Bernhard Pappe
Wandlung
Ich spaziere am See entlang, strebe dem Baum am Ufer und der Bank unter seiner mächtiger Krone entgegen.
Sie bieten mir den Platz für eine Rast, den Blick auf den Spiegel des Sees, auf kreuzende Schiffe unter geblähten Segeln.
Des Baumes Haupt spendet wohltuenden Schatten an sonnigen Tagen.
Hier lässt es sich gut ruhen, meine Blicke schweifen über den See und meine Gedanken gleiten auf seinen Wassern weit hinaus.
Ich sitze in meiner eigenen Stille auf dieser Bank, mag das Leben um mich herum brausen. Das Seeufer ist immer ein Platz, für Menschen, ein Wandeln, ein Spazieren, mal ein Rennen. Doch spüre ich sie kaum.
Der Fluss der Zeit ist zäh für mich in jenen Augenblicken, sehr langsam, aber stetig, tritt der Wandel ein.
Die Dinge ändern sich um mich herum.
Wandel zum Guten oder zum Schlechten?
Ist Wandel nicht bloß Veränderung hin zum Anderen?
Gut oder schlecht, es sind Urteile der Menschen.
Im Wandel der Zeit. Die Zeit wandelt nichts. Sie mag als Taktgeberin herhalten.
Die Bank ist ein reizvolles Plätzchen, doch gibt es die Stunde des Abschieds.
Meine Füße tragen mich zum Ufer.
In den Wassern des Sees schwimmt mein Antlitz.
Ein leichter Windstoß und es zerfließt.
Kann ich überhaupt etwas für mich festhalten?
Stetigkeit des Wandels.
Ein weißes Blatt, ein geschwungener Bleistift, die Skizze einer Erinnerung formt sich.
Das jungfräuliche Blatt wandelt sich.
Feder und Tusche werden der Skizze Konturen verleihen, irgendwann. Der Wandel des Erinnerungsstückes durch eigene Hände.
Wandelt sich damit auch meine Erinnerung?
Der Baum, die Bank, mein Ankerplatz am Ufer.
Mein Lebensschiff kann hier vor Anker gehen, um Ruhe zu finden oder Geselligkeit zu erleben in Gesprächen mit Freunden.
Jahreszeiten werden dem Ort ein wandelndes Gesicht verleihen.
Andere Menschen werden hier wandeln, werden ähnliche Gedanken haben oder einfach nur auf der Bank sitzend, sich der Sonne ergeben, sich in ein belangloses Gespräch verstricken.
Ich wandelte durch mein Leben und die mir gegebene Zeit.
Gar zu selten saß ich nunmehr auf der Bank, um auf den See zu blicken.
Der Wandel in Leben formte so manchen Sturm, der mich forttrieb.
Neue Ankerplätze galt es zu suchen.
Jahre brauchte es für eine Rückkehr.
Der Wandel ist offensichtlich, der Baum gefällt, die Bank verschwunden, das Seeufer neu befestigt.
Ich schaue auf den See. Er erscheint mir unberührt.
Das gegenüberliegende Ufer vermögen meine Augen nicht aufzuösen.
Der Wandel seiner Textur bleibt mir verborgen.
Der Ort hat nicht mehr die Magie von einst.
Erstarb sie mit dem Baum oder floss sie einfach nur an einen neuen Ort, um einen anderen Menschen zu bezaubern?
Diese Vorstellung gefällt mir ausnehmend gut.
Ich gehe ein wenig am Ufer entlang.
Die Oberfläche des Wassers bietet mir immer noch einen trefflichen Spiegel.
Ich schaue hinein, er ist kein Zauberspiegel, zeigt mir meinen Wandel.
© BPa / 05-2014
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.05.2014.
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