Annelie Kelch

Letzte Hymne an den Frühling

Keine Jahreszeit ist zärtlicher als der Frühling:
Er zaubert ein Lächeln auf blasse Wintergesichter
und lässt sie lieblich erglühn,
sorgt mit Sonnenstrahlen dafür,
dass bunte Blumen blühn;
lässt das struppige Gras reifen
und malt alle Wälder grün.

Mit den Sonnenstrahlen werden die Seelen federleicht
und wollen wie Schmetterlinge von Blüte zu Blüte fliegen.
Ich möchte Hand in Hand mit dir auf einer Wiese liegen -
bis der Himmel wolkenlos ist - und so blau, dass man
davon trinken möchte und die Wunden, die uns das
Leben schlug, endlich zu heilen beginnen.

Aus manchen Gartenlauben dringt in lauen Nächten
Liebesgeflüster: Bitte nicht stören! Wir sind ein junges Paar.
Die Schiffe takeln sich auf und wollen aufs Meer hinaus
bis nach Gibraltar. Ich weiß noch, große Schwester,
dass dort dein Liebster einst als Matrose war -
und wie herzergreifend du geweint hast,
wenn mal kein Brief von ihm auf der Kommode lag.

Man behält die Welt in guter Erinnerung,
wenn man im Frühling stirbt, mein Lieb;
aber der Abschied fällt gewiss schwerer,
als käme der Tod an einem kalten Wintertag.

Ich sehe überall Schatten; sie fallen zur Erde und danken
ihrem Spender auf Knien - wie Menschen dem fremden Blut,
das sie gerettet hat vor dem Tod.

Wart' nur, mein Herz, ich baue den alten Deich wieder auf
und lege ihm meine Träume zu Füßen.
Die Flut wird kommen, pünktlich wie meist,
und sie nach Jerusalem tragen. Ich weiß nicht, weshalb.

Das Licht der Sonne brennt nun von früh bis spät -
bis dem müd' gewordenen Tag die Augen zufallen.
Nun wird es Nacht, mein Lieb', und auf meinem Aquarell
verblassen die bunten Farben.

Bild zum Gedicht Letzte Hymne an den Frühling

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