Meike Schäfer
Der hungrige Schal geht auf Reisen
Es ist dunkel und beengt,
denn die Tür des Schranks ist seit Stunden zu,
das Tag - und Nachtgefühl des Schals ertränkt,
nach einem Entspannungsbad in Avocado.
„Hoffentlich kommt sie bald her.
Mein Magen ist so gut wie leer.
Ob sie mich wohl hier vergessen hat?
Meinen Kollegen gestern nicht mehr zurückgebracht.“
Doch plötzlich vernimmt er ein Geräusch,
der Rollladen wird hochgezogen,
Fußstapfen sind vor dem Schrank zu vernehmen,
die Tür zum Wohnbereich ist schnell aufgeflogen.
„Sie ist endlich wach“, triumphiert der Schal,
ehe er sich reckt und streckt ein letztes Mal,
bis auch alle aufgekommenen Falten geglättet,
und seinerseits alles ist für den Ausflug vorbereitet.
„Doch wird es erst einen Ausflug geben?“, grübelt er verstört,
das Knistern der Einkaufstaschen bestätigt, dass er sich wie erhofft nicht irrt.
„Doch wird sie auch mich auserkoren?“, rätselt er, die Antwort für ihn ungewiss,
diese kommt aber schneller als Gedacht, als Grany die Schranktür aufmacht.
Sie baut sich auf vor ihm und seinen Kollegen,
schaut skeptisch wen sie heute mitnehmen soll.
Doch die Wahl fällt ihr ziemlich schwer,
denn sie muss sich gestehen: sie findet alle toll.
„Nein nein nein“, schüttelt sich der Schal in Gedanken,
dass ihre Gedanken auch um die anderen Bewerber könnten ranken.
„Grany, kein Blau, kein Gelb, kein Orange, keine Frage.
Nimm mich, den mit BUGA-Blumen in deiner grünen Lieblingsfarbe.“
Überzeugt! Ohne Worte!
Glücklich lächelt sie ihn an.
Ihr Blick verrät ihm: „Ich besäße gerne mehrere von deiner Sorte.“
„Ja“, seine Worte. „Da setzen wir uns für die Zukunft ran.“
Auf der Fahrt zu Globus gibt der Schal ein Versprechen,
was ihm nicht in den Sinn kommt zu brechen.
„Ein grünes T-Shirt, welch schönes Stück
Zu solch schönem Sommertag.
Dass du mich gefunden hast, dein Glück,
nun mache ich dir einen Vorschlag.
Vor manch bösem Sonnenbrand werde ich dich bewahren,
durch Wind und Wetter begleite ich dich,
dass ich von deinen Speisen etwas abbekomme,
der einzige Preis der gehen soll an mich.“
Von Grany´s Seite gibt es keine Antwort darauf,
doch diese nimmt seine Bitte natürlich auf.
So fragt sie ihn, kaum bei Globus rein:
„Nun sag mir was du lecker isst, und ich packe es ein.“
„Vor der Tortentheke mache bitte Halt,
eine Torte to Go, die will ich mir nicht entgehen lassen.
Und nach all den Erfahrungen die ich mit dir hab,
weiß ich, auch du möchtest diesen Genuss nicht verpassen.“
„Wie recht du hast mein Freund“, bestätigt sie ihn,
„Wenn du noch etwas willst, da fahren wir schnell noch hin.“
„Wohlmöglich ein Rollbraten, aber nur wenn es dir keine Mühe macht.
Ich weiß, du magst ihn auch und er macht uns beide satt.“
Torte und Rollbraten im Nu ins Auto gepackt,
so schnell wie heimgefahren und gekocht, das ist doch wie gelacht.
Auf dem Sessel, vor der ersten Gabel des Rollbraten,
ein kurzer Satz von Grany, der war zu erwarten.
„Ich habe heute noch nichts gegessen“, meint Grany zu sich.
„Ich auch nicht“, knurrt er, und fügt hinzu:
„Hoffentlich denkt sie auch an mich
Und verspeist die Köstlichkeit nicht im Nu!“
Doch das tut sie, viel zu laut knurrt schon ihr Bauch,
der arme Schal hängt da und will anfangen zu weinen:
„Ich dachte du gabst mir das Versprechen, ich darf auch.“
Hoch schaut er zu ihr, fast schon am Verzweifeln.
Traurig sieht er mit an,
wie der leere Teller auf den Tisch wandert, ohne dass sich etwas hat getan.
Schon jetzt löffelt sie in der Torte to Go,
ob er noch etwas abbekommt? Er weiß, seine Chancen stehen so oder so.
Doch dann, im letzten Augenblick,
da traut er seinen Fäden nicht,
da fällt ein Stück auf ihn hinab
und damit der Lohn für seinen Job an diesem Tag.
Wunschlos glücklich und mit vollem Magen,
lässt sich der Schal ins Bad tragen.
Dort wird er im warmen Wasser abgeladen
und pflegt: „Ach, was habe ich mit meiner Trägerin nur Glück gehabt.“ zu sagen.
Vorheriger TitelNächster TitelDas ist die Fortsetzung von Der hungrige Schal, den ich letztes Jahr zum Geburtstag meiner Oma geschrieben habe. Heute ist ihr Geburtstag und da Der hungrige Schal das letzte Mal so gut ankam dachte ich mir, eine Fortsetzung würde ihr gefallen. :)Meike Schäfer, Anmerkung zum Gedicht
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.06.2015.
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