Englischer Apriltag

Zaghaft schaut blau der Himmel
durch dünne, grämlich-graue Wolkenrippen.
Gelassen treiben Silberplatten
auf dem Meer.

Kalkweiß, hochmütig
blitzen steile Klippen.
Von ganz weit unten dröhnen
wuchtig Wellenschläge her.

Spärliche Sonnenstrahlen flirren
in nur halb geglückten Frühlingstänzen.
Dahinten dümpelt
schwarz ein Schiff.

Den Wasserwegen ziehen
dunkle Bojen enge Grenzen.
Verborgen lauert
hier und dort ein Riff.

Zwei Möwen schluchzen,
fliegen Bögen, Kurven, Kreise, jagen Fische.
Hungrige Krähen krächzen
melancholisch, schräg und schrill.

Die See riecht stark nach
kalter, rauer Frische.
Vom Wind zerfetzte Zweige
halten ängstlich still.

Denn fern grollt Sturm
dämonische Synkopen.
Abseits lagert im Dunst
ein Vorgebirge schwer wie Blei.

Der Sommer überwintert
egoistisch in den Tropen.
Dem Frühling ist
das Alles einerlei.*
 

*Die Urfassung entstand am 7.4.1995 auf der Promenade des englischen Seebades Broadstairs in Kent Südostengland. Dort habe ich einen wunderbaren Urlaub verbracht und außerdem Ausflüge nach London, Cambridge und Oxford unternommen. In London und Cambridge war ich schon vorher gewesen, in Oxford erstmals.
Zusätzlich habe ich Mortimer besucht, ein kleines Nest bei Reading, in dem ich 17jährig 1961 als Fußballpieler des SSC Ergste in der Familie des Torwarts Harry Steele vom FC Mortimer Garth eine Woche als perfekt umsorgter Gast weilte. Die Dorfbewohner, vor allen Dingen die jungen Damen, Norma, Sheila usw., haben uns so kurz nach dem brutalen Nazikrieg gegen England sehr liebenswürdig aufgenommen.
Eine alte Dame hat ein paar Mitspieler und mich von der Straße weg in ihr Haus und zum Tee eingeladen.
Ansonsten hatte sich in Mortimer seit 1961 so gut wie nichts geändert. Viele meiner damaligen Mitspieler sind leider schon gestorben.
Das Gedicht habe ich oft überarbeitet. 1997 erhielt ich dafür den mit 1000 Euro dotierten Mannheimer Literaturpreis in der alten Mannheimer Feuerwache überreicht. Anschließend las ich es vor, ich glaube nicht sehr gut. Das war schließlich meine erste und bis heute leider  einzige Preisverleihung
Die Mannheimer Räuber-Literaten waren trotzdem sehr zuvorkommend zu mir. Anschließend haben sie mich noch zu einem schmackhaften Essen bei einem Griechen eingeladen.