Heinz-Walter Hoetter

Die Ballade von der alten Eiche

Im kühlen Schatten einer großen Eiche, da stand mein Elternhaus.

Ja, die schönste Zeit in meinem Leben wurde schon bald daraus.

 

Unter ihrer mächtigen Eiche Blätterkrone, da spielte ich so oft als Kind.

Als ich dann ein großer Junge war, stand ich vor ihr im Sommerwind.

 

Durch ihre vielen knorrigen Äste fielen die warmen Strahlen der Sonne.

Der laue Wind spielte mit meinen blonden Haaren, welch eine Wonne.

 

In der alten Eiche grünem Blätterdache, da sangen auch die Vögel fein.

Dann spielte mein kleines Kinderherz gleich mit und freute sich am Dasein.

 

Voller Ehrfurcht liebte ich die alte Eiche, die wie eine Kirche für mich war.

Doch irgendwann wurden die wunderschönen Lebenstage unter ihr bald rar.

 

Als junger Mann musste ich mein geliebtes Heimatland sehr früh verlassen.

Ein letzter Blick zur alten Eiche noch, dann hab' ich alles zurück gelassen.

 

Die Erinnerungen an meine Eiche blieben wach, ich wollte sie wiedersehen.

Ich reiste irgendwann zurück in meine Heimat, wollte nur noch vor ihr stehen.

 

Oh ja, mein Baum stand immer noch, so grün und mächtig wie zur Kinderzeit.

Das Vaterhaus gab es nicht mehr, auch keine spielenden Kinder weit und breit.

 

Es gab einen Parkplatz mit vielen Autos drauf, vor einem modernen Kaufhaus.

So stand ich stumm vor meiner alten Eiche, sah sie an und ließ Tränen raus.

 

In Gedanken versunken hörte ich eine Stimme, eine schöne und so weiche.

Sie sprach: "Suche nicht nach dem, was du verloren hast im Kinderreiche!"

 

"Das Dasein der Menschen ist wie ein großes, verzweigtes Blättergeflecht.

Schau' mich an, alter Mann! Du warst mir schon als Kind ein treuer Knecht."

 

"Als kleiner Junge hast du damals unter meinen mächtigen Ästen gespielt.

Ich war für dich wie eine Kirche, die dich beschützte und am Leben hielt."

 

"Doch ich werde hier noch stehen, wenn du schon lange nicht mehr lebst.

Dann komme zu mir zurück und stell' dich vor mich hin, wo du jetzt stehst!"

 

"Ich habe ganz oben in meiner weiten Blätterkrone einen Platz für dich.

Und wenn dich die Ewigkeit für immer ruft, so gehe und verlasse mich."

 

Benommen lag ich unter der alten Eiche und bin aus tiefem Traum erwacht.

Ich hörte, wie jemand sagte: "Wir haben uns echte Sorgen um sie gemacht."

 

Man brachte mich in mein Hotel zurück, wo ich dann noch einige Tage blieb.

Ich verließ meine Heimat wieder und die alte Eiche, beides war mir ja so lieb.

 

Noch einmal kam ich mit dem Auto vorbei an meinem vertrauten Eichenbaum.

Es schien fast so, als würden seine grünen Blätter winken wie in einem Traum.

 

(c)Heiwahoe

Anmerkung zu dieser Ballade

Ich wurde in Diebrock / Kreis Herford in NRW geboren. Dieser Ort liegt in der Nähe von Bielefeld (Ostwestfalen). Ich verbrachte meine Kindheit auf dem Land, wo es sehr schön war. Meine beiden Schwestern und ich spielten bei schönem Wetter immer draußen unter großen, mächtigen Eichen. Wir sammelten auch viele Eicheln und bastelten daraus kleine Menschen- oder Tierfiguren. Allerdings habe ich auch nicht nur gute Erinnerungen an diese Kinderzeit. In einem nahgelegenen Teich, in dessen Wasser die Frauen damals noch ihre Wäsche gereinigt bzw. gewaschen haben, wäre ich beinahe zweimal ertrunken. Ausgerechnet diese Wäscherinnen haben mich jedesmal wieder aus dem Teich gezogen und somit gerettet. Als ich etwa vier oder fünf Jahre alt war, zogen meine Eltern ins Ruhrgebiet nach Oer-Erkenschwick. Seltsamerweise kann ich mich noch sehr gut an meine schöne Kinderzeit in Diebrock erinnern. Meine Mutter schickte uns hin und wieder auch zu einem Bauern, der seinen Hof ganz in der Nähe hatte, um in einer kleinen Kanne aus Aluminium frische Kuhmilch zu holen. Die Bäuerin hat die Zitzen der Kuh dann immer zu mir rüber gehalten und mich mit ihrer warmen Milch bespritzt. Wir durften auch überall im Stall herum laufen und die Tiere streicheln. Wir standen zum Beispiel barfuß bei den Schweinen im Dreck, durften kleine Ferkel auf den Arm nehmen und sie durch die Gegend tragen. Wir hatten damals noch viel Freiheit. Ja, das waren noch wirklich schöne Zeiten. Die Kinder in den Städten von heute tun mir echt leid, weil sie wahrscheinlich in ihrem ganzen Leben so etwas nie erleben werden. Was sind das nur für arme Geschöpfe. Deshalb gehe ich mit meinen Enkelkindern viel in die Natur hinaus. Hier in Bayern gibt es noch die Möglichkeit Urlaub auf dem Bauernhof zu machen, was wir auch nutzen. Man kann es regelrecht sehen, wie unsere Jungs aufblühen, wenn sie Kontakt mit den Tieren auf dem Hof haben. Dann denke ich oft zurück an meine eigene, schöne und beschwerdefreie Kinder- und Jugendzeit.

Heinz-Walter Hoetter
Geboren am 21.06.1949 in Diebrock / Kreis Herford (NRW)
Lebt seit 1970 / 71 in Fürstenfeldbruck / Obb.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 24.04.2017. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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