Inge Offermann

… und sie ritten schon bei Morgendämmerung

Wissenschaftlich geplant von langer Hand
und präsentiert auf einer regionalen
Herbstausstellung mit Infostand
und durch verkleidete Museumsmitarbeiter
auf dem diesjährigen Faschingsumzug
öffnete das Landesmuseum im März
seine Pforten für „Cowboy & Indianer
- Made in Germany“, einer einzigartigen
Familienausstellung für Jung und Alt.
 
Besucher erfahren etwas über
die Wurzeln des Interesses
für den Wilden Westen im hiesigen Raum
zu Kaisers Zeiten, geweckt durch
Groschenhefte und Sammelbände
über Buffalo Bill, Lederstrumpf-
und Karl-May-Romane,
endlich verwirklicht in
Buffalo Bills Wild West Show,
als die Stadtbewohner
die Abenteuerhelden
ihrer Träume und Sehnsüchte
endlich live in der Zirkusvorstellung
erlebten: echte Indianer, Scharfschützen,
Kunstreiter, Messerwerfer,
Indianerkultur, Angriffe auf Siedler
und Postkutschenüberfalle.
Tief prägten sich diese Eindrücke ein,
wurden dann von Kindern
spielerisch nachvollzogen
und von Erwachsenen beim Lesen.
Nicht lange dauerte es,
bis erste Westernstummfilme
sich über die Leinwand bewegten
und die Wildwestromantik in
Western- und Indianervereinen
nachgelebt wurde.
 
Das Filmgenre verbesserte sich,
die Vereine vertieften ihr
Basiswissen über den Wilden Westen,
das Interesse an dieser Thematik
überlebte den Krieg und blühte
in den fünfziger Jahren neu auf,
bis es in den Sechzigern
in den Karl-May-Filmen seinen
ersten Höhepunkt fand,
als Winnetou und Old Shatterhand
für das Gute ritten.
 
Gerade an diese Zeit
und Vergangenheit knüpft
die Ausstellung an:
Hier umweht den Besucher  die Nostalgie
von Buffalo Bills und Sarrasanis Zirkuswelten,
von Lederstrumpf und Karl May
anhand von Infotafeln,
alten Fotos, Filmen, Hörstationen
und Ausstellungsobjekten, verbunden
mit fundiertem Hintergrundwissen
über die damalige Zeit und
deutsche Westernromantik.
 
Endlich einmal Winnetous Filmkostüm
mit feinen Perlenmotiven
aus der Nähe im Glaskasten
bewundern dürfen, dann noch
der edle Indianerhäuptling
als lebensgroße Pappfigur
mit seiner bezaubernden
Schwester Nscho-tschi,
die einen strahlend anlächelt,
während er nach einem
für den Betrachter unbekannten
Ziel in die Ferne schaut, vielleicht
seinen Blutsbruder Old Shatterhand erwartend.

Der Wilde Westen ist auch
in der Spielzeugwelt heimisch,
von der entsprechenden Industrie
vielseitig vermarktet.
Anhand diverser Spielzeugfiguren
oder einem Spielzeugfort,
aber auch durch zugängliche
Spielzeugflächen mit Alltagsobjekten
wird das Genre dem Publikum
anschaulich nahegebracht.
Der Anblick von Fotos aus Winnetoufilmen
und der lebensgroßen Figuren
erinnern mich intensiv
an die Kinobesuche der Schülerzeit,
die wir dann mit einem Nachbarmädchen
und deren Bruder auf einer Dachterrasse nachspielten:
Ich den Apachenhäuptling, sie Nscho-tschi oder Ribanna
und ihr Bruder Shatterhand, Firehand oder
eine anderer weißhäutige Karl-May-Figur
oder wie ich mir mein erstes befranstes Indianerkostüm
und eine schwarze Wollzopfperücke anfertigte und mit
den beiden Nachbarkindern zum Faschingsumzug ging,
wie ich durch die beiden angeregt
Winnetoubildchen sammelte,
die wir tauschten und erste Karl-May-Romane
und Jugendbücher über Indianer las
und dadurch mit deren Kultur
und der Geschichte des
wilden Westens vertraut wurde.
 
Auf beweglichen Plüschpferden
reiten Kinder in einem Ausstellungsareal,
als befänden sie sich
auf der Pferdekoppel einer Ranch,
ein künstliches Lagerfeuer lädt
mit Plastikgeschirr zur Rast ein.
Wenn sie die Stadt mit Läden,
Sheriffbüro und Saloon betreten,
informieren Schautafeln und Videos,
wie man ein Pferd anbindet,
ein Lasso knotet, einen Cowboyhut
oder einen Sattel herstellt.
wie es im Sheriffbüro zuging
und wie man im Saloon mit
Bällen Pappwhiskyflaschen beschießt,
wobei ein Scherbensound ertönt.
Hier taucht die Phantasie gerne
in frühere Westernserien wie
„Am Fuß der blauen Berge“, „Bonanza“,
„Rauchende Colts“ oder „High Chaparral“ ein.
 
Im benachbarten Indianerdorf
darf man in die Geborgenheit
eines Tipis eintauchen,
dort auf Sitzmatten über Hörstationen
„Yakari und dem Großen Adler“ lauschen,
Ornamente legen oder spielerisch
das Lagerleben nachempfinden.
Dann folgt der Erkundungsgang
zum Canon mit Felsenblick
auf die Kakteenwüste
und die Überquerung eines
Flüsschens auf dem Balkensteg
zur Spurensuche in der Kletterlandschaft.

Die reichhaltige Spielzeug-, Figuren-,
Comic- und Büchersammlung in Vitrinen,
lässt mich die mich an das Westerndorf
eines Freundes auf seinem Dachboden denken
und an seinen Diavortrag über
die Indianerklischees in Deutschland.
Lebte er noch, hätte er als Ethnologe
sein beliebtes Vortragsthema
für Schulklassen in dieser
Ausstellung wiedergefunden.
Wie liebevoll die Handarbeiten
hiesiger Indianerclubs –
einen besonderen Blickfang
bilden z.B. Tasche und Kissen
mit perlenbestickten Pflanzenmotiven
der Waldlandindianer, bunte Mokassins,
hellbraune Fransenkleider
mit perlenverzierten Umhängen
im Stil der Plains-Indianer,
farbige Männerkleidung mit
Hemd, Leggins und Lendenschurz,
oder eine wallende Federhaube,
aber auch Westernkostüme
von Vereinen und Marlenes Dietrichs
Filmausstattung aus „Der große Bluff“:
ein rosa Tüllhauch von Abendkleid,
ergänzend dazu ihr Westernoutfit
mit Jacke, Hemd, Hose und Stiefeln.

Eingehend informiert die Ausstellung
über den Wilden Westen  in
Film, Musik, Literatur, Malerei und Fotografie,
über Karl May und die Karl-May-Festspiele,
die Umsetzung des Interesses
für den wilden Westen in der früheren DDR
parallel zur Bundesrepublik,
aber auch über die Begegnung
mit dem wilden Westen in Alltag,
Mode, Werbung und Medien.
 
Der goldene Bravo-Indianer in der Vitrine
erinnert mich an den Comic-Indianer Yakari.
Diese unterhaltsamen Comics lasen ich und
mein verstorbener Freund besonders gerne.
Hätte er diese vielfältige Ausstellung
noch besuchen können, wäre er
sicher begeistert gewesen.
 
Zum Abschluss betrete ich noch
den Museumsshop mit seinem
reichen Angebot spannender
und informativen Bücher,
die wie ein bunter Regenbogen
im Regal liegen, mit dem Cowboyhut,
den Traumfängern, Friedenspfeifen
und vielgestaltigem Indianerschmuck
aus Silber, Edelsteinen, Korallen
Muscheln und Perlen.

Dann verlasse ich diese
Traumwelt  der Westernromantik
mit wehmütigem Gefühl,
die Zeit nicht mehr
zurückdrehen zu können.
 
© Inge Hornisch
 

zur Sonderausstellung "Cowboy und Indianer - Made in Germany", Badisches Landesmuseum KarlsruheInge Offermann, Anmerkung zum Gedicht

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