Alois Gerlach

Marys Hut ca. 1947

Nun gut, nun gut, ich werde euch heut sagen,
was jahrelang den Mund mir scheu verband:

Es nahte Namenstag  in Nachkriegstagen,
doch fand ich nichts im ganzen Land,
das Herz der Schwester Mary zuzutragen
und suchte krampfhaft mir ein Unterpfand.

Der Krieg war aus, das sinnlose Geschehen,
und viel war nicht, was man besaß,
die Läden leer, es gab nichts zu erstehen,
was meiner Neigung rechten Wert ermaß.

Doch halt! - lass mich das Fenster noch mal sehen,
wo hinter leukoplastbeklebtem Glas
ein Hut sich brüstet, keck auf hohen Ständern,
ein breitbekrempter jugendlicher Spaß
mit blauer Feder und mit breiten Bändern.
Er war nur da und wartete - und saß

Ich sah ihn an und ging von hinnen.
Doch überall verfolgte mich der Hut,
als könnte man nichts Schöneres gewinnen
als dieses, meiner Neigung höchstes Gut.

Wie einst bei Tell, hoch oben auf der Stange,
saß er und nickte, wenn ich grüßend sah.
Ich-er-verliebt-wie war mir heiß und bange-
ich floh-und kam zurück-und er saß da

Er saß am Fenster, wie am Netz die Spinnen
und zog die Fäden unabänderlich.
Ich suchte immer wieder zu entrinnen,
doch umso mehr verfing ich haltlos mich.

Ich lief hinweg-und kehrte immer wieder,
voll Angst, er könnte,  käm  ich, nicht mehr sein.
Ich zog Bilanz im ew´gen Auf und Nieder
und ließ die Kasse schließlich Kasse sein

Ich malte Marys Haupt in seinen Schatten
mit Lichtreflexen wie von Renoir,
die Blicke ahnend, die ein Staunen hatten
und fand, dass mit ihm alles schöner war

Beim zehnten Anlauf, ganz verschossen,
erstürmte ich den Laden und den Hut.
Und wohlbehütet und entschlossen,
bracht´ ich ihm Mary, als mein Herzensgut.

Ich gab ihn ihr um neun zum Namenstage.
Sie dankte höflich mir um halber zehn.
Um elf entnahm sie´s Fahrrad der Garage
Um zwölf am Tag war alles schon geschehen.

Nun sitzt er wieder oben auf der Stange
und grinst mich an, wenn ich vorübergeh.
Ich meide ihn und Gruß und Weg schon lange
und geh um ihn herum mit meinem Weh.

Nein, Mary sah ich nicht mit  Hut,
mit diesem nicht, in dem mein Herz geruht.
Der Schmerz macht weise, wie das Sprichwort sagt.
An Hüte hab ich nie  mehr mich gewagt…

 

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