Annelie Kelch

Schweig still, mein armes Herz ...

Ich bin allein

das Haus ist leer wie meine Seele

die Einsamkeit schwoll an

besetzte alle Räume

sein letzter Brief vernichtete

den schönsten meiner Träume

 

Schweig still, mein armes Herz,

schlag ruhig, was kann uns noch geschehn

Das Leben, es muss weitergehn ...

 

Was will mir dieses neue Jahr?

Die Luft ist kühl, es weht ein frischer Wind

grad „ausgezogen“, fort von mir,

mein letztes „Kind“.

Ich wein' ja nicht, ich denke nur

an längst vergangene Zeiten, Glück

und weiß genau, es kehrt

nie mehr zu mir zurück

 

Schweig still, mein armes Herz,

schlag ruhig, was kann uns noch geschehn ―

Das Leben, es muss weitergehn ...

 

Ich werfe meine großen kleinen Sünden

ins blaue Meer, gleich hinterm Süderdeich

In meine Augen fällt das Dunkel gleich

wie auf Asphalt die Blätter von den Bäumen

Das hab' ich nun von meinen dummen Träumen:

So lieblich und so hell: mein Schattenreich

 

Schweig still, mein armes Herz,

schlag ruhig, was kann uns noch geschehn

Das Leben, es muss weitergehn ...

 

Geheißen hätte meine Tochter „Chana“,

mit ihr hätte ich „Jom Kippur“* gefeiert jedes Jahr

indes die Tochter, meine Chana, ist und war nie da

Und doch seh' ich sie knien Tag für Tag

an meiner Seite und in vielen Synagogen

Die Thorarollen seh' ich und den Palmenzweig

das Rauschen der Gebetsmäntel ein Bilderbogen

 

Schweig still, mein armes Herz,

schlag ruhig, was kann uns noch geschehn ―

Das Leben, es muss weitergehn ...

 

Oft war ich nur ein aufmerksamer leiser Gast

bei jenen Festen, die ihr aufwändig gefeiert habt

Hab' selten was gefragt und niemals laut gelacht

Hab mit Verwunderung und Liebe stets an euch gedacht

und mich gefreut, dass ihr trotz allem noch so fröhlich wart

 

Schweig still, mein armes Herz,

schlag ruhig, was kann uns noch geschehn ―

Das Leben, es muss weitergehn ...

 

*hebr. wörtlich übersetzt, 'Tag der Sühne', zu Deutsch zumeist "Versöhnungstag oder Versöhnungsfest". Jom Kippur ist der höchste jüdische Feiertag.

 

 

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