Patrick Rabe
Am windigen Baume
Ich weiß, dass ich hing am windigen Baume,
neun lange Nächte,
vom Speere verwundet, dem Odin geweiht,
geweiht mir selber ich selbst,
am Aste hing ich des Baumes,
von dem man nicht sieht,
aus welcher Wurzel er spross.
Sie brachten mir Met, ich spie ihn zur Erde,
den Raben zum Fraße gab ich das Brot,
das sie mir reichten zur Speise, das sie mir reichten zur Not.
Drei graue Weiber peinigten meiner
und ließen nicht ab, mir die Sonne zu rauben,
doch ich, ich genoss heimlich Most von den Trauben,
die wärmen den Hängenden durch jede Nacht.
Endlich zerriss ich den Dunst meiner Ängste
und nagelte sie heißglühend an jenen Baum,
dessen Holz trägt
Armut und Reichtum, Wahrheit und Lüge,
Tage und Nächte, Wachen und Traum.
Und ich sah ins Dunkel des wurzellos' Baumes,
fand Runen im Finstern und lernte sie gierig,
sie murmelnd wie Worte, die Kräfte verleihen,
ließ ich mich fallen und fiel auf den Grund.
Nun war ich geweiht, die Angst war gewichen,
ein goldener Trunk durchzog mein Geblüt,
ich brachte den Asen rätliche Stäbe,
wie sie geritzet der Raterfürst, mit.
© by Patrick Rabe
Mo, 7. Dezember 2015, Hamburg.
Inspiriert von den Texten der Edda. Es geht hier um Odins mystische Einweihung. Die erste Strophe folgt dem Orginaltext der Edda in der Übertragung von Karl Simrock. Ansonsten habe ich mir aber diesen Odin-Text ganz zu eigen(en Worten) gemacht.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.12.2015.
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