Tom Rathmanner
Prinzessin der Dornen
Vom Fenster, diesem klammen Zimmergram,
Sah ich in der Ferne einen gläsernen Bau,
Der visionenrein in Schüben kam,
Betrat ich der Träume Weltenschau!
Sterngeprunk, ich sah durch Spiegel fließen –
Selbst Mondlicht umwog den Palast -,
Als Kleid mochten Dornen sprießen,
Dort, wo ein Dämon um sie rast!
Umhüllt ohne Segen, ohne Friedsamkeit,
Liegt sie im Schlummer, todesgleich,
In einer Bettstatt, dort gruftbereit
Atmet ihr Busen jung und bleich!
Hauchen ihre Lippen, rosa wunderschön,
Blaß wie ein Morgentau errötet.
Im Dämmerschlag der Schicksalshöhn,
Welcher die Dunkelheit letzthin tötet.
Seit ich weis, seit ich zuletzt gedacht,
Bewahrt sie der Tyrann mit Schweigen.
Und der Regen, der hin zur Nacht
Gleicht dem Weinen von Engelsgeigen!
Es bricht selbst – wie Spiegel klirren –
Mein Herz, da ich ihre Klagen höre.
Nur Elegien, die im Finstern wirren
Sind hell gesung’ne Kinderchöre!
Bewacht wird sie mit tausend Blitzen,
Sie durchzucken ein Wolkenviolett,
Deren Berührung wie Dolche schlitzen,
Tödlich wie der Soldaten Bajonett!
Oft raun‘ ich, als wollt‘ die Stille versuchen,
Zu erreichen dies feennoble Wesen.
Doch jedes Seufzen glich dem Fluchen
Dieser Zauber, dieser bösen Thesen!
In Gedanken, noch ferner fühle ich
Mich fromm und innig verbunden.
Mit ihrem Leid, diese Trauer sich
Niederschlägt in salzige Wunden.
Wenn der Regen tropft vom Fensterglas,
Wie eine Hoffnung schwinden muß,
Ist mir bang, bin ich müd auf daß
Bald ist mit ihrem Lose Schluß!
Dort, umgeben vom Schleiertuch,
Im Kerker, düster und diabolisch,
Ist ihr Lilienleib ein Zauberspruch,
Für jede treue Seele unersetzlich!
Eingeschlossen im gläsernen Sarg,
Wo Märchenprinzessinnen säumen,
Mit jeder Träne, die Hoffnung barg
So können sonst nur Engel träumen!
Noch heut, da die Jahre schwinden,
Denk‘ ich an sie welche im Schlummer
Liegt, denn nur ein Edelherz kann finden.
Das Ende von Tragik, Angst und Kummer.
So hält sie aus, wie ein Versprechen ersehnt
Erfüllt zu werden, denn ein Treueschwur,
Der sich beherzt unter warmen Sonnen wähnt,
Durchtrennt furchtlos die Schicksalsschnur!
Sie weilt noch immer, harrt voll Zuversicht,
Auf daß sie errettet, Erlösung und Trost
Vorfindet in einem seelenstarken Angesicht,
Daß sie umarmt, ihre Lippen lieblich kost!
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 11.05.2014.
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