen zu erspüren
Und die Ruhe des einen genießen zu können
.
Doch ist Ruhe auch Bewegung.
Er fühlte sich noch nie rastend, stillstehend.
Dies erleben zu dürfen, die Ereignisse auf sich zukommen sehend,
Sie in unendlicher Geduld in sich aufnehmend
Und daraus zu erwachsen,
Nach Höhe strebend,
Die Brüche erlebend, manchmal bebend,
Geblendet in der Nacht, Still am Tag,
Trocken im Regen, kühl in der Hitze,
Und jeden Tag brennend.
Brennen vor Liebe an der Endlichkeit
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.03.2004.
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