Konstantin von Gunten

Weg des Trojan - Teil 3

Zahlreiche Hügel tauchten auf,
hartnäckig kämpfte sich das Pferd hinauf.
Die Landschaft wurde rau und karg,
hinter manch einem Strunk sich ein Felsspalt verbarg.
 
Von Hügelspitzen sah er die Sonne untergehen,
und den Wind heulend über die Baumspitzen wehen.
Das Wehklagen des Windes war voller Trauer und Leid,
manch einem Laubbaum verwehte er das Blätterkleid.
 
Bald, so glaubte Osar, er würde seine Blume finden,
dann bliebe es nur noch den Rückweg zu überwinden.
Geworden er war müde von seiner Reise bald,
und sehnte sich nach einem längeren und sicheren Halt.
 
So kam es ihm doch gut gelegen,
erblickte er eine Stadt auf seinen Wegen.
Am Fusse eines Hügels breit verteilt,
lagen Holzhäuser dicht aneinander gereiht.
Dahinter, majestätisch und wie ein Wall gross,
sich von Nord nach Süd ein Gebirge ergoss.
Die langersehnten Berge, dort wuchs Osars Kraut,
das würde ihn bringen zu seiner Braut.
 
Und die Stadt war für seine Suche ideal platziert,
als Ausgangslage am Bergfuss stationiert.
Osar wusste noch gut, wie man ihn im letzten Dorf hatte empfangen,
wie man ihn hatte eingesperrt, gedemütigt und gefangen.
Doch sich verstecken war ihm zuwider,
ausserdem sehnte er sich nach Menschen wieder.
 
So ritt er in die wundersame Stadt hinein,
die Einwohner beäugten ihn misstrauisch, doch liessen ihn sein.
Sie hatten runde Gesichter, waren gedrungen und klein,
und trugen sie Kleider aus Wolle und Lein.
 
Osar stieg ab, versuchte mit Leuten ins Gespräch zu kommen,
doch sie blickten zu ihm nichts verstehend, benommen.
Sie verstanden ihn nicht und auch mit Gebärden
konnte das Gespräch nicht einfacher werden.
 
Es erschienen bald Männer mit Speeren,
Osar machte sich bereit, sich zu wehren.
Doch sie waren ruhig und auf eine freundliche Weise
deuteten sie ihm mitzukommen und er folgte ihnen leise.
 
Sie führten ihn zu einem grossen Palast aus Holz,
der im höchsten Punkt der Stadt fast mit dem Felsen verschmolz.
Drinnen war alles reich und prachtvoll geschmückt,
mit Gold und Silber verziert und schön hingerückt.
 
In einer Halle sass auf dem Thron stolz und mächtig,
ein wichtiger Mann, der betrachtete Osar ganz bedächtig.
Um ihn herum schwärmten Diener, in Ketten gelegt,
durch zornige Blicke der Aufseher belebt.
 
Osar und der Mann auf dem Thron
versuchten zu kommunizieren in klarem Ton.
Doch auch hier erwies sich’s als schwierig,
bis ein Diener auffasste Osars Rede gierig.
 
„Ein Slawe? Du? Den Göttern sei Dank!“,
rief er voller Freude von seiner Arbeitsbank.
Der Aufseher war schon da, um ihn für den Ausruf zu bestrafen,
Während dieser nicht aufhören konnte Osar zu begaffen.
 
Bevor des Aufsehers Stock auf den Mann einschlug,
er dem Häuptling auf dem Thron einen Satz vortrug.
Daraufhin mit einer brüsken Bewegung der Hand,
der Häuptling den schmerzhaften Stockhieb des Aufsehers unterband.
 
Der Sklave wurde nach vorne gedrängt,
wo er zum Häuptling redete, den Kopf gesenkt.
Dann wendete er sich Osar zu und sprach mit unterdrückter Freude:
„Bin Witko, ein Slawe. Versklavt bin ich in diesem Gebäude.
So sag doch, bist auch vom Dnjepr? Wie kommst du hierher?“
Ist mit dir von unseren Leuten hier sonst noch wer?“
 
„Ich heisse Osar, bin alleine hier, mit dem Göttersegen,
komme vom Dnjepr her, einer Heilpflanze wegen.“
 
Plötzlich, Witko bekam vom Aufseher einen Hieb,
und übersetzte Osars Worte, während er sich die getroffene Stelle rieb.
Der Häuptling kratzte nachdenklich seinen Bart,
Dann sagte er etwas in erhabener Art.
Um grösser zu erscheinen, erhob er sich sogar.
Bedrückt nickte Witko und wendete sich an Osar.
 
„Nun werde ich mich auf das Übersetzen konzentrieren,
um nicht zu verärgern diesen albernen Irren.“
Der Häuptling sprach, der Sklave dabei willig übersetzte,
und dennoch ab und zu der Aufseher ihm einen Schlag versetzte.
 
Der Häuptling meinte, es sei sein Reich hier weit und breit,
um zu verlassen es er müsste wandern weit.
Und wenn er etwas will von seinem Boden nehmen,
da muss Osar als Gegenleistung etwas geben.
 
Und auch wenn es doch nur eine Blume ist,
so wird auch da ein Gegenpreis vermisst.
Was hat Osar im Gegenzug zu bieten,
Wenn’s nichts ist, so muss er ihm die Handlungen verbieten.
 
„Sei auf der Hut, Osar“, der Sklave fügte zügig an,
„Der Häuptling ist ein gieriger Mann.
Wie du war ich gekommen her, vor langer Zeit,
und hatte für ihn nicht einmal ‘ne Kleinigkeit.
So ging es lange nicht und war ich tief in seiner Schuld,
und dieser Narr war voller Ungeduld.
So musste ich schliesslich meine Freiheit verkaufen,
und arbeite nun wie ein Rind ohne Zeit zum Verschnaufen.“
 
Osar nickte und nahm heraus langsam und geheimnisvoll,
das Säcklein vom Jarl Strebór, mit griechischen Münzen voll.
Er schüttete heraus eine Handvoll silbernes Metall,
und zeigte Sie den Anwesenden im Saal.
 
Der Häuptling, gierig, sprang vom Thron,
beherrschte sich, und sprach in ruhigem Ton:
„Nicht schlecht, doch fürchte ich, das wird nicht reichen,
um Schulden für das Pflücken der Pflanzen zu begleichen.
Mehr kostet es, als du zu denken dir vermagst,
doch gibt es etwas, das du für mich machen kannst.
Und wenn du das zu erfüllen schaffst, so bist du frei sogleich,
zu pflücken und zu sammeln alle Pflanzen in meinem Reich.
Eine Höhle gibt es hier, hoch in meinen Bergen,
unmessbar viele Schätze sollen sich dort verbergen.
Sie schlummern dort irgendwo in den dunklen Gängen,
nur wenige haben gewagt, sich dort rein zu zwängen.“
 
Des Häuptlings Augen schienen gar zu brennen,
die Gier war darin klar und deutlich zu erkennen.
Osar sah in den wilden Augen die Lösung für sein Ziel,
und zu verlangen schien der Häuptling nicht allzu viel.
 
Im Übersetzen fügte Witko geschickt noch ein,
„Das ist der Wahnsinn, Freund, lass es sein.
Du glaubst nicht, wie viele Leute es probierten,
und sich zu Tode dort verirrten.
Sibiren wohnen dort, so habe ich sagen hören,
ein Volk von Zwergen, denen all die Höhlen hier gehören.
Sie wachen über ihre Schätze in ihrem Reiche,
und jeder, der sie antrifft, wird zur Leiche.“
 
Da sprach Osar: „Zu weit bin ich gekommen,
zu viel Mühe und Leid auf mich genommen,
um sich vor einer dunklen Höhle zu ergeben,
oder diesem Häuptling mein Leben hinzugeben.
Sag ihm Witko, ich werde seine Schätze finden,
doch werde ich eine Bedingung hier anbringen.
Wenn ich zurück bin und seinen Reichtum hab gefunden,
so sollst du, Witko, von deinen Diensten sein entbunden.“
 
Witko: „Ich danke dir für diesen Hoffnungsschimmer,
dankbar werd‘ ich dir sein dafür für immer,
doch kosten könnte deine Wahl dir hier das Leben,
die Götter sollen Kraft und Mut dir geben.“
 
Der Häuptling fing an Ungeduld zu zeigen,
und Witko übersetzte rasch um keine Schläge zu erleiden.
Verärgert zeigte sich der kleine grosse Mann,
doch er Osars Bedingungen annahm.
 
Und nur nach einer kurzen Übernachtung,
unter schärfster Beobachtung,
ausgerüstet mit Seil, Fackeln und seinen Sachen,
geführt er wurde zum Höhlenrachen.
 
Der Eingang war in einer tiefen breiten Spalte,
verborgen unter einer Gesteinsfalte.
Die feuchte Luft roch schwer und abgestanden,
weisse Mineralkrusten waren hier und da entstanden.
 
Von aussen sah man einen Gang nach unten gehen,
die Dunkelheit liess einen nur unweit sehen.
Bei diesem Anblick in Osar die Unruhe breit sich machte,
und gleich erging es wohl der Gruppe, die über ihn wachte.
 
Dass viele Menschen hier ihre letzten Stunden hatten,
liess sich anhand der Leichen leicht erraten.
Sie waren wohl zurückgekehrt mit leeren Händen,
und auf Befehl des Häuptlings mussten hier verenden.
 
Alleine und gebückt betrat Osar den Felsenschlund,
lief angespannt auf dem feuchten, rutschigen Grund.
Und bald war er alleine in der dicken Dunkelheit,
nur der Fackel schwaches Licht gab ihm Geleit.
 
Das Licht kroch träge, eingeschüchtert vorwärts,
das Schattenspiel zum Rasen brachte Osars Herz.
Ein Luftzug aus den dunklen Tiefen blies,
so als ob Stribog Osar zum Umkehren wies.
 
Doch stur tastete Osar sich durch die braunen Gänge,
er watete durch klare Seen, kroch durch Passagen enge,
er kletterte fast senkrecht in die Höhe und versuchte nicht,
daran zu denken, wie er rauskommen könnte ans Tageslicht.
 
Stattdessen an seine Heimat dachte er im Geiste munter,
an Jarl Strebor, Rusana und seine verstorbene Mutter.
Doch die Gedanken fixierten sich schon bald,
an Lola, die geheimnisvolle Hexe im Wald.
 
Gerissen wurde Osar aus seinen Träumereien,
als er verspürte eine tiefe Angst in seinen Innereien.
Angst, die schien ihn wie ein wildes Tier zu überfallen,
von aussen sie kam, um sich an sein Innerstes zu krallen.
 
Da fing Osars Gehör ein tiefes, unerkenntliches Gebrummel,
dazwischen Töne, wie von einer fliegenden Hummel.
Das Angstgefühl schnürte Osar zu die Atemwege,
liess auf die Knie fallen ihn, nach Luft er schnappte rege.
Wie durch unsichtbare Geisterhand,
erlosch die Fakel in Osars Hand.
 
Die Töne wurden plötzlich langsam, deutlich,
eine tiefe, kratzende Stimme erklang bedrohlich,
„Geh weg, verzieh dich, fremdes Menschenkind,
lass tragen dich nach aussen von unserem Wind.
Oder bleib hier und stirb, wie schon etliche vor dir,
in unser Reich des Berges eingedrungen bist du hier.“
 
Voller Angst, geschwächt und kurz vor dem Ersticken,
war Osars Geist schon kurz davor da einzuknicken.
Er drehte sich um und wollte schon die Flucht ergreifen,
da hörte er seine dreischneidige Axt am Steine schleifen.
Er zog sie, hob sie drohend, kniend auf einem Bein,
und liess die Klinge sausen gegen einen Stein.
 
Es klirrte und die Höhle war durch einen Funken kurz erhellt,
Osar, laut: „Hinweg mit euch, ihr Geister dieser Unterwelt!“
Er stand auf und tastete voran sich, entlang der einen Wand,
und schlug die Axt zum zweiten Mal mit angespannter Hand.
 
„Oh, Trojan, steh mir mit deinen Kräften bei,
dank dir bin ich doch hier, und mein Wille frei.
Mein Schicksal liegt in meinen eigenen Händen,
ich werde nicht in dieser feuchten Höhle enden!
Hinweg mit euch, ihr dunkle Höhlenkräfte,
lasst ab von mir, lasst ruhen meine Lebenssäfte.
So spürt die Macht der Dreifaltigkeit,
denn nichts ist stärker als Entschiedenheit!“
 
Dutzend Schritt gekommen war Osar, blind, der Wand entlang,
als zum letzten Mal erklingen liess die Klinge er mit klarem Klang.
Der Funkte sprang und traf die Fackel wie gezielt,
und es entsprangen frische Flammen auf ihr wild.
 
Osar bewegte sich voran, mit neuen Kräften, neuem Mut,
nichts war zu spüren mehr von der geisterhaften Wut.
Mit sicherem Schritt, stur vorwärts schreitend,
Osar wählte einen Seitengang, sich von Gefühlen leitend.
 
Nach einiger Zeit, die ihm wie Ewigkeit vorkam,
er plötzlich vor sich eine Halle zur Sicht bekam.
Die Halle, so gross, wie ein Festsaal im Palast,
mit gespaltener Decke trug sie des Berges Last.
 
Bedrohlich hingen Steinkegel, wie Speere in der Luft,
und in der Halle stand ein dicker, faulender Duft.
Hier wieder drückte auf Osar eine unsichtbare Masse,
ein Todesfluch, heraufbeschwört von der unbekannten Höhlenrasse.
 
Wie weggefegt war lebensnotwendige Höhlenluft,
Osars Verstand zu fallen schien in eine Kluft.
Doch sah er, angehäuft in einer Hallenecke,
den grossen Schatz, fast reichend bis zur Decke.
 
Da lagen Münzen, Krüge, und mit Edelsteinen volle Grale,
Schmuck, Waffen aus Gold und Silber, und seltene Kristalle.
Die Stimme sprach: „Sieh, Mensch, hier wirst du sterben,
und die von dir ersehnten Schätze werden dich umgeben!“
 
Osar: „Hinweg, ihr dunkle Wesen, Trojan ist auf meiner Seite,
nicht wegen diesem Schatz zog ich in die unbekannte Weite.
Ich bin nicht hier, um dies zu nehmen und reich zu werden,
und werde ich auch nicht hier elend an euren Worten sterben!
Und euch zu beweisen, dass ich ernst es meine,
lasse ich meine eigenen Schätze hier alleine.“
Mit diesen Worten, erstickend schon beinahe,
Kroch er zum Schatzberg, dem Tode nahe.
 
Mit Schmerzen hatte er sich zusammengerafft,
und schleppte seinen Körper mit geistiger Kraft.
Auf den Schatz fiel klirrend Osars Silbersack,
erleichtert er sich plötzlich zu erheben vermag.
 
Der Todesdruck, er hatte nachgelassen,
das unsichtbare Wesen hatte ihn wohl verlassen.
Jetzt auch verspürte mit Erleichterung Osar,
leichten Windzug der wehte ihm durchs Haar.
 
Dem Winde folgend und den Schatz passierend,
ging Osar los, seinen Geist entwirrend.
Trotz Licht der Fackel sah er verschwommen,
und fühlte sich immer noch leicht benommen.
 
Er passierte die Halle entlang der Wand,
bis er eine enge Öffnung fand.
Er zwängte sich durch, die Fackel vorstreckend,
die Luft hier war frisch und erweckend.
 
Der bare Wille, der Höhle zu entkommen,
trieb ihn weiter voranzukommen.
Er wusste nicht wie, doch auf einmal war er draussen,
und blickte auf die verwachsene Höhlenöffnung von aussen.
 
Es war tiefe Nacht, von allen Seiten erklang,
beruhigend wirkender Insektengesang.
Wie ein gestickter Teppich in unendlicher Ferne,
bedeckte die Landschaft der Himmel voller Sterne.
 
Osar schabte zur Höhlenpforte trockenes Gras,
und schaute zu, wie das Feuer der Fackel es aufass.
Lichterloh brannten die Flammen, erhoben sich hoch,
zerstörten Ranken und Wurzeln und legten frei das Loch.
 
Die Dunkelheit zuckte zusammen als das Feuer erlag,
und auch die Fackel nicht weiter zu brennen vermag.
Osar fühlte bald die Erschöpfung und an Stelle und Ort,
legte sich hin auf die Decke und schlief ein sofort.
 
Die Wärme der Sonne weckte ihn auf,
mit Erleichterung schlug er die Augen auf.
Ein goldiges Gelb sein Blick hier erfasste.
Vorsichtig Osar die feinen Blüten anfasste.
 
Es war seine Pflanze, dessen war er sich klar.
Die ganze Wiese von ihr überwachsen war.
Wie Lichtinseln ihre goldigen Stauden strahlten,
und die karge Berglandschaft ausmalten.
 
Osar die sonnigen Blüten und dicken Blätter beäugte,
und sich schliesslich tief vor den Blumen verbeugte.
Mit Hilfe der Axt grub er eine Staude aus,
nahm sie samt Stängel und Wurzel heraus.
 
Er merkte die Stelle, häufte Steine hier auf,
mit der Pflanze im Sack, er marschierte bergauf.
In alle Himmelsrichtungen er schaute vom Grat,
und er entdeckte schnell die Holzbauten der Stadt.
 
Nach einem Tagesmarsch die Stadt erreichte er,
erschöpft und schläfrig, doch entschlossen sehr.
Die Leute mit Erstaunen ihn beäugten,
und andere begrüssend sich verbeugten.
 
Sie gaben Wasser ihm und Brot,
und jemand ihm sogar ein Bett anbot.
Erschöpft er dankbar ass und trank,
und bald schon er in tiefem Schlaf versank.
 
Am nächsten Morgen er marschierte zum Palast,
um sich zu entledigen von der ihm auferlegten Last.
Beim Eingang er sah sein Pferd, roch den vertrauten Duft,
traf einige Krieger an, die begleitet hatten ihn zur Gruft.
 
Sie glaubten ihn tot und längst vergessen,
begafften sie ihn jetzt doch wie besessen.
Zum Häuptling kam er, dieser war erstaunt, voller Ungeduld,
der Häuptling schrie, schlug Witko, als wäre er an allem Schuld.
 
Witko: „Wo warst du nur Osar, wie glaubten dich tot,
verschwunden warst du Tage in diesem Höhlenort.“
Osar: „Zurück bin ich, gefunden habe ich den Schatz.“
Bleich im Gesicht übersetzte Witko diesen Satz.
 
„Wo? Wie?“ Der Häuptling wollte alles wissen,
Sein Blick war wie des Dämons feurig, aufgerissen.
Osar: „Markiert die Stelle habe ich,
und dorthin führen kann ich dich.
Lass reiten uns gleich jetzt, die Stelle zeige ich dir,
und dann wie abgemacht, kann Witko gehen mit mir.“
 
Rasch war der Häuptling auf dem Pferd, bereit zum Reiten,
In Häuptlingstracht und Kriegern auf beiden Seiten.
Sie ritten hoch auf den Berg, Osar sie führte an,
die Gruppe er an seinen Steinhaufen brachte ran.
 
Erzählte er vom Schatz, der Häuptling hörte wie gebannt,
geschockt er sah den Eingang den Osar hatte freigebrannt.
Mit blitzenden Augen sprang er vom Pferd,
und rannte los zum Höhlentor, von Gier genährt.
 
Begann er seine Krieger von sich weg zu hetzen,
schrie, sie alle sollen bleiben fern von seinen Schätzen.
Verwirrt über den Anblick und hin und her gerissen,
„Was ist denn jetzt mit mir?“, so wollte Witko wissen.
 
„Geh weg! Hinfort mit dir, du Narr!“, schrie der Mann,
dämonenhaft, dass einem in den Adern fast das Blut gerann.
Mit einer Fackel, der Häuptling ging suchen seinen Fund,
stolpernd, ächzend, verschwand im dunklen Schlund.
 
Osar zu Witko sprach: „Lass uns nun gehen,
hier gibt es nichts für uns zu tun, zu sehen.
Und sag den Kriegern hier, sie sollen von hier gehen fort,
Der Schatz ist nur für Tote und dies ist ein verfluchter Ort.
Beschützt der Schatz wird von unsichtbaren Wesen,
des Häuptlings letzte Worte waren’s hier gewesen.
Sie sollten einen neuen Führer auf den Thron erheben,
doch diesmal einem Weisen die Macht sie sollen geben.“
 
Witko stieg ab, fiel vor Osar auf die Knie,
„Befreit hast du mich von meiner Qual und Lethargie!“
 
„Steh auf, Witko, lass uns keine Zeit verlieren,
denn bald beginnt hier eine Zeit der Wirren.
Lass reiten uns zurück in unsere ferne Heimat,
denn wartet auf mich dort die langersehnte Heirat.“
 
So ritten sie bergab, alles hinter sich lassend,
und auf eine lange Reise sich mental anpassend.
Nach Westen ging es nun, zurück durch Wälder, Steppen,
durch weite Täler, sandige Dünen und weite Hügelketten.
Die Reise ging voran, anstrengend doch ohne Zwischenfälle,
entspannter, freier wurde es beiden auf der Seele.
 
Einen weiten Bogen machten sie um „Itra-Kar“,
die Stadt für Osar zur Todesfalle fast geworden war.
Der Herbst zu zeigen sich begann, durch Kälte und den Regen,
und immer früher sich begann die Sonne auf den Horizont zu legen.
 
Als Witko und Osar Bolgar und Wolga hinter sich liessen,
so fühlte sich Osar gar hin und her gerissen.
Je näher er der Heimat näherkam,
tiefe Beklommenheit ihn überkam.
 
Und wie der Herbst, auch Sorgen fingen an, Osar zu plagen,
Erinnerungen an die Vergangenheit an ihm zu nagen.
Gedanken an Rusawa und die Hochzeit machten ihn nicht heiter,
er dachte an die Zukunft und wusste nicht wie weiter.
 
Mit Trojans Macht und Tronatron, dem wahren Namen,
dem eigenen Schicksal legte Osar sich den Rahmen.
Dem Herz war er gefolgt auf dieser schweren Reise,
nicht dem Verstand und nicht ganz auf freiwillige Weise.
 
Geblendet er gewesen war durch Rusawas Schönheit,
getrieben nur durch innere Triebe und die eigne Dummheit.
Der fremde Wille hatte ihn danach gesteuert und geleitet,
und so zu immer neuem Wissen über sich verleitet.
 
Dank Lolas Lehren er sich selber hatte neu entdeckt,
in ihm sie hatte Selbstsicherheit und Glaube erweckt.
Geglaubt hatte er an sich und seinen Schicksalspfad,
und kam so weit auf seinem schwierigen Lebensgrat.
 
Lola hatte ihm den Weg gewiesen,
ihn in der wahren Götterkraft unterwiesen.
Und das Wichtigste, er fühlte ihr sich zugeneigt,
als einzige sie hatte Liebe ihm gezeigt.
 
Beklommenheit und Sehnsucht, doch nicht nach Hof und Haus,
verborgene Gefühle wollten plötzlich aus ihm heraus.
Dann eines Morgens, als früh er aufstand,
sein Schicksal klar und deutlich er verstand.
 
Zu Witko sprach er: „Mein Freund, hör‘ mich an,
begleiten werde ich dich nicht an den Dnjepr ran.
Entschieden endlich habe ich mich,
und um einen Gefallen bitte ich dich.
Ein anderes Ziel steht nun vor mir,
das alte möchte ich übergeben dir.“
Er reichte ihm die Tasche mit den Pflanzen,
verstaute aber zwei in seinem Ranzen.
 
„Zum Jarl in meiner Stadt sollst bitte reisen,
von meiner Reise ihn im Detail unterweisen.
Übergebe dem Hexer Krak das heilende Kraut,
und richte aus einen Gruss an meine Braut.
Dass ich nicht komme, wird bereiten ihr wohl keinen Schmerz,
wer weiss, vielleicht du wirst sie schliessen dir ins Herz.
Mein Hof, mein Land und mein Getier,
wenn du möchtest, so gehören sie dir.
Sag du‘s dem Jarl und er wird alles in die Wege leiten,
das war’s, ich werde meines Weges reiten.“
 
Witko: „Ein seltsamer Mensch bist du Osar,
und deine Bitte, wahrlich sonderbar.
Für meine Freiheit bin ich dir tausende Gefallen schuldig,
sie zu erfüllen warte ich schon ungeduldig.
Doch deine Bitte ist mehr wie ein Gefallen an mich,
zum zweiten Male retten willst du mich?
Natürlich, nicht nur werde ich ihn erfüllen,
mit Ruhm und Ehre werde ich deinen Namen füllen.
Von dir erzähl‘ ich allen, das ist dein Lohn.
Auf ewig leben soll der Name Tronatron!“
 
Sie trennten sich, bevor den Dnjepr sie erreichten,
beim Abschied Witkos Gefühle sich erweichten.
Mit Tränen in den Augen umarmte er Osar,
dann auf dem Pferd er schnell verschwunden war.
 
Alleine ritt Osar weiter in den dichten Wald,
auf einem alt bekannten Weg er fand sich bald.
Es war schon Herbst, die Blätter fielen traurig zur Erde,
und Vögel klagten mit Beklommenheit, wie kahl die Landschaft werde.
 
Inmitten dieser farbenfrohen, kühlen Welt,
Mit viel Selbstbewusstsein ritt unser Held.
Auf einer Lichtung, die Waldhütte endlich er entdeckte,
die in ihm Hoffnung und die Liebeslust erweckte.
 
„Sieh her, Trojan, wo deine Macht
nach all den Tagen mich hat hingebracht!“
Als Osar zur Hütte näher ritt,
mit einem sanften Hauch die Türe aufglitt.
 
So blendend schön erschien im Rahmen feuriges Rot,
als käme raus höchst persönlich ein Feuergott.
Wie Flammenzungen schlängelten die roten Haare sanft im Wind,
inmitten Lola, stand da unschuldig wie ein Kind.
 
Sie: „Da bist du, Tronatron, zurückgekehrt zu mir,
und spüre ich Trojans selbstbewusste Macht in dir.
Sie sagt mir, du bist nicht nur auf Durchreise“,
das sagte sie auf verführerische Art und Weise.
 
Osar ging zu ihr, von überschwänglichen Gefühlen leicht benommen,
„Du bist nicht überrascht, du wusstest, dass ich werde kommen?“
„Nicht umsonst, Pravorada zum wahren Namen heisse ich,
wahrhaftig, richtig und bedacht endscheiden kann ich mich.
Und deine Braut? Wie hast du dich entschieden?
Oder hast die endgültige Entscheidung noch gemieden?“
 
Mit bewusstem Griff zog Osar Lola fest an sich,
„Entschieden habe ich mich, und zwar für dich,
lass uns den Lebensweg zusammen nun bestreiten,
die Kräuter mischen, heilen, einen kleinen Hof verwalten.“
 
Die Hexe strahlte, legte ihren Kopf auf Osars Brust,
„Ja, wir tun das“, sagte sie mit voller Lust,
„Lass uns nun Trojan in einem Dankeslied besingen,
dass er dich und mich zusammen konnte bringen.
Und viele Kinder werden haben wir von dir,
ich fühl‘ schon einen Sohn, den trage ich in mir.
Es soll mit Macht der Götter dieser Welt begegnen,
sein Ziel erreichen, möge es stürmen, möge es regnen.
Im dritten Monat des Jahreskreises kommt dein Sohn,
So wird auch tragen er den Namen Tronatron!“
 
]]]
 
Ohne Unterbruch ich die Geschichte gern anhörte,
Es war schon Abend als der Priester zu erzählen aufhörte.
Nun sah ich mehr im Bild, das war so alt doch heil,
darauf Trojans Mann mit dem dreischneidigen Beil.
 
Der Priester lächelte und nickte sehr zufrieden,
„So schenke Gott doch allen Glaubenden Frieden.
So wie dieses alte Bild so lange hat an diesem Ort gehangen,
hat auch die Geschichte von Osar die Zeit heil überstanden.
Nicht richten will ich über Falsch und Richtig im Erzählten,
nicht ich entscheide, ob Osar und seine Freunde richtig wählten.
Und wichtig ist nicht, an welche Götter er geglaubt,
entscheidend ist, dass er der Angst sich hat beraubt.
Gehandelt hat er weise, geglaubt an sich selbst er hat,
um Macht und Selbstbewusstsein bei sich selber immer bat.
Mit Glaube, Überzeugung und Vertrauen,
hat er sich einen eigenen Weg gehauen.
Mich persönlich hat die Geschichte reich belehrt,
des Glaubens am mich hat sie gelernt.
Nun muss ich gehen, viel Arbeit auf mich wartet,
und danke dir, dass hast du bis zum Schluss gewartet.“
 
So ging er, und ich bedankte mich für das Erzählte,
zum Bild ich blickte, dann auch ich zu gehen wählte.
Verliess die Ruhe ich der Kathedrale, und auf der Strasse,
da packe mich die alte Welt, die liebe ich und die ich hasse.
 
Es kam gleich alles, Gefühle, Ängste, Sorgen,
Gedanken, was zu erledigen ich habe morgen.
Doch dann entschieden schob ich alles zur Seite.
Ich sagte mir, ich bin derjenige, der mich leite.
 
Die Angst, die Sorgen, und unsichere Gefühle,
zum Mahlen warf ich sie gedanklich in eine Mühle.
Mit Glauben an mich ich werde allem nun begegnen,
wie Osar werde ich selbstbewusst den Pfad mir ebnen.
 
Wie wahr es ist, dass unser Schicksal liegt in unseren Händen,
begrenzen sollten wir es nicht mit selbst hingestellten Wänden.
Und wie der Lebensweg von uns wird werden,
bestimmen wir alleine auf Erden.

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Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Konstantin von Gunten).
Der Beitrag wurde von Konstantin von Gunten auf e-Stories.de eingesendet.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.12.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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