Inge Hoppe-Grabinger
Wieviel Erde braucht der Mensch?
Es hatte der Mann so manches erreicht im Leben und wollte noch mehr,
die Ziele gesteckt, die fielen ihm leicht und nichts war wirklich zu schwer.
Er hörte alsbald Geschichten erzählt, von Erde, die könnt man erwerben,
dem Mann war klar, was ihm noch so fehlt, ohne Land, ohne Frau, ohne Erben.
Er machte sich auf und reiste gen West, er reiste Tage und Stunden.
Im Dorf da feierten sie ein Fest, sein Ziel hatte er gefunden.
Man zeigte ihm auf Bergeshöh das Land zu seinen Füßen,
man trank ihm zu und küsste ihn, den Neuling zu begrüßen.
Das Land, noch völlig unbebaut, man sagte es unumwunden,
gehörte ihm, falls er sich traut, es zeitig zu umrunden.
Von Sonnenauf- bis untergang dürft er Richtpfähle errichten,
doch nach dem letzten Sonnenstrahl müsst er darauf verzichten.
Am Morgen brach er zeitig auf, hat sich viel vorgenommen,
er steckte das Land im Bogenlauf, was mochte noch alles kommen?
Des Mittags kam er an das Meer, er konnte es selbst nicht glauben,
ein Tisch voll Speisen stand da im Sand, er durfte sich alles erlauben.
Da waren schöne Mädchen auch, die lachten unergründlich,
der Mann, er füllte sich den Bauch, der Rotwein schmeckte sündlich.
Der Mann, er wurde schließlich wach, sein Erdreich zu umrunden.
Die Sonne fiel und stach und stach, der Tisch war längst verschwunden.
Und jeder Schritt, der jetzt gesetzt, verschafft ihm Schmerz und Tücken,
der Mann, er wandert wie gehetzt, umschwirrt von tausend Mücken.
Die Dornen stechen fürchterlich, und weit und breit kein Schatten,
die Sonne brennt erbarmungslos. Es gilt, nicht zu ermatten!
Die Sonne steht schon ziemlich schräg, der Mann muss weit noch laufen,
es quält ihn jetzt ein großer Durst. Kein Wasser da zum Saufen.
Das Fest im Dorf nimmt seinen Lauf, die Sonne sieht man sinken,
der Tanz der Jungen hört nicht mehr auf, die Alten singen und trinken.
Die Sonne schickt den letzten Strahl, vergoldet das Bild irren Lebens,
vergoldet den Traum, schon wird er fahl und sucht den Wandrer vergebens.
Da taumelt wer mit letzter Kraft ... ins Dorf. Was wird geschehen?
Er greift ans Herz, es ist geschafft ... und alle können es sehen:
Er taumelt in die Grube rein , die man für ihn gegraben.
Er stirbt, die Erde ist jetzt sein,
mehr durfte er nicht haben.
l3. Januar 2o16
Grundlage ist eine Erzählung von Tolstoj, aber auch eine Verfilmung des Stoffs (Scarabea), die mich sehr bewegt
hat. Ich habe allein die Erinnerung bemüht, ohne Einzelheiten zu überprüfen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.01.2016.
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